Weltenburger Mönch: Gucke ich aus dem Fenster, sehe ich nur Wasser
Normalerweise kann man die Lage der traditionsreichen Benediktinerabtei Weltenburg in Bayern nur als malerisch bezeichnen. Idyllisch direkt an einer Donauschleife gelegen ist das Kloster ein beliebtes Ausflugsziel und Fotomotiv. In diesen Tagen des Hochwassers ist die Lage des Klosters jedoch alles andere als vorteilhaft. Wie es angesichts der Überflutungen derzeit im Kloster aussieht, wie es den Mönchen mit den Wassermassen direkt vor der Klosterpforte geht und welche Schutzmaßnahmen getroffen wurden, erzählt Pater Michael Gebhardt OSB im Interview.
Frage: Pater Michael, wie ist derzeit die Hochwasserlage bei Ihnen?
Pater Michael: Aktuell haben wir einen Wasserstand von über 7,5 Meter – das ist so ziemlich der Höhepunkt der jetzigen Flut und entspricht der höchsten Meldestufe 4. Das Besondere an diesem Hochwasser ist, dass es zuerst sehr langsam angestiegen ist und nun auch sehr langsam fällt. Es besteht also momentan noch keine Aussicht, dass sich die Lage bald wieder normalisiert.
Frage: Das heißt, wenn Sie jetzt aus dem Fenster schauen, fließt das Wasser direkt an der Klostermauer entlang?
Pater Michael: Genau. Wenn ich aus dem Fenster gucke, sehe ich eigentlich nur Wasser. Heute Morgen habe ich sogar zum ersten Mal einen Biber in freier Wildbahn gesehen. Der hat das Hochwasser genutzt und ist direkt bis ans Kloster ran geschwommen. Aber die Lage ist auch für die Tiere natürlich nicht immer so putzig: Bei unseren Nachbarn ist vorgestern ein Reh in die Fluten geraten, das sich aufgrund der starken Strömung leider nicht mehr retten konnte.
Frage: Mussten Sie auf dem Klostergelände bereits Gebäude evakuieren?
Pater Michael: Evakuieren nicht direkt, leerräumen aber schon. Sämtliche Keller stehen aktuell unter Wasser, teilweise sogar bis unter die Decke. Auch unsere Gartengebäude und das Getränkelager der Gaststätte sind überflutet, und unser großer Krippenstall, der in der Weihnachtszeit im Kloster steht und vor der Flut in einem Carport lagerte, ist von den Wassermassen sogar komplett weggerissen worden. Unser Gästehaus und alle anderen Einrichtungen für Besucher wie den Klosterladen und das Museum haben wir angesichts dieser Lage natürlich geschlossen.
Frage: Ihr Konvent bleibt aber vor Ort. Wie geht es Ihnen und Ihren Mitbrüdern angesichts der Wassermassen direkt vor der Tür?
Pater Michael: Wir sind eigentlich alle relativ entspannt. Das liegt aber vor allem an den Schutzmaßnahmen, die nach dem Rekordhochwasser von 1999 errichtet wurden. Wir haben aktuell zwar immer noch ein paar Problemfelder wie den Klostergarten, über den noch immer Wasser in das Kloster reinkommt. Insgesamt sind wir inzwischen aber sehr gut geschützt. Und natürlich wir haben viele Helfer, die uns tatkräftig unterstützen. Dafür sind wir sehr dankbar.
Frage: Ihr Kloster ist aufgrund seiner Lage direkt an der Donau immer wieder von Hochwasser und Überflutungen betroffen. Gewöhnt man sich da eigentlich mit der Zeit dran oder bleibt die Sorge vor dem Wasser im Klosteralltag ein ständiger Begleiter?
Pater Michael: Nein, ein ständiger Begleiter ist die Sorge nicht. Das bislang letzte wirklich verheerende Hochwasser war das Rekordhochwasser von 1999 – das ist nun immerhin schon 25 Jahre her. Die danach errichteten Schutzmaßnahmen haben sich bewährt und sind eine wirksame Hilfe. Seitdem sind wir mit Blick auf mögliche Überflutungen relativ gelassen. Uns geht es da übrigens viel besser als unserem Nachbardorf. Die Menschen dort kämpfen seit 25 Jahren für einen besseren Hochwasserschutz. Und jetzt, wo sie endlich Schutzmaßnahmen bekommen sollten, hat irgendein Naturschutzverband Klage dagegen eingereicht, weil durch die geplanten Maßnahmen angeblich eine wertvolle Kieszone in der Donau weggeschwemmt werden würde. Für diese Leute scheint dieser Kies wichtiger zu sein als das Leben der Menschen, die hier am Fluss wohnen.
Frage: Sie haben den Hochwasserschutz erwähnt, der nach 1999 errichtet wurde. Was genau wurde da gemacht? Einen Deich sieht man vor Ihrem Kloster schließlich nicht ...
Pater Michael: Das stimmt, die Schutzmaßnahmen sind alle weitgehend unsichtbar. Das Wichtigste ist eine unterirdische Dichtwand aus Beton, die bis zu zwölf Meter in den Boden reicht. Dadurch kann das Wasser nicht mehr über den Untergrund in das Klosters eindringen. Das zweite wichtige Element sind sogenannte Dammbalkenverschlüsse. Das sind mobile Hochwasserschutzsysteme, die die Klostertore verschließen und verhindern, dass das Wasser wie früher ungehindert in den Klosterhof strömt. Und das dritte wichtige Element sind starke Pumpen, die dennoch eindringendes Wasser zurück in die Donau pumpen.
Frage: Aufgrund des Klimawandels gehen Experten davon aus, dass Starkregen und daraus resultierende Überschwemmungen in Zukunft immer häufiger vorkommen werden. Demnach muss auch Ihr Kloster damit rechnen, künftig noch stärker von Hochwasser und Überflutungen betroffen zu sein. Was denken Sie, könnte vor diesem Hintergrund irgendwann der Zeitpunkt kommen, an dem der Standort des Klosters direkt an der Donau aufgegeben werden muss?
Pater Michael: Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Ich muss auch sagen, dass wir uns hier im Konvent schon oft fragen, ob der Klimawandel für das Hochwasser hier bei uns überhaupt maßgeblich verantwortlich ist. Wir haben an unserem Kloster Markierungen, die die Höhe früherer Hochwasser anzeigen. Und siehe da: Das schlimmste Hochwasser war im Jahr 1865. Die Wasserhöhe, die damals verzeichnet wurde, ist seither nie mehr erreicht worden. Und 1865 war ganz bestimmt vor dem Klimawandel. Insofern: Wir haben gelernt, mit Überflutungen zu leben und werden das sicher auch in Zukunft schaffen.
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