Oster zur Fußball-EM: Andere Mannschaften stärker als Deutschland
Nur noch wenige Tage bis zur Fußball-Europameisterschaft in Deutschland und den Olympischen Sommerspielen in Paris. Höchste Zeit für ein Gespräch mit dem katholischen Sport-Bischof Stefan Oster (59) über seine persönliche Fitness, sein Faible für Kampfsportarten und christliche Trainingsrückstände.
Frage: Herr Bischof, zwei sportliche Großereignisse stehen vor der Tür, davon eines in Deutschland. Wie steht es um Ihre eigene körperliche Fitness?
Oster: Bescheiden. Bei unserer Wallfahrt nach Altötting gehe ich immer den Schlussteil mit. Nach nur 20 Kilometern habe ich diesmal meine alten Knochen ziemlich gespürt. Relativ regelmäßig nutze ich einen Crosstrainer zuhause. Aber insgesamt ist es schon ziemlich dürftig, was ich sportlich mache.
Frage: Zuerst zum Fußball. Scheint fast, als hätten die Deutschen unter Bundestrainer Julian Nagelsmann kurz vor der EM noch einmal die Kurve gekriegt. Was trauen Sie der Mannschaft zu?
Oster: Zuletzt schwankte die Truppe ja zwischen "himmelhoch jauchzend" und "zu Tode betrübt", einmal abgesehen von den letzten Testspielen, die wirklich gut waren. Vor dem sogenannten Sommermärchen 2006 war es ähnlich, das lässt hoffen. Aber ehrlich gesagt schätze ich andere Mannschaften stärker ein, etwa Frankreich oder England.
Frage: Gibt es im deutschen Fußball jemanden, der Sie auch jenseits des Rasens beeindruckt?
Oster: Den Philipp Lahm habe ich immer für einen guten Typen gehalten. Der hat im Grunde kein einziges schlechtes Spiel abgeliefert, ist meinungsstark und hat offensichtlich auch ein Herz für Menschen, die benachteiligt sind.
Frage: In einem unserer vorigen Interviews erklärte der erklärte Bayern-Fan Stefan Oster, es sei langweilig, wenn immer dieselben Deutscher Meister würden. Und prompt ist es diese Saison anders gekommen. Zu Recht?
Oster: Ja, sehr zu Recht. Was da bei den Bayern zuletzt abgelaufen ist mit Nagelsmann und dann mit Kahn und Salihamidzic – da haben sie wirklich eine äußerst schlechte Figur abgegeben. Der Widerspruch zum berühmten "Mia san mia" konnte nicht größer sein. Das hat mich echt geärgert. Trotzdem habe ich natürlich wieder mit ihnen mitgefiebert, alles andere wäre gefühlt "Verrat" gewesen. Den Leverkusenern gönne ich den Erfolg von Herzen. Aber nächste Saison sind wir wieder dran.
„Vor wenigen Monaten fing ich an, mir auf Youtube wieder Wettkämpfe anzuschauen. Wollte mal sehen, ob ich noch die Würfe und Griffe kenne.“
Frage: Bei Olympia stehen nicht unbedingt die Ballsportarten im Fokus. Für welchen Wettkampf würden Sie eine Gebetszeit verschieben, um ihn mitzuverfolgen zu können?
Oster: Oje, was sage ich da jetzt? Bis zum Alter von etwa 15 Jahren habe ich relativ erfolgreich Judo gemacht. Vor wenigen Monaten fing ich an, mir auf Youtube wieder Wettkämpfe anzuschauen. Wollte mal sehen, ob ich noch die Würfe und Griffe kenne. Da kam auch wieder viel Faszination zurück. Also nehm ich Judo.
Frage: Olympische Spiele waren früher Friedenszeiten. Wenigstens während dieser Zeit sollten Kampfhandlungen ruhen. Sympathischer Gedanke oder Augenwischerei?
Oster: Beides. Der französische Präsident Macron soll Chinas Staatschef Xi vorgeschlagen haben, sich für eine Waffenruhe in der Ukraine einzusetzen bei den Russen. Und der habe zugesagt. Wenn die Mächtigen der Welt sich dafür einsetzen, kann das ja nur von Vorteil sein. Aber ich habe doch stärker das Gefühl, dass der Sport von den Mächtigen eher manipuliert und für die eigenen Ziele benutzt wird als einer Friedensmission zu dienen. Die Sportler sehen das anders und auch die vielen Menschen, die sich mitnehmen lassen als Fans. Für die ist das hoffentlich ein echtes Friedens- und Begegnungsfest.
Frage: Erinnern Sie sich an einen ganz besonderen Olympia-Moment?
Oster: 1972 bin ich als Siebenjähriger mit meinen Eltern nach München gefahren. Ich war da beim Bahnrad-Vierer, da haben die Deutschen, glaube ich, sogar gewonnen. Hat mich später aber nie wieder interessiert, diese Disziplin. Dann haben Ulrike Meyfarth und Heide Rosendahl den Hoch- und Weitsprung gewonnen. Unauslöschlich in Erinnerung geblieben ist mir aber eine andere Szene, vom Ringen: Wilfried Dietrich, genannt "der Kran von Schifferstadt", hob da einen riesigen Amerikaner, der gefühlt zwei Köpfe größer und doppelt so schwer war, über sich und bezwang ihn per Schultersieg.
Frage: Wenn Sie so auf das geistige Ringen unserer Zeit schauen – ist das Christentum noch wettbewerbsfähig?
Oster: Von außen betrachtet befindet sich das Christentum im Hintertreffen, vor allem in den westlichen Gesellschaften. Von innen her würde ich sagen, dass es die Lösung für ganz viele Probleme der Welt bietet. Wissen Sie, es ist doch kein Zufall, dass Papst Franziskus eine Art moralische Autorität für Nachhaltigkeit und Ökologie für die ganze Welt geworden ist. Das kommt nicht einfach davon, dass er nachgedacht hat, sondern, weil er ein Christ ist. Wenn wir nur lernen, liebende und demütige Menschen zu werden ...
Frage: ... das klingt nach Trainingsrückstand bei den Christen ...
Oster: ... jetzt wollen Sie mich wieder in die Falle kriegen: Der Bischof Oster verlangt immer zu viel. Ja, würde ich sagen, aber jedes Wort richte ich auch an mich selber. Charles de Foucauld, der kürzlich erst heiliggesprochen wurde, hat noch am Tage seines Todes an eine Verwandte geschrieben: Beten Sie für meine Bekehrung. Das ist ein Dauerthema für uns alle, zuerst aber für mich.