Katholische Messe in Nordkorea wird zum Affront

Pater droht mit "Heiligem Krieg"

Veröffentlicht am 03.06.2015 um 00:01 Uhr – Von Andreas Landwehr (dpa) – Lesedauer: 
Nordkorea

Pjöngjang ‐ Der Gottesdienst sollte eine Geste der Versöhnung und der Höhepunkt des Nordkorea-Besuches von CSU-Politiker Hartmut Koschyk werden. Er endete jedoch in Kriegstreiberei. Schuld daran war "Pater Francisco".

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Er erwähnt nicht, dass 36 Mitglieder seines Ordens in der Zeit des Korea-Krieges (1950-53) in Nordkorea ermordet wurden. Versöhnung und Annäherung sollen die Messe bestimmen. Es erscheint als eine ungewöhnliche Geste der Öffnung, dass ein deutscher Pater in dem isolierten stalinistischen Staat aktiv an einer Messe teilnehmen darf. In den Kirchenbänken sitzen der Vorsitzende der deutsch-koreanischen Parlamentariergruppe, Hartmut Koschyk (CSU), und Experten von Wirtschaft, Wissenschaft und Stiftungen aus Deutschland.

Als das Evangelium gelesen wird, ahnt noch niemand, was sein nordkoreanischer Kollege von der staatlichen Katholischen Vereinigung vorhat, als er zur Predigt ans Pult tritt. Die deutschen Gäste trauen ihren Ohren nicht:"Unser Raketentest hat in der ganzen Welt Bewunderung ausgelöst", beginnt "Pater Francisco" neben dem Bild der Muttergottes. Ein Kreuz hängt über seinem Priestergewand.

Koschyk erstarrt bei der Übersetzung der Predigt

Die "südkoreanischen Marionetten" holten sich die Hilfe der amerikanischen "Imperialisten", klagt er an. Es sei die Pflicht der Katholiken des Landes, dem "respektierten Marschall" Kim Jong Un ihre Loyalität zu schwören. Das sei Patriotismus. Südkorea sei eine "Kolonie der Imperialisten", die eine "Politik der Konfrontation" gegenüber Nordkorea verfolge.

Wer kein Koreanisch spricht, würde angesichts des ruhigen, aber bestimmten Tonfalls eher eine übliche Sonntagspredigt vermuten. Koschyk, der sich seit Jahren wie kein anderer deutscher Politiker dafür einsetzt, die Gesprächskanäle zu dem unberechenbaren Regime in Nordkorea offenzuhalten, erstarrt, als ihm ein Diplomat die Übersetzung ins Ohr flüstert.

Nordkoreas Diktator Kim Jong Un.
Bild: ©picture alliance / dpa

Kim Jong Un bezeichnete "Pater Francisco" als "respektierten Marschall", dem die Katholiken in Nordkorea ihre Loyalität zu schwören hätten.

"Wenn es zu einem Angriffskrieg kommt, werden wir sie gnadenlos bestrafen", ruft der Pater am Ende noch "mit Gottes Hilfe" zu einem "Heiligen Krieg der Wiedervereinigung" gegen die Brüder im Süden des Landes auf. Die Deutschen sind wie vor den Kopf geschlagen. Der deutsche Übersetzer geht nach vorne zu Pater Lengger, berichtet ihm kurz von der Tirade. Betroffen legt der Benediktiner seine Stola ab. Er bricht seine Teilnahme am Gottesdienst ab, geht vom Altar weg und setzt sich ins Kirchenschiff neben den Abgeordneten Koschyk.

Wenig später ist das Schauspiel zu Ende. Es herrscht Betroffenheit. Trotzdem spendet Pater Lennger noch den Gläubigen den Segen und wünscht ihnen "Frieden". Empört verlassen Koschyk, Lengger und die Delegation die Kirche. "Ich hätte nicht gedacht, dass sie so primitiv sind, einen Gottesdienst für eine solche Agitation zu missbrauchen", sagt der Politiker tief verärgert. "Unmöglich und nicht akzeptabel."

"Statt Liebe wurde Hass gepredigt"

Auch Pater Lengger fühlt sich missbrauch, wie er später im Bus sagt. Politik habe in der Kirche nichts zu suchen. "Das geht nicht, deswegen habe ich abgebrochen", sagt er. Ein Delegationsmitglied spricht von einem "Schlag ins Gesicht". "Statt Liebe wurde Hass gepredigt", sagt ein anderer, der von einer "Inszenierung" spricht, die in Nordkorea leider nur allzu häufig erlebt werde.

Ob "Pater Francisco" überhaupt ein geweihter Priester ist, erscheint hinterher fraglich. Eher ein nordkoreanischer Funktionär im Priestergewand. Schon dass sich das Regime eine offizielle katholische Kirche hält, ist eine Inszenierung, mit der religiöse Toleranz vorgetäuscht werden soll. Denn in keinem Staat der Welt werden Christen so stark verfolgt wie in Nordkorea. 70.000 von ihnen seien in Lagern interniert, heißt es im "Weltverfolgungsindex 2015" des christlichen Hilfswerks Open Doors.

In seinen Gesprächen am nächsten Tag im Außenministerium protestiert der CSU-Politiker Koschyk bei Vizeaußenminister Kung Sok Ung über die Kriegstreiberei: "Wir waren sehr betroffen und erschüttert, in der Kirche eine Ansprache mit solcher Feindseligkeit und Hass zu erleben, mit der auch den Christen in Südkorea der Tod gewünscht wurde", sagt Koschyk in aller Offenheit. "Dieses Ereignis hat uns sehr schockiert." Der Vizeaußenminister schweigt nur.

Von Andreas Landwehr (dpa)