Der unerschrockene McElroy ist die Stimme von Franziskus in den USA

Der neue Erzbischof von Washington könnte Trump die Leviten lesen

Veröffentlicht am 08.01.2025 um 00:01 Uhr – Von Thomas Spang (KNA) – Lesedauer: 

Washington, D.C. ‐ Mit der Berufung des 70-jährigen Kardinals Robert McElroy zum neuen Erzbischof von Washington setzt Papst Franziskus ein Zeichen. Der progressive Kirchenmann profilierte sich bereits während Trumps erster Amtszeit.

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Während viele seiner Amtsbrüder schwiegen, erhob der Bischof von San Diego laut seine Stimme. 2017, als US-Präsident Donald Trump massenhaft Einwanderer ohne Papiere abschieben wollte, sagte Robert McElroy: "Wir müssen jene stören, die Flüchtlinge als Feinde darstellen statt als unsere Brüder und Schwestern in großer Not." In seinem damaligen Bistum an der Grenze zu Mexiko betraf und betrifft das Thema besonders viele Menschen aus dem Süden. Nun wirkt der 2022 von Papst Franziskus zum Kardinal erhobene Kleriker als neuer Erzbischof von Washington in direkter Nachbarschaft zum Weißen Haus, wo in wenigen Tagen Trumps zweite Amtszeit beginnt.

Als promovierter Historiker und Politologe mit Abschlüssen aus Stanford und Harvard verfügt McElroy über eine für Kirchenleute außergewöhnliche akademische Qualifikation. Nach Ansicht des Kolumnisten Michael Sean Winters vom Magazin "National Catholic Reporter" zählt der Kardinal damit zu den wenigen in der US-Kirche, die die komplexe Beziehung zwischen Politik und Theologie durchdrungen haben. Er sei "der einzige Bischof in Amerika, der tief über die Schnittmenge von öffentlichem Leben und katholischer Theologie nachgedacht hat".

Stimme für gesellschaftliches Engagement

McElroy gilt als einer der profiliertesten Verbündeten von Franziskus im konservativ geprägten US-Episkopat. Mit seiner Ernennung hat der Papst ein mutiges Sprachrohr gefunden. McElroy steht nicht nur für eine pastorale Vision, sondern auch für gesellschaftliches Engagement – ohne dabei ein Blatt vor den Mund zu nehmen.

Papst Franziskus und Robert Walter McElroy
Bild: ©KNA/CNS photo/Paul Haring (Archivbild)

Papst Franziskus erhob Robert Walter McElroy 2022 zum Kardinal – eine ungewöhnliche Ehre für den Bischof von San Diego: Noch nie zuvor hatte die Diözese im Süden Kaliforniens einen Kardinal als Diözesanbischof.

Der neue Erzbischof der Hauptstadtdiözese übernimmt sein Amt vom 77-jährigen Kardinal Wilton Gregory, der 2019 als erster Afroamerikaner an der Spitze des Erzbistums Geschichte schrieb. Gregory fiel die schwierige Aufgabe zu, jene Wunden zu heilen, die der Missbrauchsskandal um seinen Vorgänger Theodore McCarrick hinterlassen hat.

McElroy als Gegengewicht

In der Berufung McElroys erkennen viele Analysten auch eine Antwort des Papstes auf die Entsendung seines langjährigen Kritikers Brian Burch als US-Botschafter in den Vatikan – sowie als Korrektiv des zum Katholizismus übergetretenen Vizepräsidenten JD Vance, der ebenfalls zu den Erzkonservativen zählt. Während dieser kein Problem mit Trumps Anti-Einwanderungspolitik hat, steht McElroy für einen an den Bedürfnissen der Menschen orientierten Kurs.

"McElroy ist die beste Wahl für den Job in der Hauptstadt", urteilt der Jesuit Tom Reese im Gespräch mit dem "Religion News Service". Der Kardinal sei brillant, wortgewandt und ein klarer Unterstützer von Franziskus. "Er teilt dessen Überzeugung, dass die Kirche auf der Seite der Armen und Ausgegrenzten stehen muss."

Besonders deutlich wird McElroys Position in der Abtreibungsdebatte. Während viele seiner Amtsbrüder das Thema zum alles überragenden moralischen Thema erheben, argumentiert er differenzierter. "Abtreibung ist nur einer von mehreren kritischen Punkten der katholischen Morallehre", schrieb er 2023 in einem viel beachteten Essay für das "America Magazine". Als konservative Bischöfe Amtsinhaber Joe Biden wegen seiner Position zu Abtreibung vom Empfang der Kommunion ausschließen wollten, stellte sich McElroy entschieden dagegen.

Sexualität ist nicht alles

Der künftige Erzbischof von Washington setzt sich auch für die "radikale Inklusion" von Frauen und sexuellen Minderheiten (LGBTQ) ins kirchliche Leben ein. "Die Tradition, alle sexuellen Handlungen außerhalb der Ehe als schwere Sünde zu betrachten, hat dazu geführt, dass sich das christliche moralische Leben unverhältnismäßig stark auf sexuelle Aspekte konzentriert", kritisierte er einmal.

Mit seiner Haltung hat sich McElroy nicht nur Freunde gemacht. Ein US-Amtsbruder ging so weit, den Kardinal öffentlich der Häresie zu bezichtigen. Der künftige Erzbischof wird sich aber wohl weder innerkirchlich noch politisch einschüchtern lassen. Er warnt davor, dass das "Gift des Tribalismus" von der Politik auf die Kirche überzugreifen drohe.

Seine Mission für die neue Aufgabe sieht er in etwas anderem. Angesichts der von Trump angekündigten größten Massenabschiebungen in der Geschichte der USA will er klar und unerschrocken die Position der Kirche vertreten. "Der Erzbischof der Hauptstadt hat die Möglichkeit, katholische Prinzipien in die nationale Debatte einzubringen, wie es nur wenige andere können", analysiert Vatikan-Beraterin Kim Daniels in der "Washington Post". Mit McElroy habe Papst Franziskus dafür einen wortmächtigen Anwalt gefunden.

Von Thomas Spang (KNA)