Zankapfel der Religionen
Das zeigte sich zuletzt am vergangenen Wochenende, als sich die Jerusalemer Polizei Zugang zur dortigen Al-Aksa-Moschee verschaffte. Das kommt nur sehr selten vor und ist äußerst heikel – schließlich ist die Polizei Repräsentant des jüdischen Staates. Doch aus dem Inneren der Moschee hatten Dutzende Randalierer Steine, Feuerwerkskörper und andere Wurfobjekte auf die Ordnungskräfte geworfen. Polizeisprecher Micky Rosenfeld betonte nach der Aktion, es sei nur darum gegangen die Türen zu schließen. "Wir haben nicht das Innere gestürmt", erklärte er.
Nur Muslime dürfen am Tempelberg beten
Es war wohl eine programmierter Konflikt: Die Muslime hatten schon die Nacht in der Moschee verbracht und sich dort auf eine Konfrontation mit der israelischen Polizei am Morgen vorbereitet, wie Rosenfeld und palästinensische Medien übereinstimmend berichteten. Denn ultraorthodoxe Juden hatten für Sonntag einen Protestmarsch auf den Tempelberg angekündigt, um dort zu beten. Das ist derzeit aber nur Muslimen offiziell erlaubt. Anlass für die Aktion der Juden war der Fast- und Trauertag "Tischa Be'Av", der an die Zerstörung der Jerusalemer Tempel erinnert.
Am Tempelberg sollen der Überlieferung nach gleich zwei jüdische Tempel gestanden haben. Der sogenannte Erste Tempel geht laut der Bibel auf König Salomo zurück. Er war das Zentrum des Glaubenslebens und stellte laut dem Tübinger Alttestamentler Oliver Dyma für die Gläubigen auch das symbolische Zentrum der Welt da, das die irdische und himmlische Sphäre miteinander verband. "Umso tiefer war die Erschütterung, als 586 vor Christus die Neubabylonier Jerusalem eroberten, die Oberschicht ins Exil deportierten und den Tempel zerstörten", so Dyma.
Später errichteten die Juden nach dem babylonischen Exil an derselben Stelle einen zweiten Tempel, der sich zur Zeit Herodes des Großen zu einem großen Pilgerziel entwickelte. Er wurde jedoch im Jahr 70 nach Christus durch die Römer zerstört - für die Juden eine Katastrophe. Die heutige Klagemauer ist übrigens der Überrest der ehemaligen Tempelmauern.
Nach der Eroberung Jerusalems durch die Muslime im 7. Jahrhundert wurde der Tempelberg auch für sie zu einem heiligen Ort. Im Islam wird der Hügel als Haram el-Scharif (Edles Heiligtum) bezeichnet. Nach islamischer Überlieferung ritt der Prophet Mohammed von dort aus mit seinem Pferd in den Himmel. An der Stelle steht heute der Felsendom, mit dessen Bau im Jahr 687 begonnen wurde. Die goldene Kuppel ist ein bekanntes Wahrzeichen Jerusalems. Zusammen mit der benachbarten Al-Aksa-Moschee ist der Felsendom nach Mekka und Medina eines der wichtigsten islamischen Heiligtümer.
Jude nach Islam-Verunglimpfung festgenommen
In Jerusalem ist am Montag ein jüdischer Jugendlicher unter dem Vorwurf antimuslimischer Hetze auf dem Tempelberg festgenommen worden. Laut israelischen Medien hatte er am Sonntag Muslime an einem der Zugangstore zur Al-Aksa-Moschee und zum Felsendom verhöhnt und den Propheten Mohammed ein Schwein genannt. Den Angaben zufolge wurde der Jugendliche am Montagmorgen an der Klagemauer in Polizeigewahrsam genommen und befragt. Bereits vergangene Woche war eine 20-jährige Jüdin festgenommen worden, die bei Auseinandersetzungen auf dem Tempelberg Mohammed als Schwein verunglimpft hatte. (KNA)Wiederholt blutige Auseinandersetzungen
Aus Sicht der Christen ist der Berg vor allem als Schauplatz von Ereignissen aus dem Leben Jesu wichtig. Schon im frühen Christentum suchten immer wieder christliche Pilger die Stätten auf. Als Beispiel nennt Oliver Dyma Helena, die Mutter Kaiser Konstantins, die den Ort im 4. Jahrhundert besuchte. Bedeutsam für die Christen sei in Jerusalem jedoch vor allem der Ort der Grablege Jesu. Deswegen habe für die christlichen Konfessionen die Grabeskirche letztlich eine größere Bedeutung als der Tempelberg.
So sind es vor allem Muslime und Juden, die hier immer wieder zusammenstoßen. Offiziell untersteht der Tempelberg heute der islamischen Wakf-Stiftung. Jüdische Organisationen versuchen, auch für Juden das Recht, dort zu beten, durchzusetzen. Muslime dagegen empfinden den Besuch von Juden auf dem Tempelberg als Provokation. Der Besuch des früheren israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharons auf dem Tempelberg im September 2000 löste die Zweite Intifada aus. Wiederholt kam es zu blutigen Zusammenstößen zwischen Palästinensern und israelischen Sicherheitskräften. (mit Material von KNA und dpa)