Europapolitiker Weber für staatliche Aufarbeitung von Missbrauch
Nach der Studie über sexualisierte Gewalt in der Evangelischen Kirche in Deutschland hat der Europapolitiker Manfred Weber auf die staatliche Aufarbeitung in anderen Ländern hingewiesen. "Ich erlebe allerdings, dass in Ländern, in denen staatliche Organisationen diese Aufgabe übernommen haben, innerhalb kurzer Zeit viel Klarheit kam", sagte der CSU-Politiker der Katholischen Nachrichten-Agentur in Brüssel. "Es muss Licht in die Dunkelheit kommen, und die Opfer müssen respektiert und unterstützt werden."
Weber ist Vorsitzender der Europäischen Volkspartei und Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Nach seiner Einschätzung gibt es in der katholischen Kirche "inzwischen ein deutliches Bewusstsein für die Fehler" und dafür, wie jetzt zu handeln sei. "Ich würde mir wünschen, dass andere gesellschaftliche Strukturen das übernehmen."
Am 25. Januar hatten unabhängige Forscher die erste bundesweite Missbrauchsstudie für die EKD und die Diakonie vorgestellt. Demnach fanden sich Hinweise auf 2.225 Betroffene und 1.259 Beschuldigte in kirchlichen Akten für die Jahre 1946 bis 2020. Weil den Forschern nach eigenen Angaben von 19 der 20 evangelischen Landeskirchen nur ein Teil der Dokumente zur Verfügung gestellt wurde, gehen sie von weit höheren Zahlen aus. Laut Hochrechnung schätzen sie, dass fast 10.000 Betroffene in den Archiven verzeichnet sein könnten. Eine Stärkung der staatlichen Institutionen bei der Missbrauchsaufarbeitung war auch Teil des Koalitionsvertrags zwischen SPD, Grünen und FDP.
Sorge über hohe Zahl von Abtreibungen in Deutschland
Weiter zeigte sich Weber besorgt über die hohe Zahl von Abtreibungen in Deutschland. Innenpolitisch sei mehr Engagement für den Lebensschutz nötig, so der CSU-Politiker. Die EVP wolle das Abtreibungsrecht in nationaler Hand belassen. "Wir brauchen da keine europäische Zentralentscheidung."
Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Entscheidung zum Paragrafen 218 klargestellt, dass die Abtreibungszahlen sinken sollten. "Das war eines der Ziele des Gesetzes", sagte Weber. "Proportional bezogen auf die Zahl der Frauen geht die Zahl der Abtreibungen aber nicht zurück. Deshalb ist, glaube ich, ein neues Engagement notwendig, mehr Ambition und Kreativität in der deutschen Innenpolitik. Wir müssen die Angebote und Rahmenbedingungen so verbessern, dass häufiger Ja zum Kind gesagt wird."
Eine von der Ampelregierung eingesetzte Kommission prüft derzeit eine mögliche Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen außerhalb des Strafrechts. In diesem Frühjahr wollen die Expertinnen und Experten erste Ergebnisse vorstellen. Weber sieht das kritisch und warnt vor einer Abschaffung des Paragrafen 218: "Ich glaube, dass die derzeit geltende Lösung in Deutschland gesellschaftlich mehrheitsfähig ist und einen Ausgleich bringt. Wir sollten das gemeinsam tragen." Im Jahr 2022 ist die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland um fast zehn Prozent auf 104.000 gestiegen. Auch in den ersten drei Quartalen 2023 meldete das Statistische Bundesamt steigende Zahlen. (rom/KNA)