Kirche kritisiert Vergabe der Fußball-WM 2034 an Saudi-Arabien
Die am Mittwoch erfolgte Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft der Männer 2034 an Saudi-Arabien stößt in der katholischen Kirche in Deutschland auf Kritik. Der Präsident des Hilfswerks missio Aachen, Pfarrer Dirk Bingener, bezeichnete die Vergabe des Turniers an das Land am Donnerstag auf Anfrage von katholisch.de als "grobes Foul gegen den weltweiten Einsatz für Menschenrechte".
Besonders enttäuscht zeigte sich Bingener von der Haltung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Einerseits werbe der Verband in teuren Kampagnen für Fairness und Antirassismus, andererseits unterstütze er nun ausdrücklich die Wahl Saudi-Arabiens als Austragungsort für die Weltmeisterschaft. "Das Argument des DFB, dass durch die Vergabe der Blick der Weltöffentlichkeit auf Saudi-Arabien gelenkt werde und damit im Land gesellschaftliche Veränderungen ausgelöst werden könnten, ist schlicht unglaubwürdig", so Bingener. Ähnliches sei schon vor den Turnieren 2018 in Russland und 2022 in Katar behauptet worden. "Im Nachhinein wissen wir aber, dass eine Verbesserung der Menschenrechtslage in diesen Ländern nicht eingetreten ist", betonte der missio-Präsident.
Bingener: Menschenrechte in Saudi-Arabien nur unter Vorbehalt
In Saudi-Arabien gälten Menschenrechte nur unter dem Vorbehalt, dass sie mit der Scharia vereinbar seien. Sämtliche nichtmuslimischen Religionsgemeinschaften wie auch die schiitische Minderheit im Land seien von Diskriminierung, Ausgrenzung und Verfolgung betroffen. Besonders prekär ist nach Ansicht von Bingener zudem die Lage der Arbeitsmigranten, die unter anderem für die großen Bauvorhaben Saudi-Arabiens ins Land geholt würden; von den Bauarbeitern seien bereits mehrere Tausend ums Leben gekommen. "Auch in saudischen Haushalten leiden Migrantinnen und Migranten unter ausbeuterischen Verhältnissen. Sie leben in einer Art moderner Sklaverei. Nein, diese Vergabe der WM an Saudi-Arabien verdient wirklich eine Rote Karte", erklärte Bingener.
Der Fußballweltverband FIFA hatte am Mittwoch die Gastgeber für die Weltmeisterschaften 2030 und 2034 benannt. Das Turnier 2030 wurde an Spanien, Marokko und Portugal sowie für jeweils ein Eröffnungsspiel nach Argentinien, Paraguay und Uruguay vergeben; das Turnier 2034 ging an Saudi-Arabien. Die Vergabe erfolgte für beide Endrunden in einer Online-Abstimmung, auch der DFB stimmte dafür. Es gab jeweils keine Gegenkandidaten. FIFA-Präsident Gianni Infantino sprach während seiner Eröffnungsrede von einer "unglaublichen Botschaft der Einheit", die an eine Welt geschickt werde, in der man das Gefühl habe, es gebe keine Einigkeit mehr. "Wir wollen jetzt Geschichte schreiben, wir wollen die Welt vereinen mit dem Fußball, durch den Fußball", sagte der Schweizer.
Saudi-Arabien wird von Menschenrechtsorganisationen immer wieder kritisiert. Human Rights Watch etwa schrieb zuletzt von "eklatanten Menschenrechtsverletzungen" in dem wahabitischen Königreich. Die FIFA hatte dem Bewerber dagegen nur ein "mittleres" Risiko in Menschenrechtsfragen bescheinigt. Saudi-Arabien versprach in seinen Bewerbungsunterlagen weitreichende Reformen.
Das Hilfswerk "Kirche in Not" verwies gegenüber katholisch.de darauf, dass es die Situation für Andersgläubige in Saudi-Arabien in seinem Religionsfreiheitsbericht 2023 als "besonders Besorgnis erregend" eingestuft habe. "Menschenrechtsstandards werden in Saudi-Arabien im Sinne der Vorschriften der Scharia befolgt", betonte Pressesprecher André Stiefenhofer. Die Menschenrechte, wie sie in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen definiert seien, würden in dem Land "weder anerkannt noch geschützt". Immer wieder komme es in Saudi-Arabien vor, dass Haftstrafen oder Todesurteile im Zusammenhang mit der Religionsfreiheit verhängt würden, obwohl die eigentlichen Vergehen meist im Zusammenhang mit der Gedanken- und Gewissensfreiheit stünden.
„Gerade bei nicht sunnitischen Angeklagten ist häufig eine beschleunigte Urteilsfindung zu beobachten, bei der wenig oder gar keine Zeit für ein freies, faires und transparentes Verfahren bleibt.“
"Gerade bei nicht sunnitischen Angeklagten ist häufig eine beschleunigte Urteilsfindung zu beobachten, bei der wenig oder gar keine Zeit für ein freies, faires und transparentes Verfahren bleibt", kritisierte Stiefenhofer. Daher würden in Saudi-Arabien immer noch jedes Jahr mehrere hundert Menschen aufgrund ihrer Glaubens- und Gewissensüberzeugung hingerichtet. "Ob die Vergabe eines Prestigeevents wie einer FIFA-Weltmeisterschaft in ein solches Land ein positives Zeichen ist, darf zumindest stark angezweifelt werden", sagte der Sprecher des Hilfswerks.
"Kirche in Not": Wachsamkeit der internationalen Gemeinschaft gefragt
Anders als missio-Präsident Bingener wollte Stiefenhofer aber nicht vollständig ausschließen, dass das Turnier dazu beitragen könne, die liberalen Kräfte in Saudi-Arabien zu stärken und eine weitere Liberalisierung im Inneren zu ermöglichen. "Solche Tendenzen gibt es: So müssen die Mitglieder der Religionspolizei beispielsweise seit 2016 offizielle Ausweise bei sich tragen, und ihre Kompetenzen wurden durch einen königlichen Erlass drastisch eingeschränkt. Sowohl Muslime als auch Nicht-Muslime berichten seitdem über einen Rückgang von Drangsalierungen und Razzien." Andererseits gingen solche Reformen ausschließlich vom Königshaus aus und könnten somit auch jederzeit wieder rückgängig gemacht werden. Schon die Verfasstheit des Staates mache daher wenig Hoffnung auf einen grundlegenden Wandel.
Auch Stiefenhofer verwies zudem auf die prekäre Lage der Arbeitsmigranten in Saudi-Arabien. "Von den 15 geplanten Stadien müssen 8 komplett neu gebaut werden, vier befinden sich bereits im Bau, drei werden renoviert. Die Erfahrung im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Qatar zeigt, dass internationales Hinschauen in Hinblick auf die oft prekären Arbeitsbedingungen unbedingt nötig ist, um menschenwürdiges Arbeiten sicherzustellen." Eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen werde nur durch erheblichen Druck von Seiten der Weltöffentlichkeit eintreten. "Diesen Druck hat zumindest die FIFA im Umfeld der Vergabe in keiner Weise aufgebaut. Hier ist daher nun im Nachgang die Wachsamkeit der internationalen Gemeinschaft gefragt", mahnte der Sprecher. (stz)