EKD-Synodenpräses Heinrich lehnt Sondertagung zu Missbrauch ab
Die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Anna-Nicole Heinrich, lehnt eine Sondertagung der Synode zur Diskussion über die Missbrauchsskandale in evangelischer Kirche und Diakonie ab. Zunächst müssten "im Beteiligungsforum so schnell wie möglich und so sorgfältig wie nötig Maßnahmen aus der Studie und ihren Empfehlungen abgeleitet werden, die dann der Synode im November vorgelegt werden", sagte sie der "Welt am Sonntag".
Das 2022 in der EKD geschaffene Beteiligungsforum aus Betroffenenvertretern und kirchlichen Beauftragen sei der zentrale Ort für die Weiterarbeit mit der Forum-Studie, fügte Heinrich hinzu. Die Ende Januar vorgestellte Studie eines großen Forschungsverbunds zu sexuellem Missbrauch hatte mindestens 1.259 mutmaßliche Täter und 2.225 Betroffene in den 20 Landeskirchen der EKD sowie der Diakonie festgestellt und von einer vermutlich noch sehr viel höheren Dunkelziffer gesprochen. Zudem hatte die Studie auf kirchliche Strukturen hingewiesen, die die Taten und deren Vertuschung begünstigt hätten.
Eine vorgezogene Sondertagung der üblicherweise nur einmal pro Jahr im November zusammentretenden EKD-Synode fordert nun die Synodale Angela Rinn, Professorin am Theologischen Seminar der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Gerade jetzt müsse Demokratie in der Kirche gelebt werden. "Das kann nur so gehen, dass transparent alle institutionellen Faktoren thematisiert werden, die sexualisierte Gewalt begünstigt, deren Aufklärung verhindert und die Aufarbeitung erschwert haben", so Rinn.
Verantwortlichkeiten unklar
Die Kirchenmitglieder verstünden bislang nicht, wer "im föderalen Kirchengeflecht" wofür verantwortlich sei, sagte Rinn weiter: "Dieses Dickicht ist einer der Gründe für das jahrzehntelange Versagen bei der Aufdeckung von Missbrauchstaten." Die Mitglieder dürften nicht den Eindruck bekommen, "in jenem Dickicht bleibe auch die kirchliche Aufarbeitung des Versagens stecken".
Synoden-Präses Heinrich verwies auf das "verabredete Verfahren". Danach werde man an diesem Wochenende im Beteiligungsforum die Ergebnisse und Empfehlungen der Studie analysieren und anstehende Aufgaben identifizieren.
Der frühere Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, der evangelische Theologe Peter Dabrock von der Universität Erlangen, forderte klare Konsequenzen aus der Studie. Diese attestiere Kirche und Diakonie eine "jahrzehntelange Diffusion der Verantwortung und Zuständigkeiten beim Umgang mit konkreten Missbrauchstaten und -vorwürfen". Es sei zu befürchten, dass "sich diese Verantwortungsdiffusion gegenüber dem entstandenen Scherbenhaufen fortsetzt". (KNA)