Theologe kritisiert Papst-Diplomatie und fordert "verbale Disziplin"
Der Kirchenhistoriker Massimo Faggioli sieht die persönliche Amtsführung des Papstes als Problem in internationalen Krisen und fordert "mehr verbale Disziplin". "Jedes Wort, jede Geste muss sorgfältig abgewogen und kalibriert werden und das Ergebnis von Konsultationen mit Experten des Heiligen Stuhls sein, wobei nichts dem guten Instinkt und der Improvisation überlassen werden kann, denn das birgt Risiken", sagte Faggioli der "Huffington Post" am Montag. Der Umgang des Papstes mit Staaten und Einheiten des Völkerrechts müsse anders sein als mit Diözesen, Klöstern oder aktivistischen Bewegungen, so der Theologe.
Franziskus' persönlicher Gesprächsstil führt auf diplomatischem Parkett immer wieder zu Missverständnissen und Spannungen. Zuletzt lösten Treffen von Papst Franziskus mit einer israelischen und palästinensischen Delegationen Kontroversen aus. Nach dem Treffen stand unter anderem die Frage im Raum, ob der Papst das Wort "Genozid" in Zusammenhang mit den Bombardements auf Gaza benutzt habe oder nicht. Teilnehmende eines Treffens mit Franziskus hatten dies behauptet. Vatikansprecher Matteo Bruni sagte später, ihm sei nicht bekannt, dass der Papst dieses Wort verwandt habe.
Es scheine, als vertraue Franziskus der traditionellen Arbeitsweise der vatikanischen Diplomatie nicht, so Faggioli. "Es handelt sich um einen allgemeinen Aspekt des Pontifikats von Franziskus, bei dem eine Marginalisierung des Staatssekretariats wahrgenommen wird, nicht nur im Hinblick auf die Regierung der Römischen Kurie und des Vatikans, sondern auch im Hinblick auf internationale Fragen", so Faggioli weiter. Jedoch brauche gerade die Diplomatie des Heiligen Stuhls die Beratung dieser Behörde auf internationaler, rechtlicher, politischer und diplomatischer Ebene.
Kirche werde immer papalistischer
Die Reform der Römischen Kurie habe die Funktion des Staatssekretariats deutlich geschwächt und die Kurie stärker auf den Papst ausgerichtet, so Faggioli. Es gebe nun einige Kardinäle, denen Papst Franziskus sehr nahe stünde, aber es sei nicht klar, welche Rolle die Kurie als Ganze in seinem Pontifikat spiele. Es sei widersprüchlich, dass Franziskus eine synodale Kirche fordere, aber die Kirche durch seinen Regierungsstil und seine Entscheidungen immer papalistischer werde, so Faggioli.
Insgesamt regiere Franziskus eigenständiger als seine Vorgänger. "Bei seinen Vorgängern gab es so etwas wie den päpstlichen Haushalt, mit einem sichtbaren und identifizierbaren Sekretär, der als Filter fungierte", so Faggioli. Dies habe negative Auswirkungen gehabt, da es sich um einen kaiserlichen Hof handelte, aber auch Klarheit geschaffen, durch wen Informationen zum Papst gelangten. Nun gebe es keinen päpstlichen Haushalt mehr und der Sekretär des Papstes sei eine unsichtbare Funktion, die alle paar Jahre wechsle. Es sei nicht klar, wie und durch wen der Papst informiert werde.
Faggioli betonte, dass er nicht davon ausgehe, dass Papst Franziskus mit seinem Leitungsstil provozieren wolle, sondern dass er wohl überzeugt sei, dass dies der beste Umgang ist. Es stelle sich jedoch die Frage "wie man im Vatikan, in Santa Marta, die Folgen bestimmter Worte und Taten wahrnimmt und was man dem Papst sagt", so Faggioli. (ben)