Vatikan-Richter zum Finanzprozess: Hauptzeuge unzuverlässig
Die Aussagen des einstigen Hauptzeugen im Vatikan-Finanzprozess haben bei der Urteilsfindung keine Rolle gespielt. Das geht aus der am Mittwoch vom Vatikan veröffentlichten Urteilsbegründung der Richter hervor. Die Erklärungen des Vatikan-Beamten Alberto Perlasca (64) blieben für die Zwecke des vorliegenden Verfahrens ohne jede eigenständige Beweiskraft, heißt es in dem Dokument.
Perlasca leitete einst das Verwaltungsbüro im vatikanischen Staatssekretariat, über das die verlustreiche Investition in eine Londoner Immobilie lief – ein Anklagestrang im Finanzprozess. Zunächst zählte der Geistliche zum Kreis der Verdächtigen. Dann arbeitete Perlasca mit den Ermittlungsbehörden zusammen und fungierte fortan als einer der Hauptzeugen in dem Verfahren. Zugleich trat er als geschädigte Partei auf.
Keine überzeugenden Antworten
In vielen Punkten habe Perlasca keine überzeugenden Antworten gegeben oder sogar Aussagen gemacht, die mit anderen Feststellungen in den Akten unvereinbar waren. Seine Schilderungen sowie die zwei weiterer Zeugen bezeichneten die Richter als "unzuverlässig" und "widersprüchlich". Keiner der Angeklagten sei auf Grundlage ihrer Aussagen schuldig gesprochen worden.
Vergangenen Dezember war der größte Finanzprozess in der Vatikan-Geschichte mit der Verurteilung von neun Angeklagten zu Ende gegangen. Erstmals war unter den Verurteilten auch ein Kardinal: der 76-jährige Italiener Angelo Becciu. Fünf Jahre und sechs Monate soll der frühere Substitut im Staatssekretariat hinter Gitter sowie eine Strafe von 8.000 Euro zahlen. (KNA)