Scharfe Kritik an Vorstoß zu Straffreiheit bei Abtreibungen
Ein vor allem von SPD und Grünen auf den Weg gebrachter Vorstoß zur Straffreiheit von Abtreibungen sorgt für deutliche Kritik bei der Union und bei Abtreibungsgegnern. Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) wies das Ansinnen als völlig inakzeptabel zurück. Es handele sich um ein Thema, "das wie kein zweites das Land polarisiert" und "das wie kein zweites geeignet ist, einen völlig unnötigen weiteren gesellschaftspolitischen Großkonflikt in Deutschland auszulösen", sagte Merz am Freitag in Berlin.
Am Donnerstag hatte eine Gruppe von SPD- und Grünen-Abgeordneten einen Gesetzentwurf und einen Antrag vorgelegt, um noch vor den Neuwahlen im Februar eine Änderung der Abtreibungsregeln zu erreichen. Auch aus den Reihen der Gruppe der Linken gibt es Unterstützer. Die Initiatoren sprachen zunächst von 236 Unterzeichnern, hoffen aber auf weitere.
Kern des Vorstoßes ist es, Schwangerschaftsabbrüche aus dem Strafgesetz herauszunehmen. Stattdessen sollen Abbrüche bis zur zwölften Woche, nach einer Vergewaltigung oder aus medizinischen Gründen künftig "rechtmäßig und straffrei" sein und im Schwangerschaftskonfliktgesetz geregelt werden. Eine Beratungspflicht soll bleiben, allerdings ohne die derzeit geltende Wartezeit von drei Tagen. Die Kosten eines Schwangerschaftsabbruchs sollen künftig von der Krankenkasse übernommen werden.
"Brauchen Zeit für dieses Thema"
"Wenn wir über dieses Thema reden, dann brauchen wir dafür Zeit, dann brauchen wir dazu auch Gutachten, was verfassungsrechtlich zulässig ist", sagte CDU-Chef Merz weiter. Er sprach von einer Art Affront gegen die Mehrheit der Bevölkerung, die die Änderung nicht wolle.
Der Oppositionsführer griff auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) persönlich an, da dieser den Vorstoß unterstütze. Er sei "wirklich entsetzt darüber", dass der Kanzler, "der immer wieder vom Zusammenhalt, vom Unterhaken und vom Gemeinsinn spricht", mit auf der Liste stehe. Das sei skandalös. Merz forderte Scholz auf, seine Unterschrift zurückzuziehen. SPD und Grüne sollten das Thema nicht mehr vor der geplanten Neuwahl zur Abstimmung stellen.
Die FDP-Abgeordnete Katrin Helling-Plahr sagte auf Anfrage, sie halte es für unangemessen, dass die Gruppe "dem Bundestag auf den letzten Metern so ein komplexes Thema vor die Füße wirft". Es brauche Raum für die gebotene gesellschaftliche Debatte.
Abtreibungsgegner äußerten ebenfalls scharfe Kritik: "Wer Abtreibung aus dem Strafrecht entfernt, schafft Grundrechte von Kindern ab", sagte die Vorsitzende des Bundesverbands Lebensrecht, Alexandra Linder. Bei etwa 100.000 Abtreibungen im Jahr in Deutschland und mehr als 1.100 gemeldeten Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, könne zudem keine Rede von einem "Versorgungsmangel" sein.
Der Verein Aktion Lebensrecht für Alle kritisierte den Vorstoß als "brandgefährlich". Der Gesetzentwurf "will nicht nur die Tötung von Menschen eines bestimmten Alters rechtmäßig stellen, sondern die Kosten hierfür auch noch der Solidargemeinschaft aufbürden", sagte die Bundesvorsitzende Cornelia Kaminski.
Kommission hatte Neuregelung empfohlen
In Deutschland sind Schwangerschaftsabbrüche laut Paragraf 218 des Strafgesetzbuchs rechtswidrig. Abtreibungen in den ersten zwölf Wochen bleiben aber straffrei, wenn die Frau sich zuvor beraten lässt. Ebenso straffrei bleibt der Eingriff aus medizinischen Gründen oder nach einer Vergewaltigung. Eine von der Bundesregierung eingesetzte Kommission hatte im April Empfehlungen für eine Liberalisierung der Abtreibung vorgelegt und sich dafür ausgesprochen, das entsprechende Gesetz aus dem Strafgesetzbuch zu streichen.
Die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes erklärte, die Abgeordneten des Bundestags hätten "die historische Chance", über "diesen wichtigen und lange überfälligen Schritt für Frauenrechte abzustimmen". Diese Chance dürfe nicht vertan werden. Die Mit-Initiatorin des Vorstoßes, die SPD-Abgeordnete Carmen Wegge, hatte bei der Vorstellung von einem "minimalinvasiven Vorschlag" gesprochen und gesagt: "Wir entkriminalisieren Frauen." (KNA)