Freikirchen-Gründer: Es tut sich viel in der Einheit der Christen
Vom 20. bis 23. Juni treffen sich Christen in der Münchner Olympiahalle zur Glaubenskonferenz "Unum24". Die Organisatoren erwarten bis zu 8.000 Menschen. Wie geht das in einer Zeit der Kirchenaustritte? Darüber spricht Organisator Gerhard Kehl im Interview. Kehl hat unter anderem die Freikirche "AlpenChurch" in Kempten im Allgäu gegründet und organisiert immer wieder christliche Großveranstaltungen.
Frage: Herr Kehl, Sie erwarten zu "Unum24" zwischen 6.000 und 8.000 Besuchende. In einer Zeit der Rekorde an Kirchenaustrittszahlen klingt das ambitioniert viel. Wie kann man in dieser Zeit noch Menschen für den Glauben begeistern?
Kehl: Ich merke, dass viele Menschen zwar aus der Kirche austreten, aber der Hunger nach einer echten Glaubensbeziehung wirklich sehr groß ist. Es ist momentan sehr gefragt, das authentische, das echte und tatsächliche Leben wie das gemeinsame Erleben zu spüren und damit einen Zugang zu Gott zu finden. Das gilt über alle Konfessionsgrenzen hinweg, aber auch für Atheisten und Menschen, die nicht kirchlich sozialisiert sind. Da gibt es eine große Sehnsucht nach einer persönlichen Gottesbeziehung, das erlebe ich auch bei Großveranstaltungen. Mein Freund Fadi Krikor, ein Unternehmer und Gründer eines Missions- und Versöhnungswerks, und ich hatten 2015 jeweils eigene große Konferenzen gemacht, wo wir die Menschen auf der Suche nach dieser Gottesbeziehung zusammenbringen wollten. Das war sehr fruchtbar, wir waren aber auch der Meinung, dass wir zusammen noch mehr bewegen können. Deswegen planen wir "Unum24" nun zusammen. Wir wollen Menschen in Gebet und Anbetung zusammenbringen und für unser Land und unsere Zeit beten.
Frage: Mit Blick auf die Vermittlung einer authentischen Gottesbeziehung wird den etablierten Kirchen oft nachgesagt, dass das nicht so gut funktioniert wie im freikirchlichen Rahmen. Nun haben Sie eine Freikirche gegründet, können Sie von Ihren Erfahrungen dort profitieren?
Kehl: Das glaube ich nicht. Ich habe viele Freunde bei Katholiken, Evangelischen und Orthodoxen, Neuapostolischen und so weiter. Die Zugänge zu Gott sind so vielfältig, wie wir Menschen sind. Natürlich haben wir als Freikirchen unsere Vorteile, wir können zum Beispiel ganz viel ausprobieren und sind liturgisch nicht so festgefahren. So können wir unseren Stil an der jüngeren Generation ausrichten und müssen dafür beim Inhalt keine Kompromisse machen. Das erlebe ich aber bei vielen Bewegungen in katholischer oder lutherischer Kirche ebenso. Gleichzeitig kann der fehlende Überbau einer Freikirche auch ein Nachteil sein, wie auch manche Freikirchen mit Mitgliederschwund zu kämpfen haben. Wir sind alle miteinander unterwegs und immer wieder gefragt, aus einer Tradition, die Glaubensinhalte über Generationen transportiert, diese Inhalte frisch und lebendig ins Jetzt zu übertragen und Menschen von heute einen Zugang dazu zu geben. Da sind alle Kirchen an der gleichen Stelle herausgefordert.
Frage: Die Konferenz heißt nicht ohne Grund "Unum24", denn es geht darum, Menschen ganz unterschiedlicher religiöser Heimat anzusprechen. Welche Chance bietet denn die Ökumene?
Kehl: Ich bin ein Kind der Einheitsbewegung und gerade in Deutschland sehe ich, dass wir in der Einheit der Christen unheimlich nach vorne gekommen sind. Wir haben so viele Verbindungen und Herzensbeziehungen aufgebaut. Natürlich gibt es ekklesiologische und theologische Unterschiede. Aber es gibt auch ein Ringen der großen Kirchen, zusammenzukommen, auch wenn das schwerfällig ist und nur langsam vorankommt. Aber auf der Ebene des Gebets und der Anbetung können wir leicht zusammen kommen, auch im Bereich der Anbetung. Dazu verbindet uns Musik über Länder hinweg, teilweise über Generationen hinweg. Da können wir uns relativ schnell und einfach um das Kreuz und Christus herum sammeln, dazu laden wir ein. Wir haben kein Mandat, die Kirchen zu vereinen, wir wollen die Einheit des Gebets.
Frage: Selbst bei Gebeten geht es ja manchmal um einzelne Worte, man denke allein an das Glaubensbekenntnis. Wie sind Sie das in der Vorbereitung angegangen: Haben Sie für alle anschlussfähige Gebete vorformuliert?
Kehl: Wir haben den großen Vorteil, dass wir keine Kirche hinter uns haben, auf die das genau passen muss. Wir können eine Konferenz anbieten, zu der Sprecher kommen und in ihrer Art und Weise sprechen dürfen. Da muss nicht jedem alles passen: Das Gute behält man und das andere lässt man einfach stehen. Wir wollen keine Einheitskirche, sondern ein großes Spektrum. Deswegen müssen wir nicht alles vorformulieren, sondern jeder darf in seiner Ausprägung sein wie er ist.
Frage: Dazu gehört auch eine Eucharistiefeier mit dem Dresdner Bischof Heinrich Timmerevers. Das ist doch für manche Freikirchler sicher eine extreme Provokation.
Kehl: Die gibt es immer. Sobald ich als Freikirchler etwas mit den Katholiken zusammen mache, gibt es Leute, die das ganz schlimm finden. Das sieht unter den anderen Gemeinschaften nicht anders aus. Manche Katholiken können es auch nicht ausstehen, etwas mit den Evangelischen zusammen zu machen. Es kostet also etwas, Sachen zusammen zu machen. Aber ich glaube, dass es das wert ist. Johannes 17 ist mir da ein Leitvers: "Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast." (Joh 17,21) Dem wollen wir mit der Konferenz nachspüren, auch wenn wir das nicht alles völlig erfassen können. Ich muss nicht jeden bei diesem Event heiraten, aber diese Einheit zwischen dem Vater und dem Sohn ist so intensiv, es ist eine große Herausforderung. Deshalb bin ich dankbar für diese Suche nach der Einheit.
Frage: Die Liste der Sprecher zeigt einen klaren Schwerpunkt auf Akteure aus dem charismatischen Raum und der Erweckungsbewegung. Wollten Sie einen inhaltlichen Schwerpunkt setzen?
Kehl: Nein. Als Organisatoren haben wir geschaut, wer im Moment einen Impuls trägt, auf wen die Menschen aufmerksam werden, was sie bewegt und wer sie zum Glauben führt. Da spielt natürlich die Prägung von Fadi Krikor und mir mit hinein, weil wir eben aus dieser Ecke kommen. Da lief auch viel über persönliche Beziehungen, viele der Sprecher kennen wir seit Jahren.
Frage: Die Sprecherliste hat auch einen konservativen Schwerpunkt.
Kehl: Das hängt damit zusammen. Es war nicht unser Anspruch, Ausgewogenheit zu erreichen. Wir haben schlicht die Menschen ausgewählt, die uns authentisch erschienen. Ob das alles richtig ist oder nicht, wissen wir auch nicht, aber wir gehen einfach in einer Kühnheit und mutig voraus und haben die Menschen angefragt. Das muss gar nicht thematisch alles zusammenpassen, wir hatten auch keinen kirchenpolitischen Hintergedanken. Oft hat uns auch eher die Person angesprochen als das Thema, über das sie spricht.
Frage: Sie haben auch gesagt, Sie wollen für Deutschland und für diese Zeit beten. Wieso gerade Deutschland?
Kehl: Bei mir im Allgäu treffen sich jeden Januar Christen, um für ihre Stadt zu beten. Da möchten wir uns einreihen. Wir möchten für Deutschland beten, weil wir hier wohnen, es ist unsere Heimat und wir tragen hier unsere Verantwortung. Daneben wird es aber auch eine Zeit geben, wo wir für die ganze Welt und ausdrücklich auch für den Nahen Osten beten. Ich glaube, dass unser irdisches Zusammenkommen vielleicht auch eine himmlische Reaktion hervorruft. In dieser Einheit kann sich etwas ereignen, das Gebet kann einen Unterschied machen.
„Wir erleben eine starke Zunahme an Einheit, wie Christen unterschiedlicher Konfessionen anfangen, aufeinander zuzugehen.“
Frage: Einheit kann viele Gesichter haben: Die verfassten Kirchen haben den (keineswegs immer eingelösten) Anspruch, für alle Alters- und Gesellschaftsgruppen ein Angebot zu haben, Freikirchen suchen sich dagegen ihre Nische. Was ist die Zukunft?
Kehl: Wir brauchen immer beides, wir brauchen die kleinen Schnellboote und auch die großen Tanker. Wir brauchen immer wieder junge, wilde, verrückte Menschen, die neue Wege ausprobieren und alle Kirchen sind herausgefordert, diesen Menschen Raum zu geben und sie immer wieder ausprobieren zu lassen. Denn heute sind Dinge möglich, die waren gestern noch undenkbar. Und wir brauchen die Kraft, das Evangelium über Generationen weiterzutragen. Wenn der Zugang zu Gott und das Bewusstsein für ihn in unserem Land steigt, dann ist das für uns alle gut.
Frage: Sie sagen in Ihrer Ankündigung, dass Erweckung in der Luft liegt.
Kehl: Ich habe das Gefühl, dass sich etwas zusammenbraut bei uns. Wir erleben eine starke Zunahme an Einheit, wie Christen unterschiedlicher Konfessionen anfangen, aufeinander zuzugehen. Ich habe auch an mir selbst in den vergangenen Jahren erlebt, wie ich Christus in anderen entdecke, obwohl sie eine komplett andere Konfession haben. Da hatte ich früher keinen Zugang zu. Da passiert etwas Positives bei uns, dazu wollen wir beitragen.
Frage: Auf amtskirchlicher Ebene scheint aber eher Stillstand zu herrschen. Gehen da also Basis und Leitung unterschiedlich schnell voran?
Kehl: Aber schauen Sie allein darauf, dass wir 2017 zum Reformationsjubiläum kein Lutherfest gefeiert haben, sondern ein Christusfest mit allen zusammen. Das greift ineinander – und anders geht es auch nicht: Basis und Leitung müssen gemeinsam gedacht werden, sonst kommt nichts voran. Und das passiert auch: Auf der Ebene des Arbeitskreises christlicher Kirchen erlebe ich ein freundschaftliches Miteinander, ein Beziehungsnetz. Wir geben unsere Konfessionen nicht auf, aber wir denken über diesen Rahmen hinaus und beten gemeinsam. Ich empfinde weder in den verfassten Kirchen noch in den Beziehungen untereinander Stillstand, ich empfinde da ganz, ganz tolle Entwicklungen.
Frage: Gute Beziehungen, eine Gottesbegegnung, das sind alles relevante emotionale Aspekte von Glauben. Dazu gehört aber doch auch eine rationale, eine vernünftige Seite. Spielt die bei "Unum24" keine Rolle?
Kehl: Bei jedem Sprecher, dem ich zuhöre, muss ich mein Hirn schon einschalten. Wir erfinden bei der Konferenz nicht die Theologie neu. Aber es wird Lobpreis- und Sprecherzeiten geben, wo es auch um inspirierende Vorträge geht, nicht nur geistige Schonkost. Idealerweise soll das die Leute zum Nachdenken anregen. Wenn es gelingt, dass Menschen mit neuen Inspirationen nach Hause gehen, wenn sie sich ein Stück weit verändert haben, im Herz und im Hirn, dann haben wir alles erreicht, was wir wollten.