Maßnahme gegen traditionalistische Beeinflussung und Pornografie

"Digital Detox": Priesterseminar schränkt Internet-Zeit ein

Veröffentlicht am 01.07.2024 um 12:09 Uhr – Lesedauer: 

New York ‐ Viele Menschen verbringen einen großen Teil ihrer Zeit im Internet – auch Priesterseminaristen. Um eine Einflussnahme traditionalistischer Influencer auf die Studenten zu verhindern, verordnen einige US-Seminare nun einen "Digital Detox".

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Das Priesterseminar der Erzdiözese Saint Louis in den USA hat die Online-Zeit der Seminaristen im studienvorbereitenden propädeutischen Jahr drastisch eingeschränkt. Die Seminaristen haben laut einem aktuellen Beschluss der Seminarleitung in ihrem ersten Jahr in der Vorbereitung auf den Priesterberuf keinen eigenen Computer und dürfen ihre Smartphones lediglich vier Stunden an den Samstagen benutzen, schreibt das US-Magazin "America" in einem Artikel über den aktuellen Stand der Priesterausbildung in den USA. Für diese Zeit des "Digital Detox", also des Verzichts auf Internet und Social Media, gibt es mehrere Gründe, so "America" unter Berufung auf den Leiter des Seminars, Paul Hoesing. Wenn die jungen Männer weniger Zeit im Internet verbrächten, hätten Sie mehr Zeit, um zu lernen, wie man mit Menschen, etwa in der Nachbarschaft des Priesterseminars, interagiere und Gespräche führe. "Diese Männer entwickeln einen sozialen Scharfsinn, den wir in vorherigen Gruppen nicht gesehen haben, weil sie durch diesen 'Digital Detox' menschlich und persönlich auf besondere Art verfügbar sind", erklärt der Priesterausbilder.

Außerdem soll die Internet-Abstinenz eine traditionalistische Prägung der Seminaristen durch einschlägige Internetseiten und Influencer verhindern. Hierbei gehe es um die Gefahr einer "parallelen" oder "Schattenausbildung" der jungen Männer, die die Seminarleitung stetig im Blick haben müsse, so Joshua Rodrigue, der das "Notre Dame Seminary" in New Orleans leitet. Früher hätten die Seminaristen entsprechende Blogs gelesen, aber derzeit seien YouTube-Videos von Sedisvakantisten wie Taylor Marshall oder des umstrittenen Psychologen Jordan Peterson beliebter, zitiert das Magazin Rodrigue. Im Seminar verfolge man das Ziel, die Priesteramtskandidaten für unterschiedliche Zugänge zu kirchlichen und theologischen Fragen zu sensibilisieren. Viele hätten jedoch den Wunsch nach Eindeutigkeit und einem festen Halt in der kirchlichen Lehre.

Verantwortungsvoller Umgang mit Pornografie

Weiter soll der "Digital Detox" zu einem verantwortungsvolleren Umgang mit Pornografie befähigen. Viele US-Seminaristen hätten Probleme mit ihrem Porno-Konsum und es gebe Abhängigkeiten, zitiert "America" die Psychologin Maribel Rodriguez Laguna, eine Expertin für die psychologische Betreuung und Therapie der Theologiestudierenden. Rodriguez sieht zudem ein Problem darin, dass sehr viele Seminaristen in den USA aus Familien der oberen Mittelschicht stammen. Deren Eltern hätten durch ihre "Schneepflug-Erziehung" versucht, den jungen Männern einen möglichst problemfreien Weg zum Erfolg zu bahnen und viele Hindernisse aus dem Lebensweg geräumt. "Wir haben hier junge Männer, die manchmal viele praktische Dinge nicht wissen, etwa wie man ein verantwortungsvolles Budget aufstellt, Geld spart, Wäsche wäscht, das Bett macht."

Die US-Bischöfe veröffentlichten 2022 erneuerte Regeln für die Priesterausbildung, die 2023 in Kraft traten. Der "Digital Detox" in vielen Priesterseminaren während des nun eingeführten propädeutischen Jahres ist eine der Neuerungen. Nötig geworden waren die angepassten Statuten durch die Umsetzung der 2016 vom Vatikan veröffentlichten "Ratio fundamentalis", der allgemeinen Regeln für die Priesterausbildung. Sie müssen in den Ortskirchen umgesetzt werden. (rom)