Nicht nur am Bahnhof: Auch in der Bibel müssen Menschen Geduld üben

Sie warteten aber vergeblich...

Veröffentlicht am 20.05.2015 um 13:50 Uhr – Von Steffen Zimmermann – Lesedauer: 
Bahnstreik

Bonn ‐ Haben Sie wegen des Streiks der Lokführer heute Morgen auch vergeblich auf Ihren Zug gewartet? Dann sind sie nicht allein. Bereits in der Bibel müssen die Menschen immer wieder warten und sich in Geduld üben. Katholisch.de gibt einen Überblick.

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Bist du der, der kommen soll?

"Da schickte er seine Jünger zu ihm und ließ ihn fragen: Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen andern warten?" (Mt 11,2.3)

Nein, hier geht es nicht um die beiden Streik-Streithähne Claus Weselsky und Rüdiger Grube. Die zitierte Bibelstelle aus dem Matthäusevangelium erzählt vielmehr von Johannes dem Täufer, der im Gefängnis von den Taten Jesu hört. Daraufhin schickt er seine Anhänger mit der Frage zu ihm, ob er derjenige ist, der kommen soll. Darauf antwortet Jesus: "Geht und berichtet Johannes, was ihr hört und seht: Blinde sehen wieder, und Lahme gehen; Aussätzige werden rein, und Taube hören; Tote stehen auf, und den Armen wird das Evangelium verkündet."

Seid stark und unverzagt!

"Euer Herz sei stark und unverzagt, ihr alle, die ihr wartet auf den Herrn." (Ps 31,25)

Bei diesem Zitat muss man in diesen Tagen wohl unwillkürlich an die Millionen Reisenden denken, die auf die streikenden Lokführer warten. Doch weit gefehlt: Der Auszug bildet das Ende von Psalm 31, der mit "Gebet in Bedrängnis" überschrieben ist und zu den Klageliedern gehört. Doch er endet versöhnlich - mit einem jubelnden Danklied auf den Herrn.

Ungeduldiges Warten

"Ungeduldig warteten sie jeden Tag darauf, sie zu sehen." (Dan 13,12)

Auch dieses Zitat passt wohl sehr gut zur momentanen Gemütsverfassung der Bahnreisenden. Tatsächlich entstammt der Auszug jedoch der Erzählung "Susanna und das Urteil Daniels" aus dem Buch Daniel. Darin geht es um einen biblischen Kriminalfall: Susanna, die schöne Frau des Jojakim, hat die Aufmerksamkeit von zwei alten Männern erregt. Sie stellen ihr begierig nach und warten - wie es das obige Zitat zeigt - jeden Tag ungeduldig darauf, Susanne zu sehen. Doch das bloße Sehen reicht den beiden bald nicht mehr - sie wollen mehr. Eines Tages - Susanna nimmt in ihrem Garten gerade ein Bad - versuchen die beiden Männer, sie zu vergewaltigen. Als Susanne sich schreiend zur Wehr setzt, beschuldigen sie sie des Ehebruchs und lassen sie vor Gericht zum Tode verurteilen. Kurz bevor das Urteil vollstreckt werden soll, "erweckte Gott den heiligen Geist in einem jungen Mann namens Daniel" (Dan 13,45). Dieser verhört die beiden Täter und überführt sie der Lüge. Das Ergebnis: Susanna kommt frei, die beiden Männer werden getötet.

Linktipp: "Im Zug begegnet man der Welt"

Als bahnfahrender Benediktiner wurde er bei Twitter bekannt: @AbtMartin schrieb auf seinen vielen Reisen kurze, witzige Sinnsprüche über Beobachtungen und Begegnungen im Zug. Heute ist Pater Martin Werlen nicht mehr Abt des Klosters Einsiedeln und auf Twitter unter @MoenchMartin zu finden - die Bahn bewegt ihn aber immer noch. Ein Gespräch über die Faszination des Bahnfahrens und den Streik der Lokführer.

Vertrauensvolles Warten

"Ich aber schaue aus nach dem Herrn, ich warte voll Vertrauen auf Gott, meinen Retter. Mein Gott wird mich erhören." (Mi 7,7)

Die Erzählung, der diese Bibelstelle entnommen ist, gehört zu den sogenannten Drohreden aus dem Buch Micha. Im konkreten Fall klagt der Prophet über sein Volk. Unter anderem heißt es in der Erzählung: "Verschwunden sind die treuen im Land, kein Redlicher ist mehr unter den Menschen. Alle lauern auf Blut, einer macht Jagd auf den anderen." (Mi 7,2). Weiter klagt der Prophet über bestechliche Beamte, habgierige Rechtsverdreher und treulose Nachbarn. All das führt dazu, dass er zum Schluss der Erzählung - mit dem obigen Zitat - all seine Hoffnung auf Gott setzt, der ihn erhören möge.

Hoffen auf den Herrn

"Ich hoffe auf den Herrn, es hofft meine Seele, ich warte voll Vertrauen auf sein Wort." (Ps 130,5)

Ähnlich wie im vorherigen Zitat geht es auch in dieser Bibelstelle um das Warten auf den Herrn. Die Aussage stammt aus Psalm 130, der mit "Bitte in tiefer Not" überschrieben ist. Der Psalm endet hoffnungsvoll: "Denn beim Herrn ist die Huld, bei ihm ist Erlösung in Fülle. Ja, er wird Israel erlösen von all seinen Sünden". (Ps 130, 7.8)

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Video: © katholisch.de

"Entrich hört zu!": Gerechter Streik?!

Warten kann anstrengend sein...

"Ich bin müde vom Rufen, meine Kehle ist heiser, mir versagen die Augen, während ich warte auf meinen Gott." (Ps 69,4)

Der 69. Psalm ist der Hilferuf eines unschuldig Verfolgten. "Hilf mir, o Gott! Schon reicht mir das Wasser bis an die Kehle", so beginnt der anklagende Text des David, der sich im weiteren Verlauf über seine Widersacher empört und Gott wiederholt um Hilfe anfleht.

Aller Augen warten auf dich...

"Aller Augen warten auf dich, und du gibst ihnen Speise zur rechten Zeit." (Ps 145,15)

Psalm 145 ist ein Lobpreis der Größe und Güte Gottes - und zwar vom Anfang bis zum Ende. Ein sehr lesenswerter Psalm, der in leicht abgewandelter Form auch als Tischgebet gesungen wird und im Gotteslob (GL 87) steht.

Warten kann auch vergeblich sein

"Sie warteten aber vergeblich. Und als er die Tür des Obergemachs nicht öffnete, nahmen sie den Schlüssel und schlossen auf: Da lag ihr Herr tot auf dem Boden." (Ri 3,25)

Ebenfalls im Alten Testament angesiedelt ist die Erzählung über den Richter Ehud im Buch der Richter. Ehud ermordet darin König Eglon, in dem er ihm mit Hilfe einer List einen Dolch in den Leib stößt. "Die Klinge drang samt dem Heft hinein, und das Fett umschloss die Klinge", heißt es in der Bibel. Anschließend verschwindet Ehud unbemerkt, indem er die Tür der königlichen Gemächer verriegelt. Die oben zitierte Bibelstelle schildert die Szenerie aus Sicht der königlichen Diener, die den Mord erst bemerken, als sie - nach einer Zeit des Wartens - die Gemächer aufschließen und ihren Herren tot auf dem Boden finden.

Von Steffen Zimmermann