Wegweisendes Urteil zu geschlechtsspezifischer Gewalt

Erzbischof wegen Gewalt an Ordensfrauen verurteilt

Veröffentlicht am 08.04.2024 um 13:16 Uhr – Lesedauer: 

Salta ‐ Bereits seit vielen Jahren gibt es im argentinischen Salta einen Streit zwischen dem Ortsbischof und einem Kloster von Ordensschwestern. Nun hat ein Gericht den Bischof wegen geschlechtsspezifischer Gewalt an den Karmelitinnen verurteilt.

  • Teilen:

Der argentinische Erzbischof Mario Antonio Cargnello ist von einem Gericht wegen geschlechtsspezifischer Gewalt an rund 20 Ordensfrauen verurteilt worden. Die Unbeschuhten Karmelitinnen des Klosters San Bernardo in Salta hätten durch den Erzbischof mehr als zwei Jahrzehnte lang Gewalt aufgrund ihres Geschlechts in "religiöser, körperlicher, psychischer und ökonomischer Form" erlitten, begründete die Richterin ihr Urteil am Freitag in der Stadt im Nordwesten Argentiniens, berichteten örtliche Medien. Cargnello – Diözesanbischof von Salta – sowie ein emeritierter Bischof und zwei weitere Priester müssen sich demnach in psychologische Behandlung begeben und einen Kurs zum Thema geschlechtsspezifische Diskriminierung absolvieren. Außerdem dürfen sich die Verurteilten den Ordensfrauen nicht nähern.

Die Richterin ordnete zudem an, dass Papst Franziskus eine Ausfertigung des Urteils übersandt wird. Der Anwalt Cargnellos kündigte am Freitag an, in Berufung zu gehen. Er bezeichnete das Urteil als unbegründet. Gleichzeitig verkündete er, dass der Erzbischof bereit sei, dem Urteil Folge zu leisten und sich in Behandlung zu begeben sowie ein diskriminierungskritisches Training zu absolvieren. Der Anwalt der Karmelitinnen nannte das Urteil wegweisend, da es eine Person mit großer Macht verurteile. Das ändere den "Status quo" mit Blick auf sexualisierte Gewalt in Argentinien.

Jahrelange Auseinandersetzungen zwischen Bischof und Kloster

Bereits seit Jahren befinden sich der Erzbischof von Salta und die Karmelitinnen im Streit. Hintergrund der Anzeige der Ordensschwestern gegen Cargnello ist ein Vorfall aus dem Jahr 2020 in Salta. Aufgrund von Meinungsverschiedenheiten zu finanziellen Themen und Fragen der religiösen Disziplin fand damals ein Treffen im Kloster der Ordensschwestern statt. Eine der Ordensfrauen filmte das Gespräch auf Anweisung der Oberin mit einem Handy, um eventuell getroffene Absprachen beweisen zu können. Cargnello soll die Ordensschwestern im Gespräch als "Dämoninnen und Verräterinnen" beschimpft haben. Der ihn begleitende Priester, der zu den weiteren nun Verurteilten zählt, entriss daraufhin der Ordensfrau das Handy. Anschließend entwickelte sich eine handgreifliche Auseinandersetzung, in dem die Kleriker mehreren Ordensfrauen auf die Arme schlugen, während sie um das Handy kämpften.

Einer der Hauptgründe für die andauernde Auseinandersetzung zwischen dem Ortsbischof und den Karmelitinnen soll Berichten zufolge die Unterstützung der Ordensschwestern für die selbsternannte Seherin María Livia Galliano sein. Galliano behauptet, seit 1990 Visionen der Gottesmutter Maria zu empfangen. In den vergangenen Jahrzehnten entwickelte sich in Salta eine inzwischen in der örtlichen Volksfrömmigkeit fest verankerte Verehrung der "Virgen del Cerro" ("Jungfrau vom Berg"). Die Kirche erkennt die angeblichen Marienerscheinungen offiziell nicht an und kritisiert die Rolle Gallianos. Erzbischof Cargnello steht ihren Visionen ablehnend gegenüber, ebenso wie Papst Franziskus, der aus Argentinien stammt und den Kult um die "Virgen del Cerro" kennt. Vor einigen Jahren warf er der Seherin in einem Buch vor, "sich in den Vordergrund zu spielen" und die Visionen der Gottesmutter für eigene Interessen zu nutzen.

Vor zwei Jahren hatte sich auch der Vatikan in den Streit zwischen den Ordensfrauen und dem Erzbischof eingeschaltet. Die Ordenskongregation hatte die Karmelitinnen in einem Schreiben dazu ermahnt, sich an ihr Leben in der Klausur zu halten und die bestehenden Probleme mit dem örtlichen Erzbischof "in einem Geist des Dialogs und der Gemeinschaft" zu lösen. Das Kloster machte in der Vergangenheit zudem Schlagzeilen, weil Ordensfrauen dort gegen ihren Willen gefangen gehalten worden sein sollen. (rom)