Pontifex kündigt zudem Seligsprechungsprozess an

Papst Franziskus geißelt Vertuschung von Missbrauch in der Kirche

Veröffentlicht am 29.09.2024 um 13:51 Uhr – Lesedauer: 

Brüssel ‐ Das Thema Missbrauch dominierte die Ansprachen des Papstes in Belgien. Auch bei der Abschlussmesse sprach der Papst über das Übel und forderte die Bestrafung der Schuldigen – Bischöfe eingeschlossen. Dazu kam eine besondere Ankündigung.

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Auch am letzten Tag seiner Reise nach Luxemburg und Belgien hat Papst Franziskus den sexuellen Missbrauch in der Kirche scharf verurteilt. Er rief die Bischöfe auf, Missbrauchsfälle nicht zu verschweigen, sondern sie öffentlich zu machen und die Täter zu bestrafen. Der Papst äußerte sich in einer Predigt beim Gottesdienst im König-Baudouin-Stadion von Brüssel vor rund 40.000 Menschen, die nach diesen Ausführungen lange applaudierten.

Der Papst hob lobend hervor, dass einige der Missbrauchsbetroffenen das Böse, das sie erlitten haben, öffentlich gemacht haben. "Das Böse muss öffentlich bekannt werden, und der Täter müssen verurteilt werden, ganz gleich ob es jemand ohne Weihe, oder ein Priester oder ein Bischof ist. Der Täter soll verurteilt werden!"

Auch an weiteren Stellen seiner Predigt fügte der Papst Ausführungen über den Missbrauch hinzu. So sagte er: "Weit weg von uns sei jene Hand, die zuschlägt, um einen sexuellen Missbrauch, einen Machtmissbrauch oder einen Gewissensmissbrauch gegen Schwächere zu verüben! Wie viele Fälle von Missbrauch haben wir in unserer Geschichte und in unserer Gesellschaft!"

Plädoyer für eine bescheidene Kirche

Zuvor hatte der Papst die katholische Kirche dazu aufgefordert, ihren Auftrag mit Offenheit und Bescheidenheit zu erfüllen. Wörtlich sagte er: "Wenn wir also mit offener und aufmerksamer Liebe am freien Wirken des Geistes mitwirken wollen, ohne mit unserer Anmaßung und Starrheit Ärgernis zu erregen, ohne ein Hindernis für irgendjemanden zu sein, müssen wir unseren Auftrag mit Demut, Dankbarkeit und Freude erfüllen. Wir dürfen also keinen Groll hegen, sondern müssen uns freuen, dass auch andere das tun können, was wir tun".

Im politischen Teil seiner Predigt wandte sich der Papst gegen Egoismus und eine rein liberale Marktwirtschaft. Er sagte: "Der Egoismus ist, wie alles, was die Liebe verhindert, ein Ärgernis, weil er die Kleinen erdrückt, die Würde der Menschen erniedrigt und den Schrei der Armen erstickt. (...) Wenn man dem Leben der Einzelnen und der Gemeinschaften allein die Prinzipien des Eigennutzes und allein die Gesetzmäßigkeiten des Marktes zugrunde legt, entsteht eine Welt, in der es keinen Platz mehr gibt für die, die in Schwierigkeiten sind, keine Barmherzigkeit für die, die Fehler machen, kein Mitgefühl für die, die leiden und nicht zurechtkommen."

Bild: ©picture alliance/dpa/Nicolas Maeterlinck

König Baudouin wurde durch eine besondere Volte bekannt.

Ausdrücklich ging der Papst dabei auch auf die Lage der Migranten ein, die als sogenannte "Sans Papiers" ohne gültige Papiere in Ländern wie Frankreich oder Belgien leben. Der Papst erklärte: "Sie sind Menschen, Schwestern und Brüder, die wie alle anderen von einer besseren Zukunft für sich und ihre Angehörigen träumen und stattdessen oft ungehört bleiben und zu Opfern von Ausbeutung werden." Er rief die Regierungen dazu auf, Migration als Chance zu sehen: "Ich lade alle ein, in jedem eingewanderten Menschen das Gesicht Jesu zu sehen, der unter uns Gast und Pilger war."

Seligsprechung während Messe

Zu Beginn der Messfeier hatte der Papst die aus Spanien stammende Ordensfrau Anna von Jesus (1545 - 1621) selig gesprochen. Sie sei wegen ihres Lebens in Gebet, Arbeit und Nächstenliebe auch heute noch ein Vorbild für die Kirche. Zudem kündigte er an, einen kirchlichen Prozess zur Seligsprechung des belgischen Königs Baudouin (1930 - 1993) in Gang setzen will. Zum Abschluss der Sonntagsmesse sagte er: "Ich werde nach meiner Rückkehr nach Rom den Seligsprechungsprozess für König Baudouin eröffnen. Möge sein Vorbild als Mann des Glaubens die Regierenden erleuchten. Ich bitte darum, dass die belgischen Bischöfe sich dafür engagieren, diese Sache voranzubringen.

Baudouin war von 1951 bis 1993 König der Belgier. Im April 1990 weigerte er sich, ein liberales Abtreibungsgesetz zu unterzeichnen, weil er es als Katholik nicht mit seinem Gewissen vereinbaren konnte. Die Regierung erklärte ihn deshalb auf eigenen Wunsch für regierungsunfähig und übernahm verfassungsgemäß die Funktion des Staatsoberhauptes. Nachdem alle Regierungsmitglieder das Gesetz unterzeichnet hatten, wurde Baudouin am 5. April 1990 wieder für regierungsfähig erklärt. Die Geste des Monarchen sorgte damals in ganz Europa für Aufsehen. Papst Franziskus hatte das Grab des Königs gemeinsam mit dem herrschenden König Philippe und Königin Mathilde am Samstag besucht. Philippe ist ein Neffe Baudouins und wurde als designierter Thronfolger von ihm und dessen Gattin Fabiola, die kinderlos waren, erzogen.

Nach der Sonntagsmesse sagte Franziskus beim traditionellen Angelusgebet, er sei bestürzt über die Ausweitung des Krieges im Libanon. "Zu viele Menschen sterben Tag für Tag im Nahen Osten. Beten wir für die Opfer und ihre Angehörigen, beten wir für den Frieden." Weiter sagte er: "Ich bitte alle Konfliktparteien um einen sofortigen Waffenstillstand im Libanon, in Gaza, in Israel im übrigen Palästina. Alle Geiseln sollen freigelassen, humanitäre Hilfe muss zugelassen werden". Am Ende seiner Ausführungen sagte der Papst: "Erbitten wir von Gott das Geschenk des Friedens für die gepeinigte Ukraine, für Palästina und Israel, für den Sudan, für Myanmar und alle vom Krieg verwundeten Länder." (cph/KNA)