Die neuen Kardinäle kommen nicht nur von den Rändern
Wieder einmal hat Papst Franziskus allen Nörglern und Kritikern in der Kirche gezeigt, wer der Chef ist. Inmitten einer holprig begonnenen Weltsynode, umgeben von immer bedrohlicher werdenden Kriegsszenarien im Osten und im Nahen Osten, hat er am Sonntag beim Mittagsgebet plötzlich und unerwartet wichtige Personalentscheidungen verkündet. Die Namen von 21 neuen Kardinälen gab er quasi aus heiterem Himmel bekannt; selbst im Inneren des vatikanischen Apparats wussten nur wenige, dass er damit an diesem Tag um die Ecke kommen würde.
Die Liste der Namen enthält, wie bei Franziskus üblich, manche Überraschungen, von denen einige beinahe skurril wirken. So ernannte er den indischen Geistlichen George Jacob Koovakad (53), der seit einigen Jahren als Reisemarschall des Papstes tätig ist, ebenso zum Kardinal wie Rolandas Makrickas (54) aus Litauen, der des Papstes Lieblingskirche in Rom leitet, die Basilika Santa Maria Maggiore. Für viele unerwartet kommt auch die Kardinalswürde für den italienischen Migrations-Experten Fabio Baggio (59), der in der vatikanischen Sozial- und Entwicklungsbehörde den Rang eines Untersekretärs bekleidet.
Der jüngste ist 44 – der älteste 99
Einer der jüngsten je ernannten Kardinäle ist der für die in und um Melbourne (Australien) lebenden Exil-Ukrainer zuständige Bischof Mykola Bychok (44). Er könnte allerdings später einmal eine wichtige Rolle im ukrainischen Mutterland übernehmen und damit für den Papst ein wichtiger Verbündeter werden. Sicher zu den ältesten jemals ernannten Kardinälen gehört dagegen der schon lange pensionierte Vatikandiplomat Angelo Acerbi (99).
Eher erwartbar waren die Neuernennungen für Lateinamerika, Afrika und Asien. Dass wichtige Hauptstadt-Bischofssitze wie Lima in Peru, Santiago de Chile, Tokyo oder Abidjan (Elfenbeinküste) von Kardinälen geleitet werden, ist inzwischen schon fast erwartbar.
Weniger berechenbar verhält sich der Papst in Europa. Hier hat er mit Erzbischof Ladislav Nemet, dem Hirten der 20.000 Katholiken in Serbiens Hauptstadt Belgrad, nicht gerade ein kirchenpolitisches Schwergewicht unter den Bischöfen Ost- und Südosteuropas zum Kardinal befördert.
Eher "logische" Ernennungen gab es hingegen diesmal in Italien: Die Industriemetropole Turin hat mit Erzbischof Roberto Repole wieder einen Kardinal. Und in seinem eigenen Bistum Rom hat der Papst ebenfalls wieder die traditionellen Verhältnisse hergestellt: Sein faktischer Stellvertreter für die Leitung des zweitgrößten italienischen Bistums hat nun ebenfalls wieder ein Kardinal inne: Der Papst beförderte den bislang nur provisorisch eingesetzten "Regenten" Baldassare Reina mit sofortiger Wirkung zu seinem Generalvikar für das Bistum Rom. Dort kann er nun, wie viele seiner Vorgänger, als "Kardinalvikar" alles regeln - freilich unter der Aufsicht des Papstes als eigentlichem Bischof.
Nur noch drei deutsche Papstwähler
Etliche der neu ernannten Kardinäle nehmen derzeit auch an der Weltsynode in Rom teil – wo sie freilich noch nicht in Rot gekleidet sind und auch noch nicht mit "Eminenz" angeredet werden. Das bekannteste Gesicht in der künftigen Kardinalsriege hat freilich auch so schon eine eminent wichtige Rolle bei der vierwöchigen Versammlung zum Thema synodale Kirchenreform übernommen: Der englische Dominikanerpater Timothy Radcliffe (79). Als geistlicher Begleiter der Synode ist er schon längst einer der wichtigsten Impulsgeber dort – und daran wird der neue Titel kaum etwas ändern.
Dass unter den neuen Kardinälen auch diesmal kein Deutscher ist, überrascht nicht. Seit Franziskus im ersten Jahr seines Pontifikats den damaligen Glaubenspräfekten Gerhard Ludwig Müller zum Kardinal erhob, ist kein Deutscher mehr in den Kreis der potenziellen Papstwähler aufgenommen worden. Der 2015 zum Kardinal ernannte und 2023 verstorbene Karl-Josef Rauber war schon bei seiner Ernennung über 80.
Als im Jahr 2005 Kardinal Joseph Ratzinger zum Papst gewählt wurde, saßen noch sechs wahlberechtigte Deutsche im Konklave; heute wären es mit den Kardinälen Reinhard Marx, Rainer Maria Woelki und Müller nur noch drei. Dass sich im gleichen Zeitraum die Zahl der wahlberechtigten Lateinamerikaner auf demnächst 39 mehr als verdoppelt hat, illustriert eindrucksvoll die veränderten Kräfteverhältnisse in der katholischen Kirche.