Papst bedauert Missbrauch und weitere dunkle Kapitel der Kirche
Papst Franziskus hat in Belgien den sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche schärfer als je zuvor verurteilt. In einer Ansprache vor den Spitzen von Staat, Kirche und Zivilgesellschaft sagte er am Freitag in Brüssel abweichend vom Redemanuskript: "Der Missbrauch von Minderjährigen ist eine Schande. Diese Schande müssen wir anerkennen, um Vergebung bitten und das Problem lösen." Nach Worten ringend verglich der Papst den Missbrauch mit dem Massaker an den unschuldigen Kindern durch König Herodes, das in der Bibel beschrieben wird. "Heute, inmitten der Kirche, gibt es dieses Verbrechen. Und die Kirche muss sich schämen und um Vergebung bitten und in christlicher Demut alles in ihrer Macht Stehende tun, damit das nicht mehr geschieht."
Ausdrücklich wandte er sich gegen jene in der Kirche, die den Missbrauch durch Geistliche relativieren, indem sie darauf hinweisen, dass es noch viel mehr Missbrauch in Familien, im Sport und in Schulen gebe. Es sagte: "Selbst wenn es nur einen einzigen Fall gäbe, wäre das ein Grund, sich zu schämen. Die Kirche muss dafür um Vergebung bitten. Mögen die anderen das bei sich tun, dies hier ist unsere Schande und unsere Erniedrigung."
Zuvor hatte der Papst sich an das für ihn vorbereitete Redemanuskript gehalten und gesagt: "Ich denke an die dramatischen Ereignisse des Kindesmissbrauchs, einer Geißel, gegen die die Kirche mit Entschiedenheit und Entschlossenheit vorgeht, indem sie den Leidtragenden zuhört und sie begleitet und in der ganzen Welt umfassende Präventionsprogramme realisiert."
Unehelich geborene Kinder waren stigmatisiert
In seiner Rede ging der Papst auch auf den Skandal der Zwangsadoptionen außerehelich geborener Kinder ein – eine Praxis, die in Belgien noch bis in die 1970er-Jahre verbreitet war und die seit einigen Jahren erneut debattiert wird. Das damalige Tun mache ihn "sehr traurig", erklärte der Papst. Zugleich zeigte er Verständnis für die beteiligten Menschen, die wohl "guten Gewissens glaubten, zum Wohl des Kindes wie auch der Mutter zu handeln".
Weiter erklärte er: "Um das negative Stigma zu beseitigen, das die unverheiratete Mutter in jenen Tagen leider traf, waren die Familie und andere gesellschaftliche Akteure, einschließlich der Kirche, oft der Meinung, dass es zum Wohl von Mutter und Kind besser sei, das Kind würde zur Adoption freigegeben. Es gab sogar Fälle, in denen manchen Frauen gar nicht die Wahl gelassen wurde, das Kind zu behalten oder es zur Adoption freizugeben", kritisierte Franziskus. Für die Zukunft gelobte der Papst Besserung. Die Kirche müsse die Kraft finden, sich nicht der vorherrschenden Kultur anzupassen. Sie dürfe nicht unter gesellschaftlichem Druck falsche Schlüsse aus dem Evangelium ziehen, die dann zu schwerem Leid und zu Ausgrenzung führten.
Zuvor hatten der belgische König Philippe und Ministerpräsident Alexander de Croo in ihren Begrüßungsansprachen den Missbrauchskandal in der Kirche ausdrücklich kritisiert und Gerechtigkeit für die Opfer gefordert. Die Rede des Papstes quittierten die anwesenden Vertreter aus Politik, Kirche und Gesellschaft mit ungewöhnlich langem und starkem Applaus. (KNA)