Die Kirchen in den USA ringen um den Umgang mit Homosexuellen
Paul Rospond fühlt sich bestätigt. Der Pfarrer der St. Paul Church im New Yorker Stadtteil Manhattan segnet schon lange schwule und lesbische Paare. Das will er jetzt noch häufiger tun, seit der Vatikan im Dezember das Dokument "Fiducia supplicans" veröffentlicht hat. Die Erklärung erlaubt katholischen Priestern erstmals – unter bestimmten Voraussetzungen – die Segnung homosexueller Paare. Sehr zur Freude von Rospond, denn er weiß, "dass es Homosexuelle gibt, die gläubige Katholiken sind".
Doch neben Zuspruch gibt es allerhand kritische Stimmen aus konservativ-katholischen Kreisen, die in der US-Kirche den Ton angeben. Sie betonen die vielfältigen Einschränkungen, die der Vatikan beim Thema Homosexuellen-Segnung vorgesehen hat. Ein solcher Segen dürfe etwa nur ohne jede Ritualisierung erteilt werden. Manche erkennen in der vatikanischen Kursänderung jedoch den gravierendsten pastoralen Wandel gegenüber Homosexuellen in der Kirchengeschichte.
Das Thema beschäftigt nicht nur die Katholiken in den USA
Das Thema beschäftigt nicht nur die Katholiken in den Vereinigten Staaten, auch die anderen christlichen Kirchen ringen darum, wie eine zeitgemäße Haltung aussehen könnte. Die United Methodist Church (UMC) beispielsweise, einst die drittgrößte christliche Glaubensgemeinschaft der USA, schrumpft seit Jahren. Sie verliert immer mehr Mitgliedsgemeinschaften wegen Streitigkeiten um LGBTQ-Richtlinien. Die englische Abkürzung LGBTQ steht vor allem für nicht-heterosexuelle Menschen, die sich etwa als lesbisch, schwul oder queer identifizieren.
Etwa ein Viertel aller Gemeinden hat der UMC den Rücken gekehrt, weil sie gleichgeschlechtliche Ehen strikt ablehnen und in dieser Frage keine Zugeständnisse dulden. Viele der Abtrünnigen laufen zur konservativen Global Methodist Church (GMC) über. Zu der 2022 gegründeten Traditionalisten-Bewegung zählen mittlerweile nach eigenen Angaben mehr als 4.000 US-Gemeinden.
Eine Zerreißprobe erlebt auch die Episkopalkirche, ein US-Ableger der Anglikaner. Seit Jahren entzweien die Themen, Ehe, Sexualität und LGBTQ-Integration die rund 1,6 Millionen Mitglieder. Ausgelöst wurde sie unter anderem 2003 durch den ersten bekennend homosexuellen Bischof: Viele feierten die Weihe des inzwischen emeritierten Bischofs von New Hampshire, Gene Robinson (76), als Anerkennung für LGBTQ-Menschen, doch führte der Fall auch zu einer heftigen Kontroverse nicht nur innerhalb der Anglikanischen Weltgemeinschaft. Heute geht der liberale Kurs der britischen Mutterkirche manchen zu weit, anderen nicht weit genug. Denn die Church of England gestattete kürzlich die Segnung von homosexuellen Paaren in Gottesdiensten und veröffentlichte dazu eigens spezielle Texte und einen Leitfaden.
Weitere Konflikte entstehen wegen finanzieller Fragen
Weitere Konflikte in den christlichen Gemeinschaften der USA entstehen wegen finanzieller Fragen. US-Methodisten haben in der Vergangenheit afrikanische Kirchen großzügig unterstützt. Doch die Finanzmittel sind stark angegriffen, seit sich die UMC spaltet. "Was in einer Konferenz in den USA geschieht, beeinflusst die Arbeit in Afrika und umgekehrt", fasste UMC-Bischof Gregory Palmer die Problematik jüngst zusammen.
Ein Dilemma für die global aufgestellten Katholiken, Anglikaner und Methodisten sieht der an der Eastern Illinois University tätige Politologe und Baptistenpastor Ryan Burge: Die größten Mitglieder-Zuwächse seien in den vergangenen Jahrzehnten in afrikanischen Ländern verzeichnet worden, in denen Homosexualität allgemein verpönt sei und nicht selten mit harten Strafen geahndet werde. Ein liberalerer Kurs der Kirchen könnte dazu führen, dass sich die neuen Mitglieder rasch wieder abwenden, so der Experte.