Der Papst will seine Vormachtstellung herunterstufen
Der Vatikan will am Donnerstag ein theologisches Dokument vorstellen, das die Beziehung der christlichen Kirchen in Ost und West grundlegend ändern könnte. Der Text wurde vom Ökumene-Dikasterium des Papstes unter Federführung des Schweizer Kardinals Kurt Koch erarbeitet.
Das Papier trägt den Titel "Der Bischof von Rom". Der Untertitel lautet: "Primat und Synodalität in den ökumenischen Gesprächen und den Antworten auf die Enzyklika Ut unum sint". In dem Lehrschreiben von 1995 hatte Johannes Paul II. vor allem mit Blick auf die Kirchen des Ostens eine andere Art der Ausübung des Papstamtes in Aussicht gestellt.
Der polnische Papst hatte damals die anderen christlichen Kirchen eingeladen, im "brüderlichen, geduldigen Dialog" mit Rom nach Wegen zu suchen, wie das Papstamt als "Dienst der Barmherzigkeit" an allen Kirchen verstanden werden könnte. Daraufhin hatte die Ökumene-Abteilung des Vatikans mit mehreren Kirchen je eigene Dialogforen gegründet, die über Jahrzehnte berieten. Die Ergebnisse liegen nun vor.
"Patriarch des Westens"
Einen weiteren Schub bekam das Projekt durch Papst Franziskus. Er definierte sich von Anfang an als "Bischof von Rom". Auch verfügte er die Wiederbelebung des historischen Titels "Patriarch des Westens", der noch 2006 von seinem Vorgänger Benedikt XVI. gestrichen worden war. Allerdings ließ er zunächst offen, wie er diese Rolle mit seinen anderen historischen Titeln ("Stellvertreter Christi" und "Oberster Pontifex/Brückenbauer der Universalen Kirche") in Einklang bringen will.
Als weiteren Schritt der Annäherung an andere Kirchen hat Franziskus der katholischen Kirche eine "synodale" Verfassung verordnet. Nun sollen Bischöfe, Theologen und Laien an Beratungen über Grundsatzfragen der Kirche beteiligt werden und der Papst nicht mehr allein entscheiden. Damit wird die katholische Kirche in ihrer Struktur den schon immer synodal verfassten Kirchen des Ostens sowie den evangelischen Kirchen ähnlicher.
Offen blieb allerdings bislang noch die zentrale Frage, ob der Papst unter den christlichen Kirchenoberhäuptern weiterhin eine übergeordnete Stellung für sich beansprucht. Diese als "Primat des Papstes" bezeichnete Vormachtstellung behauptet die katholische Kirche seit dem frühen Mittelalter. Zuletzt hatte 1870 das Erste Vatikanische Konzil diesen universalen Machtanspruch in dogmatischen und kirchenrechtlichen Fragen untermauert und ausgebaut. Diese Beschlüsse sollen nun als teilweise zeitbedingt relativiert und neu interpretiert werden.
Anerkennung auch durch andere Kirchen
Bei dem Papier, das am Donnerstag vorgestellt werden soll, handelt es sich nach Vatikanangaben um ein "Studiendokument", das von Franziskus gebilligt wurde. Es soll die Antworten auf "Ut unum sint" und die ökumenischen Dialoge über Primat und Synodalität zusammenführen.
Am Ende wolle das Dokument einen Vorschlag für eine erneuerte Form des Papstamtes machen, die auch von den anderen Kirchen anerkannt werden könnte. Im Vatikan halten es manche für möglich, dass sich der Papst gemäß dem Vorschlag künftig mit anderen Patriarchen und Kirchenoberhäuptern auf Augenhöhe zu Beratungen trifft.
Ein erstes Treffen dieser Art könnte 2025 zum 1.700-jährigen Jubiläum des Konzils von Nicäa stattfinden, das bis heute von fast allen christlichen Kirchen anerkannt wird. Damals gelang es auch, ein gemeinsames Verfahren zur Festlegung des Osterdatums zwischen den Ostkirchen und Rom zu vereinbaren, das erst später aufgegeben wurde. Papst Franziskus ist laut Informationen aus dem Vatikan bereit, auch in dieser symbolisch wichtigen Frage den Ostkirchen weit entgegenzukommen.