Luisa Maurer über das Sonntagsevangelium

Einen Korb voll Zutrauen weitergeben

Veröffentlicht am 27.07.2024 um 12:15 Uhr – Lesedauer: 
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Trier ‐ Der kleine Junge im heutigen Sonntagsevangelium hat nur fünf Brote und zwei Fische dabei. Nicht viel, aber Jesus traut im viel zu. So wie man jungen Menschen in der kirchlichen Jugendarbeit viel zutraut, denkt Luisa Maurer.

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"Wie kamst du eigentlich auf die Idee, eine Ferienfreizeit ins Leben zu rufen?", fragt mich die 13-jährige Nicole. Wir laufen mit über 50 jungen Menschen durch einen kleinen Ort in der Eifel. Dort verbringen wir als kirchliche Jugendgruppe eine Woche Ferienprogramm miteinander. Nicole erzählt mir, wie toll sie die Zeit wieder einmal empfindet. Ihre Frage ist schnell beantwortet: "Ich selbst bin als Kind jahrelang mit der katholischen Jugend in den Ferien weggefahren. Was die Gruppenleiter*innen für uns getan haben, fand ich wahrscheinlich genauso großartig wie du gerade. Fest stand für mich: Wenn ich darf, möchte ich das einmal jüngeren Kindern und Jugendlichen auch ermöglichen." Und ich durfte. Erst ehrenamtlich, heute hauptamtlich als Pastoralreferentin.

Nicole erinnert mich daran, dass ich kirchliche Jugendarbeit als ein Ort erlebte, an dem mir etwas zugetraut wurde. Manchmal fühlte ich mich dabei wie der kleine Junge im Evangelium. Er ist unscheinbar. Er hat fünf Brote und zwei Fische dabei. "Doch was ist das für so viele?" Dennoch weist Andreas auf diesen Jungen hin. Und Jesus sieht ihn. Aus dem, was der namenlose Junge dabei hat, passiert etwas Wunderbares. Zu Beginn der Bibelstelle heißt es: Jesus wusste eigentlich schon, was er tun wollte. Sicherlich hätte er die Menge an Leuten auch anders versorgt bekommen. Doch er gibt Andreas die Chance, dem kleinen Jungen etwas zuzutrauen und etwas Großartiges entstehen zu lassen.

Ich habe erst später reflektiert, dass meine positiven Erfahrungen in der Kirche nicht selbstverständlich waren. In meiner Jugend wurde mir von meinen Gruppenleiter*innen, von Pfarrern und Gemeindereferent etwas zugetraut. Auch wenn ich scheinbar noch so wenig dabei hatte. Dabei musste ich meine Comfort-Zone verlassen. Vielleicht heißt es deshalb oft: "Jesus ging an das andere Ufer des Sees." Scheinbar weiß er, dass Zutrauen etwas mit Bewegung zu tun hat. Ich lernte Gruppen zu leiten, 9-Sitzer-Busse zu fahren und für Großgruppen zu kochen.

Im Evangelium werden, nachdem die Menschen satt sind, die Reste eingesammelt: "Sie sammelten und füllten zwölf Körbe mit den Brocken, die von den fünf Gerstenbroten nach dem Essen übrig waren." Es bleiben 12 Körbe übrig - so viele wie die Zahl der Apostel. Sie können nun weitergeben, was sie erlebt haben. Und noch mehr Menschen davon satt machen. Der Hunger steht für Hunger nicht nur nach Nahrung, sondern nach dem, was sie existenziell zum Leben brauchen.

"In zwei Jahren würde ich mich freuen, wenn wir dich als Gruppenleiterin für die Ferienfreizeit gewinnen könnten.", sage ich Nicole. "Das würdest du mir zutrauen?", fragt sie mit strahlenden Augen. Von Andreas, von Jesus und von meiner eigenen Biografie in der kirchlichen Jugendarbeit habe auch ich immer noch einen Brotkorb übrig, von dem ich etwas weiter verteilen kann. Vielleicht tut Nicole das auch einmal.

Evangelium nach Johannes (Joh 6,1-15)

In jener Zeit ging Jesus an das andere Ufer des Sees von Galiläa, der auch See von Tiberias heißt. Eine große Menschenmenge folgte ihm, weil sie die Zeichen sahen, die er an den Kranken tat. Jesus stieg auf den Berg und setzte sich dort mit seinen Jüngern nieder. Das Pascha, das Fest der Juden, war nahe.

Als Jesus aufblickte und sah, dass so viele Menschen zu ihm kamen, fragte er Philíppus: Wo sollen wir Brot kaufen, damit diese Leute zu essen haben? Das sagte er aber nur, um ihn auf die Probe zu stellen; denn er selbst wusste, was er tun wollte. Philíppus antwortete ihm: Brot für zweihundert Denáre reicht nicht aus, wenn jeder von ihnen auch nur ein kleines Stück bekommen soll. Einer seiner Jünger, Andreas, der Bruder des Simon Petrus, sagte zu ihm: Hier ist ein kleiner Junge, der hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische; doch was ist das für so viele?

Jesus sagte: Lasst die Leute sich setzen! Es gab dort nämlich viel Gras. Da setzten sie sich; es waren etwa fünftausend Männer. Dann nahm Jesus die Brote, sprach das Dankgebet und teilte an die Leute aus, so viel sie wollten; ebenso machte er es mit den Fischen.

Als die Menge satt geworden war, sagte er zu seinen Jüngern: Sammelt die übrig gebliebenen Brocken, damit nichts verdirbt! Sie sammelten und füllten zwölf Körbe mit den Brocken, die von den fünf Gerstenbroten nach dem Essen übrig waren.

Als die Menschen das Zeichen sahen, das er getan hatte, sagten sie: Das ist wirklich der Prophet, der in die Welt kommen soll. Da erkannte Jesus, dass sie kommen würden, um ihn in ihre Gewalt zu bringen und zum König zu machen. Daher zog er sich wieder auf den Berg zurück, er allein.

Die Autorin

Luisa Maurer arbeitet als Pastoralreferentin im Bistum Trier und ist Rundfunkbeauftragte des Bistums für den Saarländischen Rundfunk und das Deutschlandradio.

Ausgelegt!

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