Vertuschungsvorwürfe gegen Oberhaupt der Church of England

Anglikanische Bischöfin fordert Rücktritt von Erzbischof Welby

Veröffentlicht am 12.11.2024 um 12:50 Uhr – Lesedauer: 

Newcastle ‐ Der Druck auf Justin Welby wächst. Jahrelang soll er von sexuellem Missbrauch innerhalb der Church of England gewusst haben, ohne etwas zur Aufklärung beizutragen. Rücktrittsforderungen werden immer lauter.

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In England hat die Bischöfin von Newcastle, Helen-Ann Hartley, den Rücktritt des Oberhaupts der anglikanischen Kirche, Justin Welby, wegen seiner Rolle in einem Missbrauchsskandal gefordert. Welby wird vorgeworfen, sexuellen Missbrauch jahrelang vertuscht zu haben. Nach Einschätzung Hartleys könnten die Menschen derzeit nicht darauf vertrauen, dass die "Church of England" sie schütze, sagte die Bischöfin der britischen BBC (online Dienstag).

Schwer belastet werden Welby und die anglikanische Staatskirche von England in dem vor wenigen Tagen veröffentlichten Untersuchungsbericht "Makin Report" zu Missbrauch innerhalb der Kirche. Laut den Ergebnissen hat die Church of England beim Umgang mit einem Serien-Missbrauchstäter versagt. Demnach wusste Welby seit 2013 über den Jahrzehnte langen Missbrauch durch einen Helfer in kirchlichen Jugendcamps Bescheid. Dennoch sei nichts unternommen worden, um zur Aufklärung beizutragen.

Machtdynamiken innerhalb der Kirche

Kritik übte Bischöfin Hartley auch in einer auf der Homepage der Diözese Newcastle veröffentlichten Stellungnahme (online Montag) an einem Brief von Welby und Stephen Cottrell, Erzbischof von York. Diesen hätte sie kurz vor Veröffentlichung des "Makin Reports" erhalten.

Sie schrieb, der Brief deute auf eine umfassende und systemische Funktionsstörung hin, wie die Hierarchie der Kirche von England mit Fragen des Schutzes und insbesondere mit den Auswirkungen von kirchlichem Missbrauch auf Opfer und Überlebende umgegangen sei. Auch weise die Sprache der Erzbischöfe auf einen "völligen Mangel an Bewusstsein hin, wie Machtdynamiken im Leben der Kirche wirken".

Missbrauch in mehr als 100 Fällen

Der "Makin Report" wirft dem 2018 verstorbenen Juristen John Smyth vor, in einem Zeitraum von mehr als 40 Jahren über 100 Kinder und junge Männer sexuell, physisch und psychisch misshandelt zu haben. Vor allem in den 1970er und 1980er Jahren soll er seine Tätigkeit als Helfer in kirchlichen Jugendcamps ausgenutzt haben, um sich den Opfern zu nähern.

"Kirchenverantwortliche wussten von dem Missbrauch und haben es nicht geschafft, weitere Taten zu verhindern", heißt es in dem Bericht unabhängiger Experten. Trotz der Bemühungen etlicher Personen, auf die Übergriffe aufmerksam zu machen, seien die Reaktionen der Church of England wirkungslos gewesen "und liefen auf eine Vertuschung hinaus", lautet das Fazit.

 Welby räumte nach der Veröffentlichung persönliche Versäumnisse ein, lehnte einen Rücktritt aber bisher ab. Seit dem 9. November haben mehr als 11.000 Personen eine Petition für Welbys Rücktritt unterzeichnet. Gestartet hatten diesen drei Mitglieder der Generalsynode – des Kirchenparlaments. (KNA)