Papst zitiert evangelischen NS-Widerstandskämpfer Bonhoeffer
Papst Franziskus hat erneut den protestantischen Theologen und NS-Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer (1906-1945) zitiert. Der von den Nazis ermordete Pfarrer habe sich immer wieder die Frage gestellt, "was das Christentum oder auch wer Christus heute für uns eigentlich ist", zitierte der Papst am Sonntag beim Mittagsgebet auf dem Petersplatz einen Brief Bonhoeffers aus der Haft. "Leider stellen sich viele diese Frage nicht mehr und bleiben 'ruhig und träge' auch fern von Gott", sagte Franziskus.
Stattdessen sollten sich die Menschen fragen, wer Jesus für sie ist, ob sie sich von ihm aufrütteln lassen und welchen Platz er in ihrem Leben einnimmt, führte der Papst aus. Es reiche nicht, die kirchliche Lehre zu kennen und Gebete richtig wiederzugeben. "Folge ich Jesus nur in Worten und verfolge weiterhin eine weltliche Einstellung, oder folge ich ihm und lasse zu, dass die Begegnung mit ihm mein Leben verändert?" Damit wandle sich die Art zu denken und zu handeln, die Beziehungen zu den Mitmenschen und die Bereitschaft, sie anzunehmen und zu vergeben. "Alles ändert sich, wenn man Jesus wirklich kennt", betonte das Kirchenoberhaupt.
Bonhoeffer-Zitat auf katholischen Reformprozess angewandt
Papst Franziskus hatte schon in seiner Botschaft zum Welttag der sozialen Kommunikation im Januar 2022 auf ein Zitat des deutschen evangelischen Theologen Bonhoeffer verwiesen: "Wer seinem Bruder nicht zuhören kann, der wird auch bald Gott nicht mehr zuhören können." Damals bezog er das Zitat auf den kurz zuvor begonnenen synodalen Prozess der Weltkirche, der auf eine neue Art zu beraten und zu entscheiden abzielt. Im Oktober soll dieser Reformprozess bei der Weltbischofssynode in Rom in ihre entscheidende Phase gehen.
Außerdem erinnerte Papst Franziskus in bewegenden Worten an einen 23-Jährigen, der von der radikalislamischen Hamas entführt und getötet wurde. "Ich denke an Hersh Goldberg-Polin, der Anfang September zusammen mit fünf weiteren jungen Leuten tot aufgefunden wurde", sagte er beim Mittagsgebet. Hershs Mutter Rachel Goldberg, die dem Papst im November in einer Videobotschaft für seinen Einsatz für die Geiseln dankte, habe ihn mit ihrer Menschlichkeit beeindruckt, so Franziskus. "Ich stehe ihr in diesem Moment bei", betonte er.
"Ich bete für die Opfer und bin weiterhin allen Familien der Geiseln nahe", so der Papst. "Beendet die Gewalt, beendet den Hass, lasst die Geiseln frei, setzt die Verhandlungen fort, damit Lösungen für den Frieden gefunden werden", appellierte das Kirchenoberhaupt. Ebenso erinnerte er an die Situation in der Ukraine und in Myanmar. Kriege bedeckten die Welt mit Blut, mahnte Franziskus. "Wie viele unschuldige Opfer! Ich denke an die Mütter, die Kinder im Krieg verloren haben. Wie viele zerstörte junge Leben!", so der Papst.
Hersh Goldberg-Polin, der die israelische und US-amerikanische Staatsbürgerschaft hatte, war einer der jungen Leute, die am 7. Oktober von der Hamas bei einem Musikfestival als Geiseln verschleppt wurden. Bekanntheit erlangte sein Schicksal, weil seine Eltern öffentlich für seine Freilassung kämpften. Auch in Deutschland fand sein Fall Beachtung, weil Hersh Anhänger des Fußballclubs Werder Bremen war.
Überschwemmungen in Myanmar und Vietnam
Ebenso betete der Papst auf dem Petersplatz für die Menschen in Vietnam und Myanmar, die von Überschwemmungen in Folge eines Taifuns betroffen sind. Den mexikanischen Priester und Ordensgründer Moises Lira Serafine (1893-1950), der am Samstag in Mexiko-Stadt seliggesprochen wurde, würdigte er als Vorbild für Gläubige und Priester.
Darüber hinaus erinnerte Franziskus an den Tag für ALS-Kranke, der an diesem Wochenende in ganz Italien begangen wird. Er bete für die Betroffenen und ihre Angehörigen und ermutige zu weiteren Forschungen über diese Krankheit, so der Papst. Die "17. Giornata Nazionale Sla" erinnert an Betroffene der unheilbaren Erkrankung des motorischen Nervensystems Amyotrophe Lateralsklerose. (rom/KNA)