Eine Grabbeigabe besonderer Art
Die Leiche des Bischofs Peder Winstrup ist eine kleine Berühmtheit, nicht nur in Schweden. Winstrups Mumie ist eine der am besten erhaltenen Leichen aus dem 16. Jahrhundert in Europa", sagt Per Karsten, Projektleiter und Direktor des Historischen Museums, das zur Uni von Lund gehört. Ihr Informationsgehalt sei vergleichbar mit dem von Ötzi oder den ägyptischen Mumien.
Schon zu Lebzeiten war der 1605 in Kopenhagen geborene Winstrup ein Mann voller Ressourcen. Er war Professor der Philosophie und Physik, Doktor der Theologie, Architekt und Drucker. Mit 33 Jahren wurde er Bischof in Lund und nahm die schwedische Staatsbürgerschaft an. "Er war ein Meister der Diplomatie und vermittelte zwischen dem schwedischen und dem dänischen König", erklärt Karsten. Auf seine Initiative hin sei die Universität in Lund gegründet worden, die als eine der renommiertesten des Landes gilt.
Beigesetzt in feinstem Zwirn
1680 wurde Winstrup in der Krypta der Domkirche der Stadt beigesetzt. In feinstem Zwirn aus Baumwolle und Samt - wie man inzwischen weiß. "Nachdem der Bischof 300 Jahre in der Gruft aufbewahrt worden war, wollte man ihn auf dem Friedhof begraben", erzählt der Museumsdirektor. "Deshalb haben wir seinen Sarg geöffnet."
Was die Wissenschaftler dann fanden, hat sie in Begeisterung ausbrechen lassen. Die Kleidung, die Haut, die Knochen, selbst die inneren Organe des Bischofs waren ungewöhnlich gut erhalten. "Sogar sein Gesicht konnte man gut erkennen", schwärmt Karsten. "Er sah aus, als wenn er erst seit ein paar Tagen tot wäre."
Dass sich der Geistliche so gut gehalten hat, habe mehrere Gründe. "Er ist im Winter gestorben, seine Leiche wurde also nicht warm." Außerdem sei sie ständiger Luftzirkulation ausgesetzt gewesen. "Luftgetrocknet, wie ein Serano-Schinken." Auch die Beigaben wie Hopfen, Wacholderbeeren und Wermut, die in seinem Sarg gefunden wurden, hätten den Verwesungsprozess aufgehalten.
"Der Trocknungsprozess begann also schon zu Lebzeiten"
Ausschlaggebend war aber wahrscheinlich, dass der Bischof ziemlich fett war und durch zahlreiche Krankheiten in seinen letzten beiden Lebensjahren vermutlich 40 Kilo abnahm. "Der Trocknungsprozess begann also schon zu Lebzeiten."
Vermutlich sein ganzes Leben lang hat der Bischof unter Schmerzen gelitten. Mit Hilfe von Röntgenbildern haben die Forscher festgestellt, dass er Arthritis, Gallensteine, Aderverkalkung und vermutlich auch Tuberkulose hatte und ziemlich lange bettlägerig war. Deshalb glauben sie auch nicht, dass das frühgeborene Kind in seinem Sarg das Ergebnis einer heimlichen Liebschaft war.
"Ich glaube eher, dass ein enger Mitarbeiter des Bischofs das Kind heimlich zu seinen Füßen gelegt hat", sagt der Experte Karsten. "Zu der Zeit konnte ein zu früh geborenes Kind dem Glauben nach nicht in den Himmel aufsteigen, weil es nicht getauft war. Es in den Sarg eines Bischofs zu legen, war quasi ein Versuch, es trotzdem zu Gott zu schicken." Wenn es mit dem Bischof verwandt gewesen wäre, hätte das Kind sicher auf seinem Bauch oder in seinem Arm gelegen, so Karsten weiter. Er glaube nicht, dass die Familie von Peder Winstrup von dem blinden Passagier gewusst hatte.
Ein DNA-Vergleich soll Klarheit bringen
Klarheit über eine mögliche Verwandtschaft soll ein DNA-Vergleich der beiden bringen. "Doch den können wir erst im September machen". Der Fötus liege unter den Füßen des Geistlichen, und den habe man bislang nicht aus seinem Sarg bewegt. "Wir sind zurzeit noch mit den äußeren Untersuchung beschäftigt", erläutert Karsten. "Erst wenn wir die Mumie herausnehmen, können wir auch das Baby genauer unter die Lupe nehmen. Dann lässt sich vielleicht auch feststellen, ob das Kind lange vor dem Bischof gestorben ist."
Doch auch, wenn die beiden nicht verwandt sind, ist der Fund der Mumie nach der Meinung der Wissenschaftler in Lund eine Sensation. "Sein Körper wird noch in 100 Jahren, wenn man andere Untersuchungsmethoden hat, neue Erkenntnisse bringen." Am 11. September soll der Bischof in die Gruft der Domkirche zurückgebracht werden - bis vielleicht die nächste Generation von Wissenschaftlern seine Freude an ihm hat.