Katholiken besorgt: Kommt das Ende der Staatskirche in Liechtenstein?
Das Fürstentum Liechtenstein hat eine Verfassung aus dem Jahr 1921. Darin ist unter anderem festgeschrieben, dass die katholische Kirche "Landeskirche", also Staatskirche, ist. Ein Status, den sie im Prinzip bereits zuvor innehatte, da Liechtenstein schon seit jeher christlich und katholisch geprägt ist.
Doch nun steht eine Zeitenwende bevor, geht es nach der Regierung des Fürstentums. In den vergangenen Jahrzehnten habe sich gesamtgesellschaftlich einiges bewegt, so Regierungschef Daniel Risch. "Die Religionsfreiheit wurde auch bei uns immer wichtiger." Zudem betonte Risch am Freitagmorgen im Landtag in Vaduz: "Die katholische Kirche hat einen guten Status, und den will sie behalten." Darum nimmt seine Regierung jetzt Anlauf zu einer Neufassung des Staatskirchenrechts. Dabei solle es nicht um eine Abwertung der katholischen Kirche gehen, sondern um eine Aufwertung anderer Kirchen und Religionsgemeinschaften.
Die Gesellschaft in Liechtenstein ist in den vergangenen Jahrzehnten säkularer und pluralistischer geworden. Die religiöse Lebenswelt hat sich stark geändert. Die römisch-katholische Kirche sei nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) sogar selbst in gewisser Weise auf Distanz zum Staat gegangen, sagte Risch - indem sie ihre Andersartigkeit und ihre institutionelle Unabhängigkeit von Staat und Politik betont habe.
Alarm im Erzbistum Vaduz
Aus diesen Gründen wolle die Regierung an dem bisherigen System der Staatskirche – das einerseits der römisch-katholischen Kirche eine Vielzahl von Vorrechten einräumt und andererseits auf ihr Selbstverständnis keine Rücksicht nimmt – nicht mehr festhalten. Die Konsequenz: eine institutionelle Trennung von Staat und Kirche.
Kein Wunder, dass im Erzbistum Vaduz die Alarmglocken schrillen. Nicht nur, weil faktisch der Anteil von Katholiken an der Bevölkerung des Alpen-Fürstentums noch immer bei ungefähr 70 Prozent liegt. Der Interimsleiter ("Apostolischer Administrator") des Erzbistums Vaduz, Bischof Benno Elbs, befürchtet durch ein neues Religionsgemeinschaftengesetz weitreichende Konsequenzen für die Position der katholischen Kirche in Liechtenstein. Er spricht von teils massiven Verschlechterungen.
Konkret kritisiert Elbs, dass durch die geplante Streichung der bisherigen Unantastbarkeit der kirchlichen Lehre in Zusammenhang mit dem Erziehungs- und Unterrichtswesen in der Landesverfassung ein Widerspruch zum postulierten Grundsatz der Glaubens- und Gewissensfreiheit entstünde. "Gerade eine ersatzlose Streichung ist als politisches Signal des Gesetzgebers zu verstehen", so der Bischof der österreichischen Nachbardiözese Feldkirch.
Zudem fürchtet Elbs um die Bedeutung des Religionsunterrichts im Fürstentum. Die Landesverfassung wolle nämlich ersatzlos streichen, dass der Religionsunterricht durch die kirchlichen Organe erteilt werde. Zudem sei der Status des konfessionellen Religionsunterrichts gefährdet, weil der künftig kein Pflichtfach mehr sein solle. "Es liegt aber doch im Interesse aller zukünftig staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften, die Erteilung des konfessionellen Religionsunterrichts als Recht und nicht bloß als Kann-Bestimmung zu formulieren", fordert der Bischof.
Nicht zuletzt geht es natürlich ums Geld. Die Finanzierung der Aufgaben des Erzbistums sei nicht mehr möglich, kritisiert Elbs. Mit dem vorgesehenen jährlichen Fixum könne weder die Versorgung des Klerus noch ein Mindestmaß an Organisationsstruktur wie das Gehalt des Erzbischofs, des Generalvikars oder die Führung eines Sekretariates bestritten werden.
Bitte, mit Gesetz bis Bischofsernennung zu warten
Der Bischof begrüßt zwar die Absicht, dass sich auch andere Religionsgemeinschaften in Liechtenstein öffentlich-rechtlich organisieren dürfen. Allerdings würde er gerne mit einem neuen Gesetz warten, bis der Vatikan einen definitiven Nachfolger für den im September 2023 in Ruhestand getretenen Erzbischof Wolfgang Haas bestimmt hat – statt "gleichsam in Abwesenheit eine Entscheidung zu treffen, die ihn für viele Jahre binden wird".
Auch der Verein für eine offene Kirche Liechtenstein, der seit Jahren einen Reformkurs für die katholische Kirche einfordert, ist momentan gegen das neue Religionsgemeinschaftengesetz. "Es wäre schlechter Stil, wenn der Landtag jetzt auf ein unausgegorenes Gesetz eintritt, ohne das Einvernehmen mit der katholischen Kirche zu suchen", so der Verein. Der Interimsbischof Elbs wünsche sich eine Kultur des Dialogs; und: "Wir sind zuversichtlich, dass auch sein Nachfolger in einer Kultur des Dialogs unser Staatskirchenrecht erneuern möchte – grundlegender, als es der vorliegende Bericht und Antrag vorsieht."