Kardinal bezog Position in Streit um Wahlergebnis – Regierung erhebt Vorwürfe

Haftbefehl? Kardinal gerät in Guatemala zwischen die Fronten

Veröffentlicht am 02.12.2023 um 11:19 Uhr – Lesedauer: 

Guatemala-Stadt ‐ Nachdem sich Guatemalas Kardinal, Alvaro Ramazzini, auf die Seite des linken Wahlsiegers stellte, erhebt die rechte Alt-Regierung schwere Vorwürfe gegen ihn. Nun ist sogar von einem Haftbefehl gegen den Kirchenmann die Rede.

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In der innenpolitischen Krise Guatemalas ist Kardinal Alvaro Ramazzini offenbar ins Visier der Justiz geraten. Lokale Medien berichten über einen möglichen Haftbefehl gegen den Bischof von Huehuetenango. Ramazzini sagte dem Sender La Red, nach seinen Informationen liege ein Schreiben der noch amtierenden Regierung an den Vatikan vor, in dem schwere Vorwürfe gegen ihn erhoben würden. Das habe ihm der päpstliche Nuntius mitgeteilt.

Über den Inhalt des Schreibens seien ihm keine Details bekannt, so Ramazzini; der Nuntius habe aber von einem "sehr harten Brief" gesprochen. "Ich hatte keinen Zugang zu diesem Schreiben und habe ihn auch nicht gebeten, es mir zu zeigen, weil ich es nicht für ratsam hielt", sagte der Kardinal laut der Zeitung "Prensa Libre". Er hoffe nicht, dass es tatsächlich einen Haftbefehl gegen ihn gebe. Ihm sei aber für den Fall einer Klage bereits Unterstützung angeboten worden. "Sie wissen, in welchem Land wir uns befinden", so Ramazzini.

Guatemala wird derzeit von einer politischen Krise erschüttert. Bei den Präsidentenwahlen im August hatte sich überraschenderweise der linke Systemkritiker Bernardo Arevalo de Leon durchgesetzt. Seitdem versuchen die noch amtierende rechte Regierung und die Staatsanwaltschaft, das Wahlergebnis anzufechten. Kardinal Ramazzini hatte sich auf die Seite des Wahlsiegers gestellt und die staatlichen Institutionen scharf kritisiert. Die USA und die EU fordern Guatemala auf, das Wahlergebnis anzuerkennen und eine friedliche Machtübergabe zu garantieren.

Politische Probleme in Guatemala

Der Geschäftsführer des Menschenrechtszentrums des Erzbistums Guatemala-Stadt, Nery Rodenas, sagte jüngst der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), Guatemala sei keine typische Diktatur, in der eine einzige Person viele Jahre lang alle Macht ausübe, sondern "eine Diktatur des Systems; das heißt ein System, das keine anderen Aktivitäten zulässt als jene, die ihm Privilegien verschaffen".

Die Diktatur in Guatemala bestehe durch die Infiltration aller staatlichen Institutionen, die Schwächung des demokratischen Systems, die Verfolgung und Kriminalisierung von Gegnern, sagte Rodenas. Es gebe den Versuch, eine Machtübernahme zu blockieren und Veränderungsprozess zu behindern, "damit das System von Korruption, Privilegien und Straflosigkeit weiter bestehen bleiben könne". (KNA)