Das Wahlprogramm der FDP

Der Mensch nicht im Fokus

Veröffentlicht am 06.09.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Dossier: Programme zur Bundestagswahl

Damit Deutschland stark bleibt." Mit diesen Worten betitelt die FDP ihr knapp 100-seitiges Wahlprogramm – und offenbart damit gleichzeitig auch ihre Schwäche. Weniger der Mensch als vielmehr das funktionierende System steht im Fokus der Liberalen. Ihre Schwerpunkte setzt die FDP in der Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Außenpolitik statt bei Themen wie "Familie" und "Bildung". Und auch für die christlichen Kirchen ist in diesem System nicht mehr viel Platz.

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Familie

Den Begriff "Familie" fasst die FDP sehr weit: Familien sind nicht mehr nur leibliche Elternpaare mit Kindern, sondern auch "Alleinerziehende, Patchwork-Familien oder gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern". Demnach sollen eingetragene Lebenspartnerschaften mit der Ehe gleichgestellt werden: bei der Einkommenssteuert, der Riester-Rente und bei Adoptionen. Um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern, will die FDP „den Ausbau des qualitativ hochwertigen Betreuungsangebots für unter Dreijährige“ vorantreiben. Außerdem steht das Betreuungsgeld bei ihnen auf dem Prüfstand und soll notfalls wieder abgeschafft werden.

Bildung

Die Liberalen bekennen sich zu einem föderalen Bildungssystem und wollen die Vergleichbarkeit durch gemeinsame Standards verbessern. Förderschulen sollen laut Wahlprogramm beibehalten werden. Die FDP fordert zudem mehr freie Schulen, die sich dem Wettbewerb mit staatlichen Bildungseinrichtungen stellen. Universitäten sollen ebenfalls autonom bleiben und nach dem Prinzip "Geld folgt Studierenden" finanziert werden. Heißt: Für jeden neuen Studenten erhält die Uni Geld aus einem Fonds. Außerdem befürwortet die FDP den Erhalt bzw. die (Wieder-)Einführung von Studiengebühren. Die Liberalen wollen die Chancen für Schulabbrecher auf dem Arbeitsmarkt erhöhen und das duale Berufsausbildungssystem stärken.

Rüstung

Die FDP setzt auf "Dialog, Partnerschaft und den Vorrang politischer Lösungsansätze". Internationale Abrüstungsinitiativen sollen weiterhin einen wichtigen Stellenwert in der deutschen und internationalen Politik einnehmen. Beim Wiederaufbau staatlicher Strukturen fokussieren sich die Liberalen auf die "zivilen Fähigkeiten" wie Verwaltung, Justiz und Polizei. Sie werben außerdem für den Beitritt weiterer Staaten zum Übereinkommen des Biowaffen- und Chemiewaffenverbots.

Medizin

In medizinischen Fragen steht die Selbstbestimmung des Individuums im Vordergrund. Das betrifft sowohl den Lebensanfang als auch das -ende. Medizinische Behandlungen gegen den Willen des Betroffenen lehnen die Liberalen ab. Auf der anderen Seite will die FDP die Eizellenspende ermöglichen und die künstliche Befruchtung unabhängig vom Familienstand erlauben. Das Thema "Abtreibung" findet sich im Parteiprogramm nicht wieder. Die FDP will außerdem das duale Krankenversicherungssystem beibehalten.

Integration

Eine "gemeinsame Sprache und die Akzeptanz der republikanischen Werte unserer Verfassung" setzen die Liberalen für die Integration voraus. Deshalb wollen sie Integrationskurse weiter stärken - insbesondere für Kinder, aber auch für Geduldete und Asylbewerber. Die FDP fordert ein Einwanderungsrecht, das Fachkräften eine Chance auf dem Arbeitsmarkt gibt. Dazu soll das Arbeitsvisum nach australischem Vorbild weiterentwickelt werden. Die Liberalen verlangen mehr Offenheit und Toleranz in Deutschland. Weitere Ziele sind die beschleunigte Einbürgerung nach vier Jahren und die doppelte Staatsbürgerschaft.

Menschen mit Behinderung

"Ein selbstverständlicher Umgang zwischen Menschen mit und ohne Handicap beginnt idealerweise im Kindesalter" heißt es im Wahlprogramm. Die Inklusion im frühkindlichen Bereich wollen die Liberalen deshalb ausbauen. Ferner setzt sich die FDP für eine aktive Teilhabe von Menschen mit Behinderung am gesellschaftlichen Leben ein. Das bedeutet Barrierefreiheit in allen "öffentlichen Gebäuden, Verkehrsmitteln und Kommunikationseinrichtungen", aber auch bestmögliche Teilhabe am Arbeitsleben durch Teilzeitangebote, berufliche Fördermaßnahmen und den Ausbau inklusiver Arbeitsplätze.

Staat und Kirche

Für die Liberalen gehört "Religionsfreiheit, auch die negative Religionsfreiheit, zu den unaufgebbaren Grundsätzen". Dazu fordern sie die Gleichbehandlung von Kirchen, Religionen und Weltanschauungsgemeinschaften durch den Staat. Geschätzt werden die Religionsgemeinschaften für ihren wertvollen Beitrag zur Gestaltung des Zusammenlebens in der Gesellschaft, "insbesondere im karitativen Bereich und in der Vermittlung von Werten". Detaillierter geht die FDP nur auf den Islam ein: Sie fordert eine "vermehrte Einrichtung von Lehrstühlen für islamische Theologie an deutschen Hochschulen, für die Ausbildung von deutschsprachigen Imamen und muslimischen Religionslehrern". Es müsse zudem selbstverständlich werden, dass bekenntnisorientierter islamischer Religionsunterricht in deutscher Sprache an den Schulen erteilt wird. Das Wort "Kirche" findet sich in Wahlprogramm übrigens nur drei Mal.

Von Björn Odendahl

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