Pater Friedhelm Mennekes über Caspar David Friedrich und sein Werk

Jesuit: Friedrichs "Mönch am Meer" berührt mich in meinem Innersten

Veröffentlicht am 01.06.2024 um 13:00 Uhr – Von Steffen Zimmermann – Lesedauer: 

Berlin ‐ Caspar David Friedrich ist einer der beliebtesten Maler der Deutschen, sein 250. Geburtstag wird 2024 mit großen Ausstellungen gefeiert. Jesuit und Kunstexperte Friedhelm Mennekes hat die Schauen in Hamburg und Berlin besucht. Im katholisch.de-Interview spricht er über seinen Blick auf Friedrich.

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Caspar David Friedrich ist der wohl beliebteste Maler der Deutschen, viele seiner Bilder wie "Der Wanderer über dem Nebelmeer" oder "Zwei Männer in Betrachtung des Mondes" gehören zu den bekanntesten Werken der deutschen Kunstgeschichte. Der 250. Geburtstag Friedrichs in diesem Jahr wird deshalb mit mehreren Sonderausstellungen groß gefeiert. Der 84-jährige Jesuit und Kunstexperte Friedhelm Mennekes, der unter anderem die Kunst-Station Sankt Peter Köln gegründet hat, spricht im Interview mit katholisch.de nach seinem Besuch der Ausstellungen in Hamburg und Berlin über den Maler und sein Werk. Und er verrät, welches sein Liebslingsbild von Caspar David Friedrich ist – und welches Werk des Künstlers er gar nicht mag.

Frage: Pater Mennekes, wenn Sie an Caspar David Friedrich denken: Welches seiner Bilder kommt Ihnen zuerst in den Sinn?

Mennekes: Ganz klar "Der Mönch am Meer". Das ist ein Bild, das mich wirklich packt und in meinem Innersten berührt. Der einsame Mönch, der völlig verloren vor der bedrohlichen Kulisse des wolkenverhangenen Himmels und des tiefschwarzen Meeres steht ... dieses Bild löst in mir so viele Gefühle und Fragen aus! Woher komme ich? Wohin gehe ich? Was ist der Sinn des Lebens? All das steckt in diesem schier grenzenlosen Bild.

Frage: "Der Mönch am Meer" ist Bestandteil der Caspar-David-Friedrich-Ausstellung in der Alten Nationalgalerie in Berlin, in der Sie gerade erst waren. Wie hat das Bild dort auf Sie gewirkt?

Mennekes: Absolut kraftvoll. Ich habe beim Betrachten beinahe körperlich gespürt, wie ich in die Weite des Bildes eintauche, wie das Bild mir in großer Intimität immer näherkommt. Das war eine faszinierende Erfahrung, man kann sich in diesem Bild wirklich verlieren. Hinzu kommt, dass ich früher selbst gerne ans Meer gefahren bin und all das, was Caspar David Friedrich an Gefühlen in dieses Bild – direkt und indirekt – hineingemalt hat, dadurch sehr gut nachvollziehen kann.

Frage: "Der Mönch am Meer" ist das erste Bild, das Ihnen bei Caspar David Friedrich in den Sinn kommt – ist es auch Ihr Lieblingsbild von ihm?

Mennekes: Ach, wissen Sie, ich bin eigentlich gar kein so großer Friedrich-Fan. "Der Mönch am Meer" ist für mich ein echtes Highlight – aber sonst? Viele Bilder von ihm sprechen mich überhaupt nicht an. Nehmen Sie etwa den "Tetschener Altar". Da frage ich mich wirklich, was Friedrich da fabriziert hat. Das Bild ist von seinen Farben und seiner Gestaltung her mit dem merkwürdig angestrahlten Kruzifix viel zu künstlich inszeniert. Und dann noch dieser grauenvoll kitschige Rahmen mit den goldenen Engelsköpfen! Also nein, das ist gar nicht meins. Es gibt allerdings ein Bild von ihm, das ich noch weniger mag.

Bild: ©Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Fotograf: Andres Kilger

"Der Mönch am Meer" – das Bild, das Pater Friedhelm Mennekes "wirklich packt" und in seinem Innersten berührt.

Frage: Welches?

Mennekes: "Der Wanderer über dem Nebelmeer".

Frage: Ausgerechnet das wohl bekannteste Friedrich-Bild, das quasi sinnbildlich für die Romantik steht?

Mennekes: Ein entsetzliches Bild, total künstlich und völlig verkitscht. Aber um nicht zu negativ zu klingen: Mir muss ja auch nicht jedes Bild gefallen. Oftmals ist es sogar spannender zu erleben, was Bilder, die man nicht mag, an Gefühlen in einem auslösen. Damit kann man sich auseinandersetzen – das ist besser, als wenn gefällige Bilder einfach so durchrauschen. Das habe ich auch beim Besuch der Ausstellung in der Nationalgalerie gemerkt: Ich bin da ohne große Erwartungen reingegangen, aber während des Rundgangs habe ich gemerkt, wie Caspar David Friedrich und seine Bilder mit mir arbeiten und mich herausfordern. Das war schon eine sehr interessante Erfahrung.

Frage: Caspar David Friedrich – das zeigt sich auch an den langen Schlangen vor der Ausstellung in der Nationalgalerie – ist einer der Lieblingsmaler der Deutschen. Wie erklären Sie sich die große Begeisterung für ihn? Und was sagt diese Begeisterung über die Deutschen aus?

Mennekes: Das ist eine gute Frage. Ich denke, eine große Rolle spielt seine Darstellung der Natur. Caspar David Friedrich zeigt uns eine weitgehend unberührte, heile Natur und damit einen starken Gegensatz zu der in vielerlei Hinsicht zerstörten Natur unserer heutigen Zeit. Wenn wir uns heute in der Welt bewegen, sehen wir eine Umwelt, die im Sterben liegt: Bäumen sterben ab, ganze Tierarten verschwinden – das alles macht uns Angst, denn es stellt den weiteren Fortbestand unserer Erde und unseres Daseins in Frage. Und da können Friedrichs Bilder natürlich die Sehnsucht nach einer intakten Welt und Umwelt stillen.

Bild: ©katholisch.de/stz

Die langen Schlangen vor der Ausstellung in der Alten Nationalgalerie in Berlin zeigen es: Caspar David Friedrich ist einer der Lieblingsmaler der Deutschen.

Frage: Den Deutschen wird seit jeher ein besonderer Hang zur Romantik und der damit verbundenen Gefühlswelt, zu der ja auch die Sehnsucht nach der Natur gehört, unterstellt. Welche Rolle spielt dieser Hang zur Romantik bei der Begeisterung für Friedrich?

Mennekes: Sie haben recht, dass den Deutschen dieser Hang nachgesagt wird. Ich bin bei solchen pauschalen Aussagen über ein ganzes Volk aber immer vorsichtig. Caspar David Friedrich ist seit seiner Wiederentdeckung Anfang des 20. Jahrhunderts immer wieder vereinnahmt und politisch selektiv instrumentalisiert worden. Die Nationalsozialisten etwa sahen in Friedrich einen patriotischen Maler, dessen Kunst als vorbildhaft für die nationalsozialistische Landschaftsmalerei und Lebensführung galt. Die große Begeisterung für Friedrich heute erkläre ich mir, wie gesagt, ein Stück weit mit der Sehnsucht nach einer besseren Welt, die uns aus seinen Bildern entgegenscheint. Viele Menschen blicken ratlos und sorgenvoll auf den gegenwärtigen Zustand der Welt, und Friedrichs Werk ermöglicht es, all den Katastrophen und Kriegen zumindest ein Stück weit zu entfliehen.

Frage: Ein wiederkehrendes Thema in Friedrichs Bildern ist neben der Natur vor allem die Religion. Viele seiner Bilder zeigen religiöse Motive, wie der schon von Ihnen angesprochene "Tetschener Altar" oder die "Abtei im Eichwald".  Wie religiös war Caspar David Friedrich und als wie religiös würden Sie sein Werk beurteilen?

Mennekes: Friedrich war ein frommer Lutheraner – das muss man wissen, wenn man sein Werk verstehen will. Seine protestantisch-pietistische Erziehung hat ihn geprägt. Großen Einfluss auf sein Schaffen hatte zudem der evangelische Theologe Friedrich Schleiermacher. Diese Prägung zeigt sich auch in seinen Bildern: Insbesondere die Darstellung der Natur verstand Friedrich als beständigen Gottesdienst, er sah Gott in allen Dingen. Darauf hat etwa auch der Kunsthistoriker Helmut Börsch-Supan in seiner Deutung von Friedrichs Œuvre hingewiesen. Er hat ein durchgängiges, christlich konnotiertes Symbolsystem unterstellt, in dem etwa absterbende Bäume Todessymbole sind, Fichten die Hoffnung auf ein ewiges Leben und Brücken den Übergang in die jenseitige Welt darstellen. Gleichwohl: Man muss nicht selbst religiös sein, um Friedrichs Werk zu verstehen. Das Schöne bei seinen Bildern ist, dass man ganz viel in ihnen sehen und aus ihnen herauslesen kann. Das Religiöse ist sehr offensichtlich, ja. Aber es ist eben nicht die einzige Deutungsmöglichkeit.

Frage: Viele Besucher der Caspar-David-Friedrich-Ausstellung im Frühjahr in Hamburg haben bemängelt, dass die Ausstellung zu voll gewesen sei und man die Bilder nicht in Ruhe habe anschauen können. In Berlin – das zeigen die Schlangen vor der Alten Nationalgalerie – ist es nun ähnlich voll. Sie waren in beiden Ausstellungen. Wie haben Sie es empfunden?

Mennekes: Ich finde nicht, dass es zu voll war. Ich war beide Male sehr früh in der Ausstellung und konnte mich immer recht frei bewegen und mir genug Zeit zum Betrachten der Bilder nehmen. Aber klar: Je später man in die Ausstellung geht, desto voller ist es dann sicher. Was mir in Berlin besonders gut gefallen hat: Die Räume in der Nationalgalerie sind größer als bei der Schau in Hamburg, und die Bilder sind nicht so eng gehängt. Das macht den Rundgang durch die Berliner Ausstellung angenehmer und leichter.

Von Steffen Zimmermann

Ausstellung "Caspar David Friedrich. Unendliche Landschaften"

Die Ausstellung "Caspar David Friedrich. Unendliche Landschaften" in der Alten Nationalgalerie auf der Berliner Museumsinsel läuft noch bis zum 4. August. Die Schau zeigt mehr als 60 Gemälde und über 50 Zeichnungen Friedrichs aus dem In- und Ausland, darunter weltberühmte Bilder wie "Das Eismeer" und "Kreidefelsen auf Rügen". Auf der Internetseite der Alten Nationalgalerie sind alle wichtigen Informationen für den Besuch der Ausstellung zusammengefasst.