"Weiße Fahne": Wagenknecht verteidigt Papst, Kiesewetter übt Kritik
Der CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter wirft Papst Franziskus vor, sich im Ukraine-Krieg auf die Seite des Aggressors Russland zu stellen. "Damit verkennt er den Auftrag der Kirche (...). Er verkennt den Grundsatz menschlichen Zusammenlebens: Die Würde des Menschen ist unantastbar", schreibt der Bundestagsabgeordnete in einem Gastbeitrag für die Zeitung "Die Tagespost" (Freitag Online) mit Blick auf am Wochenende veröffentlichte Interview-Auszüge, in denen der Papst die Ukraine zu Verhandlungen aufgerufen hatte.
Dagegen verteidigte die frühere Linken-Politikerin und Gründungsmitglied der neuen Partei BSW, Sahra Wagenknecht, das Eintreten des Papstes für einen Waffenstillstand. "In was für einer Gesellschaft leben wir, in der ein Oberhaupt der katholischen Kirche sich für einen Appell zu Friedensgesprächen rechtfertigen muss – und nicht führende Politiker für ihr Unvermögen oder ihren Unwillen, zwei Kriegsparteien an einen Tisch zu bringen?", so die Co-Vorsitzende des "Bündnisses Sahra Wagenknecht" in einem Gastbeitrag ebenfalls in der "Tagespost".
Kiesewetter erklärt, der Papst und die Kirche hätten als "Orientierungsgeber" versagt. Papst Franziskus habe im entscheidenden Moment nicht die richtigen, sondern die falschen Worte gefunden. "Er hat (...) eine Haltung gezeigt, die dem christlichen Menschenbild widerspricht", kritisierte der CDU-Politiker. Dass der Papst vor allem die Ukraine zu Verhandlungen aufgerufen habe, sei Täter-Opfer-Umkehr. "Der Appell, den Krieg sofort zu beenden, darf und kann sich ausschließlich an den Aggressor Russland richten."
Wagenknecht: Papst gibt Anstoß für Kriegsende
Wenn er mit Menschen in der Ukraine spreche, so sei der Wille ungebrochen, ihr gesamtes Staatsgebiet vor den russischen Verbrechen und der Besatzung zu befreien, meint Kiesewetter. "Besatzung ist für sie kein Frieden. Besatzung heißt Mord, Folter, Vergewaltigung und Kindesentführung." Für Ukrainer und Ukrainerinnen zähle nur der "gerechte Frieden in Freiheit", so der CDU-Politiker. Der Ruf nach Verhandlungen sei ein Placebo: "Es nimmt uns die Verantwortung, MEHR für die Ukraine zu tun."
Dagegen erklärte Wagenknecht, dass alle Waffenlieferungen des Westens die Verhandlungsposition der Ukraine nicht verbessert hätten. Selbst ukrainische Generäle gingen nicht mehr davon aus, den Krieg militärisch gewinnen zu können, so die Parteivorsitzende weiter. Die USA zögen sich aus der Kriegsfinanzierung zurück, und der Ukraine gingen die Soldaten aus. "Zu Verhandlungen gibt es also keine Alternative, sofern man keine NATO-Truppen schicken und damit einen Atomkrieg riskieren will." In dieser Lage habe der Papst einen Anstoß gegeben, endlich einen grauenvollen Stellungskrieg zu beenden, betonte die Politikerin. Doch schon lange gelte es in Deutschland als anstößig, nicht nur von Russland, sondern auch von der Ukraine die Bereitschaft zu Verhandlungen einzufordern.
Kiesewetter betont hingegen: "Auschwitz wurde nicht mit der weißen Flagge befreit, sondern mit Waffen." Auch Hitler und Nazi-Deutschland seien nicht mit der weißen Flagge gestoppt worden, sondern mit Waffen. Der Papst wiederhole nun Fehler der Kirche im Zweiten Weltkrieg, bei dem sie zu den Nazi-Verbrechen und dem Holocaust geschwiegen oder sich auf Seite der Nazi-Verbrechen gestellt habe, kritisierte der CDU-Politiker. (KNA)