EKD: Sichten von Personalakten für Missbrauchsstudie war vereinbart
Die Sichtung von kirchlichen Personalakten für die Missbrauchsstudie in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Diakonie war vertraglich mit dem Forscherteam vereinbart. Das stellte die EKD am Mittwoch auf ihrer Internetseite klar, nachdem sich vereinzelt evangelische Landeskirchen nach der Veröffentlichung der Missbrauchsstudie über die Aussagen des Forscherteams beschwert hatten, die Landeskirchen hätten nicht alle ursprünglich benötigten Daten zu Fallzahlen erhoben.
So hatte etwa der bayerische Landesbischof Christian Kopp am Dienstag vor Journalisten gesagt, seine Landeskirche habe vor Veröffentlichung der Studie keine Kenntnis davon gehabt, dass alle Personalakten gesichtet werden sollten. Zuvor hatte er erklärt, wegen der schieren Menge habe man weder zeitlich noch personell die Kapazitäten dazu gehabt. Der Vizepräses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Christoph Pistorius, hatte dem Evangelischen Pressedienst (epd) gesagt, es gebe eine "Differenz zwischen der Darstellung der Forschenden und dem, was man tatsächlich beigetragen" habe.
Ein unabhängiges, interdisziplinäres Forschungsteam hatte am Donnerstag vergangener Woche an der Hochschule Hannover die Studie vorgestellt. Ein Teilprojekt der Studie hatte Kennzahlen zur Häufigkeit von Missbrauch in den 20 evangelischen Landeskirchen und 17 Diakonie-Landesverbänden erhoben. Die Forscher fanden 2.225 Betroffene und 1.259 Beschuldigte in den Daten, die ihnen zur Verfügung standen, gehen aber wegen der eingeschränkten Datenlage von einer weitaus höheren Fallzahl aus. Kritik übten sie an den Landeskirchen, die statt der ursprünglich vertraglich vereinbarten stichprobenartigen Durchsicht von Personalakten letztlich bis auf eine nur Daten aus Disziplinarakten und zu bereits bekannten Fällen bereitgestellt hatten.
Darstellung der EKD
Nach Darstellung der EKD war die Unterstützung für die Studie im September 2020 von den leitenden Geistlichen der Landeskirchen beschlossen worden. Das eingereichte Forschungsdesign habe ein Screening von Personalakten in einer Stichprobe von Landeskirchen vorgesehen, die auf Basis einer vorgeschalteten Exploration und Datenerhebung in den Landeskirchen geschehen sollte. Bei der Datenerhebung kam es letztlich zu einer Verzögerung. Daraufhin hätten die Forscher des Teilprojekts zusammen mit den zuständigen Gremien in der EKD eine Nacherhebung festgelegt, was auch an alle Landeskirchen kommuniziert worden sei.
Wegen der Verzögerung schlugen die Forschenden im Juni 2022 dann ein neues Vorgehen vor, das statt des stichprobenartigen Screenings von Personalakten ein Screening der Disziplinarakten von Pfarrern in allen Landeskirchen vorsah. Auf dieser Basis wurden die Kennzahlen schließlich errechnet. Mit einer Landeskirche, der Evangelisch-Reformierten Kirche, vereinbarte das Teilprojekt als Modellprojekt auch ein Screening der Personalakten von Pfarrern, um Anhaltspunkte dafür zu finden, wie sich eine komplette Sichtung auf die Fallzahlen auswirken könnte.
Der Leiter des unabhängigen Forschungsverbunds ForuM, Martin Wazlawik, sagt der Wochenzeitung "Die Zeit" (Donnerstag), diese Datenbasis sei "nicht die Traumvorstellung von Wissenschaft". Die Zahlen beschrieben noch nicht das Gesamtausmaß sexualisierter Gewalt: "Was wir in der ForuM-Studie gemacht haben, ist ein Anfang, hinter dem ein Doppelpunkt steht. Es kommt noch einiges an Arbeit auf die Landeskirchen und die EKD zu, um den Raum hinter diesem Doppelpunkt zu füllen." Der Sprecher der Betroffenen sexuellen Missbrauchs in der evangelischen Kirche, Detlev Zander, kritisierte die Beschwerden aus den Landeskirchen. "Die Diskussionen über Akten, Zahlen und wer die besseren Konzepte zur Aufklärung und Aufarbeitung in den Landeskirchen hat, sind unprofessionell und für viele Betroffene erneut verletzend", schrieb er bei Facebook. Die öffentliche Diskussion von einigen leitenden Kirchenvertretern rund um die Missbrauchsstudie stelle alles in den Schatten, was er sich habe vorstellen können. (epd)