Parolin nach Ukraine-Besuch: Moskau muss mit an den Verhandlungstisch
Der Chefdiplomat des Papstes hat an die internationale Gemeinschaft appelliert, sich stärker für die von Russland angegriffene Ukraine einzusetzen. "Wir können nicht zulassen, dass daraus ein weiterer vergessener Konflikt wird", sagte Kardinal Pietro Parolin im Interview der italienischen Zeitung "Avvenire" (Mittwoch). Die Ukraine brauche weiter humanitäre Hilfe und Unterstützung bei der Suche nach Wegen zum Frieden, sagte er zum Abschluss seiner fünftägigen Ukraine-Reise.
"Mir scheint, dass wir von einer Verhandlungslösung noch weit entfernt sind", so der Kardinalstaatssekretär, der sich seit Freitag in der Ukraine aufgehalten hatte und am Dienstag von Präsident Wolodymyr Selenskyj empfangen wurde. Selenskyjs "Friedensplattform" habe der Heilige Stuhl von Anfang an unterstützt, vor allem wegen des humanitären Aspekts. Eine Schwäche dieses "Friedensversuchs" bestehe allerdings darin, dass Russland nicht beteiligt sei.
Parolin zeigte sich skeptisch, dass Moskau eine Einladung Selenskyjs zur nächsten internationalen Konferenz annehmen werde. "Aber Russland darf am Verhandlungstisch nicht fehlen", betonte der Kardinal. Es sei jedoch ein "Schritt nach vorne", dass Selenskyj die Notwendigkeit der Beteiligung Russlands erkenne.
Verbessertes Klima
Das Klima zwischen der ukraininischen Regierung und dem Heiligen Stuhl habe sich zuletzt verbessert, so Parolin. Selenskyj hatte nach dem Treffen mit Papst Franziskus im Mai 2023 gesagt, die Ukraine sei nicht an Vermittlern interessiert. "Ich glaube, dass eine vertrauensvollere und verständnisvollere Beziehung entstanden ist", so der Kardinal. Das ändere jedoch nichts an der Position des Heiligen Stuhls, der sich stets als Raum für Vermittlung und Dialog anbieten werde. "Eine Position, die eine sehr ausgeglichene Haltung erfordert. Das hat der Papst immer getan."
Noch fehle es aber an Lösungen, so dass "der Krieg leider auch nach mehr als zwei Jahren" weitergehe. "Auf jeden Fall ist die Diplomatie, zumindest seitens des Heiligen Stuhls, in Bewegung. Wir haben keine anderen Waffen", hob der Kardinal hervor. "Doch inzwischen sterben Menschen. Deshalb sage ich, dass die Anstrengungen verstärkt werden müssen", so der Kardinalstaatssekretär auch mit Blick auf die internationale Gemeinschaft.
Bei seinen Begegnungen in der Ukraine hätten ihn besonders die Mütter beeindruckt, die ihre Söhne verloren haben. In vielen Fällen seien die Leichen gar nicht erst geborgen worden, beklagte er. "Daran müssen wir auch arbeiten: Es ist eine menschliche und christliche Pflicht." Zudem gebe es viele verwundete, verstümmelte, behinderte Menschen. "Ein Konflikt hinterlässt schädliche Spuren im Körper der Gesellschaft, deren Heilung Zeit braucht", sagte Parolin. Krieg sei immer eine "Niederlage" und könne niemals als Instrument zur Lösung von Problemen eingesetzt werden, wie auch der Papst stets betone. (KNA)