Papst in Belgien: In Kirche ist Platz für alle – Lob für König
Papst Franziskus hat am zweiten Tag seines Belgien-Besuchs eine Kirche in der Krise vorgefunden. Deutlich und ausführlich sprach er dabei über sexuellen Missbrauch in der Kirche. "Missbrauch verursacht furchtbares Leid und Wunden und bedroht auch den Glaubensweg", sagte Franziskus bei einer Begegnung mit Hunderten Geistlichen, Ordensleuten und Kirchenaktivisten in der Sacre-Coeur-Basilika von Koekelberg bei Brüssel.
Weiter betonte er: "Es braucht sehr viel Barmherzigkeit, so dass wir nicht mit einem Herz aus Stein vor dem Leid der Opfer verharren; damit wir ihnen unsere Nähe zeigen und ihnen jede mögliche Hilfe anbieten können."
Am Abend zuvor hatte der Papst in der Vatikanbotschaft in Brüssel 17 Betroffene sexualisierter Gewalt getroffen. Die Zusammenkunft dauerte mehr als zwei Stunden, wie der Vatikan mitteilte. Wochen vor dem Besuch hatte eine Gruppe von Missbrauchsbetroffenen in einem Schreiben das Kirchenoberhaupt zu einer klaren Positionierung aufgefordert. Einem persönlichen Treffen hatten sie zunächst wenig Chancen eingeräumt.
Krisen böten auch Chancen
Krisen würden jedoch auch Chancen bieten, so der Papst: "Jede Krise ist eine Zeit, die uns gegeben ist, damit wir aufgerüttelt werden, uns Fragen stellen und uns verändern. Sie ist eine kostbare Gelegenheit (...), um aus unserer Bewegungslosigkeit aufgeweckt zu werden und die Wege des Geistes wiederzufinden."
Angesichts der Entwicklung hin "zu einem Minderheits-Christentum, oder besser, zu einem Christentum des Zeugnisses" forderte Franziskus außerdem zu einer Rückbesinnung auf das Wesentliche auf. Die katholische Kirche solle sich darauf konzentrieren, dass "die gute Nachricht, die Jesus in die Welt gebracht hat, wieder allen verkündet wird und in ihrer ganzen Schönheit erstrahlt".
Auch mahnte er mehrfach eine offene Kirche an, die Menschen mit unterschiedlichen Ausrichtungen Raum bietet. Franziskus sagte: "In der Kirche ist Platz für alle, und keiner muss eine Kopie des anderen sein. Die Einheit in der Kirche ist nicht Gleichförmigkeit, sondern sie besteht darin, Harmonie in der Vielfalt zu finden!"
Lob für Baudouin in Abtreibungsfrage
Viel Lob äußerte Franziskus bei einem Besuch der Grabstätte des verstorbenen belgischen Königs Baudouin (1930-1993) zusammen mit dem herrschenden König Philippe und Königin Mathilde. Philippe ist ein Neffe Baudouins und wurde als designierter Thronfolger von ihm und dessen Gattin Fabiola, die kinderlos waren, erzogen.
1990 erklärte die Regierung Baudouin für kurze Zeit regierungsunfähig und übernahm die Funktion des Staatsoberhaupts. Als Katholik hatte sich Baudouin geweigert, ein liberales Abtreibungsgesetz zu unterzeichnen. Das könne er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren. Nachdem alle Regierungsmitglieder das Gesetz unterzeichnet hatten, wurde er am 5. April 1990 wieder für regierungsfähig erklärt. Franziskus forderte die Belgier auf, sich bei weiteren "kriminellen Gesetzen", die auf den Weg gebracht worden seien, an Baudouin zu orientieren, nannte jedoch keine Beispiele dafür.
Seit 2019 wird in Belgien über eine weitere Liberalisierung der aktiven Sterbehilfe debattiert. Gemäß einem Vorschlag der flämischen Liberalen (Open VLD) sollen künftig auch ältere Menschen ohne unheilbare Krankheiten Zugang zu aktiver Sterbehilfe erhalten. (KNA)