"Deine Villa geschehe": Kritik an Werbeslogan von Finanzunternehmen
"Mach Dein großes Geschäft auf dem Sofa", "Endlich wieder Spargeld-Zeit" oder "Geduldig im Sinne der Anlage": Mit unkonventionellen Werbeslogans wie diesen hat "Scalable Capital" in den vergangenen Monaten in Deutschland Aufmerksamkeit erregt, Lob eingeheimst – und wohl für manchen Lacher vor den Werbesäulen mit den Sprüchen gesorgt.
Ein Slogan aus der aktuellen Kampagne des jungen Münchner Online-Finanzunternehmens sorgt nun jedoch für Kritik aus christlichen Kreisen. "Deine Villa geschehe, auch ohne Vater im Himmel" heißt es auf einem von fünf Kampagnenmotiven, die seit Anfang April auf Werbesäulen in vielen deutschen Städten zu sehen sind. Der Spruch spielt erkennbar auf das Vaterunser an, in dem es am Anfang bekanntermaßen heißt: "Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden."
Kirchenvertreter sieht "Tiefpunkt neuer Gehässigkeit"
Zahlreiche Internetnutzer – die meisten davon wohl selbst Christen – haben diese Verballhornung des wichtigsten Gebets des Christentums in den vergangenen Tagen teilweise scharf kritisiert. Der Sekten- und Weltanschauungsbeauftragte der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern etwa bezeichnete den Slogan bei Facebook als "Tiefpunkt neuer Gehässigkeit". Andere User warfen dem Unternehmen bei "X" (vormals Twitter) "Gotteslästerung" vor und forderten es auf, solche "grenzwertige" Werbung in Zukunft zu unterlassen. Vereinzelt drohten Nutzer zudem mit dem Abbruch ihrer Geschäftsbeziehungen mit dem im Jahr 2014 gegründeten Finanzunternehmen.
„Grundsätzlich freuen wir uns über ehrliches Feedback zu unserer Kampagne und schätzen Rückmeldungen jederzeit, auch wenn sie nicht nur Lob, sondern konstruktive Kritik enthalten.“
Der Journalist und katholisch.de-Autor Christoph Strack wiederum bezeichnete die Werbung bei "X" als "Dreck". Außerdem kritisierte er, dass ein von ihm fotografiertes Plakat mit dem Slogan nur "fünf Meter vom Eingang zu einer Kirche entfernt" sei. Der Freiburger Priester Bruno Hünerfeld schließlich zeigte sich ebenfalls bei "X" verwundert darüber, dass "Scalable Capital" glaube, seiner Zielgruppe "noch einen religiösen Background unterstellen zu können, dass diese wirre Werbung überhaupt verstanden wird".
Von katholisch.de auf die Kritik an dem Slogan angesprochen, reagierte "Scalable Capital" am Donnerstag ausweichend. "Grundsätzlich freuen wir uns über ehrliches Feedback zu unserer Kampagne und schätzen Rückmeldungen jederzeit, auch wenn sie nicht nur Lob, sondern konstruktive Kritik enthalten. Neben wenigen kritischen Stimmen, erhalten wir überwiegend positiven Zuspruch zu unserer Kampagne – auch zu dieser Headline", erklärte eine Sprecherin des Unternehmens, ohne auf konkrete Fragen von katholisch.de einzugehen.
Man greife in den eigenen Kampagnen immer wieder Themen rund um die langfristige Geldanlage auf und nutze dafür "kreative Umformulierungen bekannter Ausdrücke, Sprüche und Redewendungen". Dazu gehörten auch religiöse Allusionen, da diese im alltäglichen Sprachgebrauch verankert seien. Mit dem kritisierten Slogan wolle "Scalable Capital" dazu anregen, über ein "sehr aktuelles Thema" nachzudenken: "Eine Erbschaft oder die Vorsorge von jemand anderem ist keine Voraussetzung dafür, Vermögen aufzubauen. Stattdessen kann und sollte jede und jeder seine finanzielle Zukunft oder die eigene Rentenlücke selbst in die Hand nehmen." Ähnlich hatte sich das Unternehmen zuvor auch schon bei "X" geäußert.
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Es ist nicht das erste Mal, dass ein Werbeslogan von "Scalable Capital" auf ethisch motivierte Kritik stößt. Bereits im vergangenen Jahr war das Unternehmen wegen des Spruchs "Wohin mit der Asche von Opa?" in die Schlagzeilen geraten. Damals kritisierten User die Kampagne als "primitiv" und als "widerliches Wortspiel".
Bereits mehrere Beschwerden beim Werberat eingegangen
Hinter der Provokation steckt jedoch System: In einem Interview zeigte "Scalable Capital"-Gründer Erik Podzuweit mit Blick auf die Kritik zuletzt keine Einsicht. Auf die Frage, ob er das Opa-Plakat noch einmal drucken und in ganz Deutschland aufstellen würde, antwortete er: "Ja, auf jeden Fall. Die Kampagne soll bewusst polarisieren." Der Spruch spiele darauf an, dass in den kommenden Jahren sehr viel Geld durch Erbschaften an Privathaushalte fließe. "Uns steht die größte Erbschaftswelle in Europa seit Jahrzehnten bevor. Die meisten wissen dann jedoch gar nicht, wie sie es richtig anlegen." Genau da wolle man mit der Werbekampagne zum Nachdenken anregen. "Gleichzeitig ist die Strategie bei uns immer auf Langfristigkeit ausgelegt. Auch wenn einzelne Motive polarisieren mögen, das passt zu unserem Image und zu der Art, wie wir kommunizieren", so Podzuweit.
Dennoch könnte die aktuelle Kampagne für "Scalable Capital" noch negative Folgen haben. Der Deutsche Werberat, die Selbstkontrolleinrichtung der Werbewirtschaft, teilte katholisch.de am Donnerstag auf Anfrage mit, dass bei ihm bereits "mehrere" Beschwerden über den aktuellen Slogan "Deine Villa geschehe, auch ohne Vater im Himmel" eingegangen seien. Die Kritiker hätten jeweils "religiöse Gründe" für ihre Beschwerden genannt, so eine Sprecherin. Nach ihren Angaben läuft das Beschwerdeverfahren derzeit, "Scalable Capital" habe nun die Gelegenheit zur Stellungnahme gegenüber dem Gremium. Wann genau der Werberat, der als schärfste Sanktion gegen festgestellte Werbeverstöße Öffentliche Rügen aussprechen kann, in der Sache eine Entscheidung treffen wird, ist laut der Sprecherin noch unklar. Nach Möglichkeit solle aber "zeitnah" über die Beschwerden entschieden werden.