Die Eisheiligen danken ab: Klimawandel lässt Bauernregeln alt aussehen
Gefühlt waren die Eisheiligen schon in den vergangenen Wochen am Werk. Zumindest hatte der April nach warmem Start seit Monatsmitte polare Luftmassen, Regen-, Schnee- und Graupelschauer im Gepäck. Winzer und Obstbauern fürchteten um ihre Ernte.
Und jetzt nähern sich ab nächstem Samstag die Eisheiligen - die Heiligen, deren Namenstage die katholische Kirche zwischen dem 11. und 15. Mai feiert. Mammertus (11. Mai) war im fünften Jahrhundert Bischof im französischen Vienne. Pankratius (12. Mai) wurde ein Jahrhundert früher in Rom als Märtyrer hingerichtet, und Servatius (13. Mai) war im vierten Jahrhundert Bischof im belgischen Tongern. Mit dem am 14. Mai gefeierten heiligen Bonifatius ist nicht der als "Apostel der Deutschen" bekannte angelsächsische Benediktinermönch, sondern ein gleichnamiger sizilianischer Märtyrer aus dem vierten Jahrhundert gemeint. Die einzige Frau unter den Eisheiligen, die Mailänderin Sophia (15. Mai), im Volksmund als "kalte Sophie" bekannt, starb im zweiten Jahrhundert in Rom als Märtyrerin.
Mit Wetter eigentlich nichts am Hut
Eigentlich haben die besagten Heiligen nichts mit dem Wetter zu tun. Ihre meteorologische Bedeutung rührt daher, dass häufig Mitte Mai eine Wetterperiode mit Zufuhr arktischer Meeresluft einsetzt, die als kritisch für die Landwirtschaft gilt. Hintergrund ist, dass sich im Mai der europäische Kontinent deutlich schneller aufheizt als das umgebende Meer. An der Grenze zwischen warm und kalt entstehen Tiefdruckgebiete, die polare Kaltluft bis Mitteleuropa bringen können. An diesen Tagen droht nach den Erfahrungen der Bauern der letzte Frost und damit eine große Gefahr für die Ernte.
Nach Angaben der Wetterforscher sind die Eisheiligen ihrem Ruf in den vergangenen zwei Jahrzehnten allerdings immer weniger gerecht geworden: "In den historischen Aufzeichnungen deutet sich an, dass solche späten Kaltluftperioden im 19. und 20. Jahrhundert häufiger und intensiver aufgetreten sind als in den letzten Jahren", heißt es beim Deutschen Wetterdienst.
Ursache ist auch der Klimawandel. "In den vergangenen 30 Jahren haben die Eisheiligen an Bedeutung verloren", erläutert der Deutsche Wetterdienst. Im Durchschnitt hätten sich die letzten Nachtfröste um zwei Wochen nach vorn verschoben, also auf die Zeit zwischen Ende April und Anfang Mai.
Papst Gregor XIII. brachte die Bauernregeln durcheinander
Neben den "Eisheiligen" gibt es noch andere Witterungsereignisse, die im Jahreslauf relativ regelmäßig eintreten: Etwa die Schafskälte um den 10. Juni oder der Siebenschläfertag am 27. Juni. Verkompliziert wird die Berechnung solcher Wetterphänomene allerdings durch die Gregorianische Kalenderreform, in deren Folge 1582 zehn Tage aus dem Kalender gestrichen wurden, da der bis dahin gültige Julianische Kalender nicht mehr genau genug war. Der Tag der "Kalten Sophie" (15. Mai) lag vor der Reform auf dem Tag, der heute dem 22. Mai entspricht. Oft ist es allerdings im Nachhinein nicht mehr nachvollziehbar, ob eine kalenderbezogene Bauernregel vor oder nach Einführung des Gregorianischen Kalenders entstanden ist.
Als Zäsur zwischen dem "Winterfrost" und den sommerlich warmen Tagen finden die Eisheiligen schon im 15. Jahrhundert im "Heiligen Namenbuch" des Konrad Dankrotzheim Erwähnung: "Pancratius und dann noch wol drie und die jungfrowe Sante Sophhie - darnach let sich der sumer an." Zahlreiche Bauernregeln befassen sich mit den strengen, frostbringenden Heiligen: "Pankratius hält den Nacken steif, / sein Harnisch klirrt vor Frost und Reif", heißt es beispielsweise ganz martialisch. Und: "Pankrazi, Servazi, Bonifazi / sind drei frostige Bazi, / und am Schluss fehlt nie / die kalte Sophie".