Landesbischof Kopp kritisiert Entstehung der ForuM-Missbrauchsstudie
Der bayerische Landesbischof Christian Kopp kritisiert mangelnde Transparenz bei der Entstehung der ForuM-Studie zu sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche. Die bayerische Landeskirche habe in kleinteiliger Arbeit alle Meldungen und alle Disziplinarakten untersucht und diese Analyse weitergemeldet, sagte Kopp am Dienstag im Münchner Presseclub. Von der Forderung, dass alle Landeskirchen auch alle Personalakten hätten sichten sollen, habe man erst am vergangenen Donnerstag erfahren – also erst bei der offiziellen Präsentation der Studie. In den Gesprächen, "von denen wir Kenntnis hatten", zwischen Forschenden und der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sei das nicht angekündigt gewesen, sagte Kopp. Am Freitag hatte Kopp gesagt, aufgrund der Menge an Personalakten habe der Aufwand für die Sichtung die personellen und zeitlichen Ressourcen überstiegen.
Kopp wiederholte seine Aussage, er sei unglücklich über den Vorwurf "des mangelnden Engagements" bei der Durchsicht der Personalakten seitens der Forscher. Er gab zu bedenken, dass in dieser Diskussion auch aus dem Blick gerate, um was es der Studie eigentlich gehe: nämlich um die Benennung von Risikofaktoren, die sexualisierte Gewalt begünstigten. Bei der Studie sollte es ausdrücklich nicht um Einzelpersonen gehen, erläuterte er.
Ein Teilprojekt der sogenannten ForuM-Studie zu sexualisierter Gewalt in der EKD hatte zum Ziel, Kennzahlen zur Häufigkeit von Missbrauch zu erheben – unter anderem auf Basis von Personal- und Disziplinarakten. Die Forschenden fanden für den Zeitraum von 1946 bis 2020 2.225 Betroffene und 1.259 Beschuldigte, gehen aber wegen der eingeschränkten Datenlage von einer weitaus höheren Dunkelziffer aus. Denn die Landeskirchen hatten bis auf eine lediglich Daten aus Disziplinarakten und zu bereits bekannten Fällen bereitgestellt. Das hatten die Forscher kritisiert.
Theologe: Aufarbeitung leidet an Unprofessionalität
Unterdessen glaubt der Theologe Reiner Anselm nicht, dass die evangelischen Kirchen die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt strategisch verschleppen wollen. Das Problem sei eher eine Unprofessionalität, die für die protestantischen Kirchen typisch sei, sagte der evangelische Theologe der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität am Dienstag im Deutschlandfunk. Man habe etwa in den Kirchenleitungen den Aufwand unterschätzt, den die Bereitstellung von Personalakten erfordert hätte. Anselm sagte, die Rollen in den evangelischen Kirchen müssten besser getrennt werden. Künftig sollten Pfarrerinnen und Pfarrer klarer zwischen ihrem Beruf und Privatem unterscheiden. Eine Vermengung dieser Rollen habe sexualisierte Gewalt begünstigt. Außerdem sollten Seelsorge und Aufarbeitung nicht in einer Hand liegen.
Der Theologe argumentierte für eine stärkere staatliche Verantwortung für die Aufarbeitung. Man müsse sich fragen, ob in der Vergangenheit "das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen nicht überdehnt worden ist". Es dürfe nicht zu einer "Betroffenheitskultur, die in eine Handlungsstarre führt", kommen, sagte Anselm: "Dass man immer betont, wie furchtbar das alles ist, und sich entschuldigt, aber nachher passiert eigentlich gar nichts mehr." Trotz allem halte er die Kritik an der ForuM-Studie in Teilen für überzogen, sagte Anselm. Die Studie sei als ein Anfang der Aufarbeitung angelegt gewesen, es habe mit ihr daher gar nicht alles geleistet werden können. (tmg/epd)