Im bayerischen Eslarn wehren sich Anwohner gegen Umbenennung

Missbrauchstäter im Straßennamen – Bürgerentscheid am Sonntag

Veröffentlicht am 23.11.2024 um 12:00 Uhr – Von Christoph Renzikowski (KNA) – Lesedauer: 

München ‐ Im Heimatort eines wegen Kindesmissbrauchs verurteilten Priesters gibt es Widerstand gegen die Umbenennung einer Straße. Am Sonntag entscheiden die Bürger, ob ein entsprechender Gemeinderatsbeschluss gekippt wird.

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Soll ein verurteilter Missbrauchstäter weiter mit einem Straßennamen geehrt werden? Über diese Frage stimmen am Sonntag rund 2.200 Wahlberechtigte in der Oberpfälzer Marktgemeinde Eslarn ab. Angestrengt haben die Abstimmung Anwohner der Straße, die gegen die vom Kommunalparlament beschlossene Umbenennung sind. Dafür konnten sie fast 700 Unterstützer mobilisieren. Die Debatte scheint Eslarn zu spalten. Eine Prognose über den Ausgang wagt nicht einmal der Bürgermeister.

Vonseiten der Anrainer werden vor allem Kosten und Aufwand für das Umschreiben von Adressen geltend gemacht, etwa in Ausweis und Fahrzeugpapieren. Bürgermeister Reiner Gäbl (SPD) hat den etwa 30 Haushalten zugesichert, dass die Marktgemeinde für die notwendigen Änderungen keine Gebühren verlangen werde. Im Prinzip komme auf die Anwohner nichts anderes zu als nach einem Umzug, sagte Gäbl dem "Spiegel" in einem Interview. "Aber im Vergleich dazu, dass sich jemand massiv an Kindern und Jugendlichen vergangen hat, die von ihm abhängig waren, ist das doch nachrangig."

Google Maps: Georg Zimmermannstraße in Eslarn, Bayern
Bild: ©Google Maps - Screenshot

Die Kritiker der Umbenennung bezweifeln indes auch, dass der Namensgeber der Straße nach dem Verbüßen seiner Haft Anfang der 1970er Jahre rückfällig geworden sei. In der Tat gab es seither keine weiteren Fälle, die bei der Justiz aktenkundig wurden. Allerdings liegen dem Betroffenenbeirat im Bistum Regensburg und anderen Stellen Aussagen mehrerer Personen vor, die angeben, dass sich der 1984 verstorbene Geistliche an ihnen vergangen habe - nach der Entlassung aus dem Gefängnis.

QR-Code statt neuer Straßenname?

Die Anrainer der "Georg-Zimmermann-Straße" haben inzwischen vorgeschlagen, die Schilder mit einem QR-Code zu versehen. Dieser würde dann weitere Informationen zum Namensgeber abrufbar machen, auch zu seinen Straftaten. Diese Anregung sei aber nicht Inhalt der Entscheidung am Sonntag, sagt Gäbl. Und er hält sie auch nicht für zielführend. "Für mich geht es nicht an, dass Straßen oder Plätze die Namen von Verbrechern tragen."

Zimmermann stand trotz seiner Verurteilung in seinem Heimatort Eslarn weiter in hohem Ansehen. Seit 1973 verbrachte er dort seinen Ruhestand. Ein Chor und die örtliche Musikschule verdanken sich seiner Gründung. Seit 1993 trägt dort eine Straße seinen Namen.

"Schild macht uns erneut zum Opfer"

Die Gemeinderatsbeschlüsse zur Umbenennung gehen auf eine Initiative des Regensburger Betroffenenbeirats zurück. Dieser präsentierte den Ratsmitgliedern unter anderem Aussagen eines Eslarner Bürgers, der mutmaßlich von Zimmermann missbraucht wurde. Wegen befürchteter Repressalien seitens seiner Mitbürger traue er sich bis heute nicht, namentlich in Erscheinung zu treten, heißt es. Richard Nusser vom Betroffenenbeirat sagte der "Süddeutschen Zeitung": "Dieses Namensschild macht uns zum zweiten Mal zum Opfer."

„Dieses Namensschild macht uns zum zweiten Mal zum Opfer.“

—  Zitat: Richard Nusser, Betroffenenbeirat

Vorvergangenen Dienstag war ein Mitglied des Betroffenenbeirats abermals in Eslarn. Bei einer Veranstaltung der örtlichen SPD sprach der Mann über seine erlittenen Demütigungen. "Es war für ihn eine große Überwindung, alle Anwesenden waren tief beeindruckt und zugleich schockiert", sagte der Bürgermeister im Anschluss der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). "Deshalb wird es am Sonntag weder für die Befürworter noch die Gegner einer Umbenennung einen Erfolg geben. Gewinnen oder verlieren können nur die unzähligen Opfer seelischer und körperlicher Gewalt, nicht nur diejenigen von Georg Zimmermann."

Bistum Regensburg hat sich positioniert

Auch das Bistum Regensburg hat sich klar positioniert. "Solange die Straße den Namen eines verurteilten Sexualstraftäters trägt, werden die durch diesen begangenen Verbrechen verharmlost, während ihm selber eine Ehrung zuteilwird", heißt es in einem Brief der Präventionsbeauftragten des Bistums an den Eslarner Bürgermeister. "Für Betroffene ist es unzumutbar, tagtäglich zu sehen, dass ihr eigenes Leid ignoriert und stattdessen der Täter geehrt wird."

Bistumssprecher Stefan Groß betont: "Niemand kann sich darauf berufen, die Diözese Regensburg würde die Straftaten Zimmermanns relativieren." Das beim Regensburger Rechtsanwalt Ulrich Weber in Auftrag gegebene neue Missbrauchsgutachten werde "mit Sicherheit die Missbrauchstaten von Zimmermann detailgenau aufrollen".

Von Christoph Renzikowski (KNA)