Millionen Tonnen Plastikabfall verschmutzen die Erde

Überall Müll...

Veröffentlicht am 29.04.2015 um 00:00 Uhr – Von Janina Mogendorf – Lesedauer: 
Umwelt

Bonn ‐ Deutschland ist das Land der ökologischen Vorreiter. Und doch verbraucht es mehr Plastik als alle anderen europäischen Staaten. Die Kirche will dabei nicht länger tatenlos zuschauen.

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Deutschland, das Land der Energiewende und der ökologischen Vorreiter, verbraucht mit 11,5 Millionen Tonnen pro Jahr mehr Plastik als alle anderen europäischen Länder. Tendenz: weiter steigend, warnt der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Die Verantwortung dafür liegt nicht nur bei Politik und Wirtschaft, denn der Löwenanteil (35 Prozent) wird rund um den Verbraucher verursacht. Das heißt, jeder kann mit seinem Einkaufsverhalten gegensteuern.

Vom Spülmaschinen-Tab bis zum Schraubendreher-Set ist alles in Kunststoff verpackt und die Stofftasche liegt zu Hause, während man gerade noch schnell fürs Abendessen einkauft. Vor allem in Bekleidungsgeschäften muss der Kunde schnell reagieren, um die obligatorische Tragetasche abzulehnen. Sechs Milliarden Plastiktüten werden auf diesem Weg jedes Jahr in Deutschland verbraucht. Jede einzelne wird im Schnitt nur 25 Minuten verwendet - von der Kasse bis zum Kühl- oder Kleiderschrank.

Die Menschen konsumieren, die Wirtschaft jubelt, der Entsorgungssektor brummt und alles, was aus diesem Kreislauf herausfällt, landet dort, wo es nicht hingehört: im Wald, in Gewässern und im Meer. Dort schwimmen mittlerweile sechsmal mehr Plastikteile, als Plankton. Riesige Müllinseln treiben zwischen den Kontinenten. Südöstlich von Hawaii dreht sich ein Wirbel, doppelt so groß wie der US-Bundesstaat Texas und in der Mitte rotieren drei Millionen Tonnen Plastikmüll, an dem Tiere qualvoll verenden.

Hochgiftier Müll auf den Meeren

Noch sehr viel weitreichender sind die Gefahren, die von kleinsten Plastikpartikeln ausgehen. Sie werden in der Industrie eingesetzt und gelangen beim Schiffstransport ins Meer, andere stammen aus zerfallenem Plastikmüll. Das Problem: Die winzigen Teilchen sind offenbar hochgiftig, weil sich zusätzlich zu ungesunden Inhaltsstoffen Umweltgifte aus dem Meer in ihnen anreichern. Wissenschaftler schlagen Alarm, weil diese "Tränen der Meerjungfrauen" nicht nur als Plastiksand an Strände gelangen, sondern in die Nahrungskette und damit auch irgendwann auf den Teller.

Nicht mehr tatenlos zusehen wollte vor einigen Jahren der 19-Jährige Niederländer Boyan Slat und rief das Projekt "The Ocean Cleanup" ins Leben. Mit großen Plattformen, die einem Manta-Rochen gleichen und der Meeresströmung folgen, will die Organisation Millionen Tonnen Plastikabfall aus den Meeren sammeln und recyceln. Für jeden großen Müllwirbel rechnet Slat fünf Jahre. Eine Studie der Stiftung bestätigt die Machbarkeit, so dass derzeit mit Hilfe von Spenden ein Pilotprojekt läuft.

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Video: © Katholische Fernseharbeit

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Hanke: Die Schöpfung ist kein Steinbruch für die Bedürfnisse des Menschen

Nicht tatenlos zusehen, sondern Verantwortung übernehmen, lautet immer wieder auch der Aufruf des Eichstätter Bischofs Gregor Maria Hanke. "Die Schöpfung ist kein Materiehaufen, kein Steinbruch für die Bedürfnisse des Menschen", mahnte er 2014 bei der Jahrestagung der Umweltbeauftragten der katholischen Kirche. Viele Umweltfragen würden innerhalb der Kirche nur unter ethischen oder wirtschaftlichen Gesichtspunkten behandelt. Der Einsatz für die Schöpfung sei viel mehr, nämlich persönliche Begegnung mit Christus selbst.

"Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Es war sehr gut." (Genesis 1, 31) heißt es in der Schöpfungsgeschichte. "Ob er das Gleiche wohl auch heute noch von seiner Schöpfung sagen würde?", fragt das Bistum Osnabrück auf seiner Internetseite und stellt Umwelt-Projekte aus der Diözese vor. Nicht mehr tatenlos zusehen wollten auch Schüler der Osnabrücker Ursulaschule. Sie haben sich zum Ziel gesetzt, die Stadt bis 2017 komplett von Plastiktüten zu befreien, indem sie sie in der Fußgängerzone gegen umweltfreundliche Jutebeutel tauschen.

Der Erdball - sechs Mal in Folie verpackt

Die Fastenzeit nutzte in diesem Jahr der VerbraucherService Bayern im Katholischen Deutschen Frauenbund (VSB) um auf das Thema hinzuweisen und rief vor Ostern zum Plastikfasten auf. Dazu gab es Tipps, wie man mit einfachen Mitteln im Alltag Kunststoff sparen kann: Mehrwegflaschen statt Einwegträger kaufen, Wurst und Käse von der Frischtheke, statt aus dem Kühlregal, Waschmittel in Pulverform, statt in einzeln abgepackten Tabs und vieles mehr. Im Bistum Eichstätt veranstaltete der VSB eine Reihe von Beratungstagen, bei denen Verbraucherberater über einen bewussteren Umgang mit Plastik informierten.

"Die Menge an Kunststoffen, die wir seit Beginn des Plastikzeitalters produziert haben, reicht aus, um unseren gesamten Erdball sechs Mal in Plastikfolie einzupacken." Es sind solche Sätze, wie von den Machern des Films "Plastic Planet" , die zeigen, wie wichtig ein Umdenken ist. Und Bischof Hanke macht gegenüber katholisch.de noch einmal deutlich: "Nicht die Schöpfung aufzubrauchen, sondern sie mitzugestalten ist Auftrag des Schöpfers an den Menschen." Wer Müll produziere, verschwende vielfach kostbare Ressourcen, die auch den kommenden Generationen gehörten. Müll vermeiden helfe dagegen, Zukunft zu gestalten.

Die Katholische Landjugend (KLJB) stellt in ihrem Verbandsmagazins BUFO Ideen vor, um Müll gar nicht erst entstehen zu lassen. "Warum soll jeder einen eigenen Rasenmäher, Fonduetopf oder eine eigene Bohrmaschine besitzen, wo man diese Gerätschaften doch nur gelegentlich braucht?", heißt es mit dem Hinweis auf Leih- und Tauschplattformen im Internet. Vielerorts würden wieder Tante-Emma-Läden eröffnet. Dort kann man viele Lebensmittel lose aus Großbehältern abfüllen. Aus Amsterdam kommt das Konzept der Repair-Cafes. Vom defekten Drucker bis zur elektrischen Zahnbürste versuchen Ehrenamtliche hier Produkte wiederzubeleben, bei denen das eingebaute Haltbarkeitsdatum abgelaufen ist.

Umweltforscher arbeiten unterdessen an Plastik-Alternativen aus natürlichen Rohstoffen. Sie sollen die vielseitigen Eigenschaften von Kunststoff vereinen, ohne schädliche Inhaltsstoffe und sich nach der Entsorgung zersetzen. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt fördert eine Eisenacher Firma, die ein entsprechendes Material aus Pflanzenfasern - einem Nebenprodukt der Papierindustrie - entwickelt hat. Ein Hannoveraner Unternehmen wandelt Casein, das in der Milchindustrie abfällt, in Textilfasern um. Beide Materialien sollen günstig, wirtschaftlich und umweltentlastend sein.

Papst: Seid Hüter der Schöpfung

Upcycling, also aus alt neu machen oder aus wertlos wertvoll, ist seit einigen Jahren der Trend für handwerklich Begabte, Künstler und Designer. Mit Geschick und einem Bügeleisen verwandeln sich zum Beispiel Plastiktüten in Taschen, Teppiche und Körbe. Aus Duschgel-Spendern werden Stiftehalter, aus Plastikflaschen geschmackvolle Blumenvasen, Lampenschirme und sogar Schmuck. Kunststoff-Fischernetze führen ein zweites Leben als Sessel, Deoroller-Kugeln geben eine dekorative Lichterkette ab. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt und das Internet ist voller Ideen und Anleitungen. Nur selten sieht man den Produkten ihre Vergangenheit an.

Plastikmüll: Das Problem ist groß, die Folgen absehbar. Doch mit dem Willen zur Veränderung und der Wahrnehmung der eigenen Verantwortung ist vieles möglich. Denn, wie sagte Papst Franziskus bereits in seiner Antrittspredigt: "Seid Hüter der Gaben Gottes! Lasst uns Hüter der Schöpfung, des in die Natur hineingelegten Planes Gottes sein, Hüter des anderen, der Umwelt."

Von Janina Mogendorf