Theologen uneins über Brandmauer-Debatte und Kirchenintervention
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Der umstrittene Unions-Vorstoß in Sachen Migration spaltet auch die katholischen Theologinnen und Theologen. Während Sozialethikerin Ursula Nothelle-Wildfeuer im von Union und AfD gemeinsam verabschiedeten Antrag für einen härteren Kurs in Sachen Migration einen "Einsturz der ethischen Brandmauer unserer Demokratie" erkennt, halten manche ihrer Kollegen das Sprechen von einer Brandmauer generell für nicht hilfreich.
Nothelle-Wildfeuer schrieb am Donnerstag im Internetportal "kirche-und-leben.de", sie sei "ausgesprochen dankbar" für die "pointierte und klare 'Gemeinsame Stellungnahme' der Büros der katholischen und evangelischen Kirche in Berlin". Diese eindeutige Positionierung für Humanität und Zusammenhalt in der Gesellschaft seien die Kirchen "eben dieser Gesellschaft aus ihrer christlichen Verantwortung heraus schuldig". Die Distanzierung einzelner Bischöfe von der Erklärung ist aus ihrer Sicht umso ärgerlicher. Denn: "Was zählt dann noch die einstimmig beschlossene Erklärung der Deutschen Bischöfe zur Unvereinbarkeit von völkischem Nationalismus und Christentum vom Februar 2024?"
Die Professorin für Christliche Gesellschaftslehre an der Universität Freiburg betonte, es sei Populismus, das Dilemma zwischen Humanität und Sicherheit einseitig zur Seite der Sicherheit hin auflösen zu wollen. Bei Sicherheitsüberlegungen müsse das "Fundament der Humanität" auf jeden Fall bewahrt bleiben: "Humanität bedeutet Menschenwürde für jeden Menschen, unabhängig von seiner Hautfarbe, seiner Religion, seiner Herkunft und seinem Geschlecht."
Warnung vor unterkomplexen Bedrohungsszenarien
Theologe Thomas Söding schrieb in einem Beitrag für die katholische Zeitschrift "Communio", die katholische Kirche dürfe sich nicht wegducken, wenn in der Öffentlichkeit Themen diskutiert würden, die Menschen bewegen. Er warnte davor, komplexen Situationen mit allzu einfachen Antworten zu begegnen und unterkomplexe allgemeine Bedrohungsszenarien zu entwerfen. Es brauche auch Grenzkontrollen, schrieb Söding weiter: "Aber die Pointe der Nächstenliebe besteht darin, keinen Menschen allein aufgrund seiner Herkunft zurückzuweisen." Sie bestehe nicht darin, keine Grenzen zu ziehen, "aber darin, ein Grenzregime zu treiben, das die Interessen der einheimischen Bevölkerung mit internationaler Solidarität vermittelt", so der Bochumer Theologe.
Der Moraltheologe und Sozialwissenschaftler Peter Schallenberg lehnte dagegen am Freitag im Magazin "Cicero" das "Beschwören einer Brandmauer" generell ab. In seinem Gastbeitrag verglich er die Demokratie mit dem Mathematik- oder Musikunterricht: "Davon, dass auch Rechtsextreme für den Satz des Pythagoras oder die Schönheit der Mozartsymphonien stimmen, wird beides nicht falsch. Man würde sich höchstens verständigere Befürworter wünschen." Doch Demokratie sei eben kein "feingeistiges Wunschkonzert und keine ziselierte Mathematikklausur der gymnasialen Oberstufe", so Schallenberg weiter.
Auch der Sozialethiker Elmar Nass hatte die Vorstöße der Union gegen die Kritik verteidigt. Das Asylrecht dürfe zwar nicht ausgehöhlt werden, sagte er dem Kölner katholischen Portal "domradio.de", doch "solche Diskussionen und auch kontroversen Vorschläge gehören zu einer funktionierenden Demokratie dazu. Wer das unterbinden möchte, schadet der Demokratie." (KNA)