Koalitionsverhandlungen gestartet: Das wünschen sich Kirchenvertreter
Seit Donnerstag verhandeln CDU, CSU und SPD über die Bildung einer Koalition im Bund. Erste inhaltlich Pflöcke hatten die drei Parteien bereits im gemeinsamen Sondierungspapier vor einer Woche eingeschlagen – und doch wird mit Spannung erwartet, auf was sich Schwarz-Rot am Ende konkret inhaltlich einigen wird. Zum Auftakt der Koalitionsverhandlungen hat katholisch.de katholische Hilfswerke und Verbände nach ihren Erwartungen an die Verhandlungen gefragt. Welche Aufgaben sind aus Sicht der befragten Institutionen besonders dringlich? Was würden sie sich von der mutmaßlich künftigen Koalition wünschen? Und wo sehen Sie No-Gos?
Bund der Deutschen Katholischen Jugend
Junge Menschen bewegt nach Aussage des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) vor allem die Frage, wie eine gerechte Gesellschaft für alle Menschen verwirklicht werden kann. Dies zeige sich im Einsatz gegen Diskriminierung, aber auch im Eintreten für internationale Solidarität und für wirksame Antworten auf die Klimakrise. "Es ist wichtig, dass diese Themen auch von der neuen Bundesregierung als Prioritäten erkannt werden und die Regierung grundsätzlich erkennt, dass es wichtig ist, auf die Anliegen und Perspektiven junger Menschen zu hören und sie ernsthaft in der eigenen Politik zu berücksichtigen", sagt die BDKJ-Bundesvorsitzende Lena Bloemacher.
Zugleich ahnt sie, dass das unter Schwarz-Rot schwierig werden könnte: "Wir wissen, dass wahrscheinlich viele Themen, die uns wichtig sind, nur geringe Chancen haben, in den kommenden Jahren umgesetzt zu werden." Dennoch werde der Jugendverband sich weiter dafür einsetzen, dass Kinderrechte explizit ins Grundgesetz aufgenommen werden und auch, dass das Wahlalter bei der Bundestagswahl abgesenkt wird. "Auch ist es unverzichtbar, dass Jugendverbandsarbeit, aber auch andere Formen der Demokratiebildung und des ehrenamtlichen Engagements sowie Bildung allgemein auskömmlich finanziert werden", betont Bloemacher. Darüber hinaus brauche es Investitionen, die sowohl zu mehr Klimaschutz als auch zu mehr sozialer Gerechtigkeit beitrügen.
Sehr besorgt ist der BDKJ über die Debatte um ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr. Es könne keine Lösung sein, junge Menschen zu einem Dienst zu zwingen. "Wir setzen uns stattdessen dafür ein, die bestehenden Freiwilligendienste auskömmlich zu finanzieren und für sie zu werben." Auch sei es falsch, wichtige Themen gegeneinander auszuspielen: "Es braucht soziale Gerechtigkeit, mehr Klimaschutz und mehr Ausgaben für unsere Sicherheit." Die Abwägungen rund um die Finanzierung dürften nicht zu einer gesellschaftlichen Spaltung führen und erst recht nicht genutzt werden, unterschiedliche Teile der Gesellschaft gegeneinander aufzubringen, so Bloemacher.
Bund Katholischer Unternehmer
Aus Sicht des Bundes Katholischer Unternehmer (BKU) müssen Union und SPD bei ihren Verhandlungen vor allem einen "klaren Kurswechsel" hin zu besseren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den Blick nehmen. "Dafür braucht es – neben einer Flexibilisierung der Arbeitszeit – einen entschiedenen Bürokratieabbau", sagt Öffentlichkeitsreferent Marco Fetke. Bevor es in Deutschland wieder zu dem dringend nötigen Wirtschaftswachstum kommen könne, müssten erst einmal grundsätzliche Probleme angegangen werden.
Ebenso betont der BKU die Bedeutung eines migrationspolitischen Umdenkens: "Arbeitsmigration muss von irregulärer Migration getrennt werden, Rückführungen müssen künftig genauso schnell vorgenommen werden können wie die Eingliederung ausländischer Arbeitskräfte in den Arbeitsmarkt." Schließlich sieht der Verband großen Reformbedarf bei den Sozialversicherungen, deren Umlagefinanzierung generationengerecht gestaltet werden müsse, sowie mit Blick auf grundsätzliche Reformen in der Bau-, Energie-, Gesundheits- und Entwicklungspolitik.
Trotz des großen Investitionsbedarfs in Verteidigung und Infrastruktur dürfen nach Ansicht des BKU jedoch keine Schulden in Milliardenhöhe auf Kosten der nachfolgenden Generationen aufgenommen werden. Stattdessen müssten im Sinne der Solidarität und Subsidiarität bestehende Staatsausgaben effizient gestaltet und neue Staatsausgaben begrenzt werden. "Wenn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen besser werden, steigt auch die private Investitionsbereitschaft wieder", ist der Verband überzeugt. Darüber hinaus müssten die mutmaßlich künftigen Koalitionspartner Kompromissbereitschaft an den Tag legen: die SPD mit Blick auf Wirtschaft und Migration, die CDU mit Blick auf die Sozialpartnerschaft.
Einen Mangel an Entschlossenheit in der Wirtschafts- und Migrationspolitik kann sich die künftige Regierung nach Ansicht des BKU genauso wenig leisten wie eine weitere Schwächung des gesellschaftlichen Zusammenhalts durch verschärfte soziale Unsicherheiten, die jedoch durch eine Stärkung der Sozialpartnerschaft und Tarifbindung eingedämmt werden könnten.
„Eine familienorientierte Politik, die das Wohl von Kindern und Eltern in den Mittelpunkt stellt, stärkt nachhaltig Familien.“
Familienbund der Katholiken
Aus Sicht des Familienbundes der Katholiken sollten Union und SPD vor allem eine familiengerechte Politik anstreben. "Dies gilt vor allem im Bereich der Sozial- und Steuerpolitik. Eine familienorientierte Politik, die das Wohl von Kindern und Eltern in den Mittelpunkt stellt, stärkt nachhaltig Familien", erklärt der Verband. Dafür würden in Zeiten knapper Kassen Maßnahmen benötigt, die zielgenau, effizient und gerecht seien. "Die Verbesserung des Kinderzuschlags, der im Sondierungspapier erwähnt wird, ist eine solche Maßnahme. Sie verhindert Armut und fördert Arbeit. Eine Reform, die gezielt Familien stärkt, die für wenig Geld arbeiten gehen."
Außerdem brauche es ein Steuersystem, das Familien im unteren und mittleren Einkommensbereich entlaste und im oberen Bereich stärker belaste. Dies würde "einen fairen Ausgleich schaffen und damit zu mehr Steuergerechtigkeit beitragen", ist der Familienbund überzeugt. Wichtig sei zudem, dass das Kinderexistenzminimum, das nach dem Grundgesetz steuerfrei bleiben müsse, realistischer berechnet und angehoben werde.
Große Sorgen mit Blick auf die kommenden Generationen bereitet dem Verband die im Raum stehende "massive Neuverschuldung". Es müsse deshalb gewährleistet sein, dass die geplanten Sondervermögen ausschließlich für Investitionen verwendet würden, die sich für die kommenden Generationen auszahlten. "Notwendig ist eine Strategie für die effiziente Mittelverwendung", mahnt der Familienbund, der in diesem Zusammenhang insbesondere eine Stärkung des Bildungssystems für unverzichtbar hält.
Als schädlich sieht der Verband die mögliche Abschaffung oder Reduzierung familienpolitischer Leistungen wie des Elterngeldes. "Das Elterngeld hat sich als effiziente Leistung erwiesen, die dafür sorgt, dass sich mehr Paare für Kinder entscheiden." Es sei eine Investition in die Zukunft. Mit Blick auf das Sondierungspapier enttäuschend findet der Familienbund zudem, dass die Parteien beim Thema Rente bislang keine Lösung für die sich verschärfende Finanzierungsproblematik angeboten hätten. "Erforderlich wäre eine grundlegende Reform, damit die Rente zuverlässig vor Altersarmut schützt und die Lasten unter allen Generationen fair verteilt."
Katholische Arbeitnehmer-Bewegung
Die Ergebnisse der Bundestagswahl sind nach Ansicht der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) mit Blick auf das Erstarken demokratiefeindlicher, rechtspopulistischer und rechtsextremer Kräfte "erschütternd". Der Verband fordert die demokratischen Parteien deshalb in einem Anfang März gefassten Beschluss auf, "Verantwortung zu übernehmen und sicherzustellen, dass Demokratie handlungsfähig bleibt und die anstehenden Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft gelingen können". Die Entscheidungsträger der Parteien müssten sich ihrer Verpflichtung gegenüber den Bürgern bewusst sein, die Herausforderungen der globalen Lage für die Schöpfung und der bröckelnden Sicherheit durch eine regelbasierte Weltordnung zu meistern.
In dem Beschluss mit dem Titel "Für Menschenwürde und soziale Gerechtigkeit" formuliert die KAB sechs Aufgabenfelder, denen sich die künftige Bundesregierung ihrer Ansicht nach widmen sollte. Dazu zählen die Sicherstellung menschenwürdiger Arbeit, die Weiterentwicklung der sozialen Sicherung und der Klimaschutz. Zu letzterem heißt es in dem KAB-Papier: "Maßnahmen zum Klimaschutz sind unumgänglich, wenn das Überleben aller Menschen auf unserem Planeten sichergestellt werden soll. Produktions- und Dienstleistungsprozesse müssen so schnell wie möglich klimaneutral werden. Dekarbonisierung muss Orientierungs- und Zielpunkt für Wirtschaft, Verkehr, Bau und Konsum werden." Der soziale Ausgleich müsse zudem von vornherein mitentwickelt werden, um alle Menschen einzubeziehen. Hierzu könne zum Beispiel ein Klimageld einen wirksamen Beitrag leisten, indem es die Lasten fair verteile und gerade für diejenigen einen finanziellen Ausgleich schaffe, die durch Klimaschutzmaßnahmen und den CO2-Preisanstieg besonders belastet würden.
Mit Blick auf die Bildung fordert die Arbeitnehmer-Bewegung bundesweite Standards und höhere Investitionen, das föderale Schulsystem müsse reformiert und an die Zukunftsherausforderungen angepasst werden. Zudem spricht sich der Verband unter der Überschrift "Demokratie entwickeln" für eine Förderung zivilgesellschaftlicher Organisationen aus, da diese für eine lebendige Demokratie notwendig seien. Dies kann als klare Abgrenzung zu der umstrittenen Kleinen Anfrage der Union im Bundestag zur Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen gelesen werden.

Die Katholische Landvolkbewegung fordert, dass die geplanten großen Investitionen in die Infrastruktur mit Blick auf ihren Beitrag zum Klimaschutz geplant und realisiert werden müssen.
Katholische Landvolkbewegung
Aus Sicht der Katholischen Landvolkbewegung (KLB) darf die künftige Bundesregierung auf dem Weg einer gerechten sozial-ökologischen Transformation nicht nachlassen. "Der Klimawandel und der Verlust der Biodiversität gefährden das Leben und den Frieden auf dieser Erde stärker als wir uns vorstellen können", sagt die KLB-Bundesgeschäftsführerin Bettina Locklair. Beim Blick in das vorliegende schwarz-rote Sondierungspapier wird ihre diesbezügliche Erwartung an die Politik jedoch getrübt: "Auch wenn in den Sondierungsvereinbarungen der Begriff Klimaschutz genannt wird, so scheint der Fokus auf Wirtschaftswachstum um jeden Preis zu liegen."
Die KLB fordert, dass die geplanten großen Investitionen etwa in die Infrastruktur mit Blick auf die Nachhaltigkeit der Investitionen und ihren Beitrag zum Klimaschutz geplant und realisiert werden müssen. "Dies muss ausdrücklich in den Koalitionsvertrag hinein", so Locklair. Auch die Betonung der Autowirtschaft greife zu kurz. "Wir benötigen eine Mobilitätswende und nicht nur emissionsarme Antriebe. Die Menschen müssen in die Lage versetzt und ermutigt werden, ihr Verhalten nachhaltig zu verändern."
Insgesamt fehlt aus Sicht der KLB bei Schwarz-Rot zudem bislang der Blick auf den ländlichen Raum, die Infrastruktur dort und die Menschen, die dort leben. "Die Stärkung der ländlichen Räume ist auch mit Blick auf die Stärkung der Demokratie eine wesentliche Aufgabe der zukünftigen Regierung", mahnt der Verband.
Ebenso bemängelt die KLB, dass die Transformation der Landwirtschaft bislang kaum Thema gewesen sei. "Die im Wahlkampf versprochene Planungssicherheit für Landwirte bedeutet auch, dass nun nicht alle Regelungen rückgängig gemacht werden." Man brauche eine Agrarpolitik, die neben der Nahrungsmittelproduktion auch die Leistungen der Landwirte für die Gesellschaft und den Umweltschutz entsprechend honoriere, so Locklair, die zudem noch eine grundsätzliche "Warnung" an Union und SPD ausspricht: Diese sollten die Koalitionsverhandlungen auf keinen Fall platzen lassen, da es "eine lachende Dritte" gäbe, die nur darauf warte, die demokratischen Parteien "zu jagen".
Kolpingwerk Deutschland
Angesichts der großen innen- und weltpolitischen Herausforderungen sieht das Kolpingwerk Deutschland die Notwendigkeit, schnell für stabile Verhältnisse zu sorgen. "Insofern begrüßen wir den ambitionierten Zeitplan für die Koalitionsverhandlungen", erklärt der Sozialverband. Ebenso unterstütze man die Breitschaft, jetzt finanzielle Mittel bereitzustellen, um die lange vernachlässigten und dringend erforderlichen Investitionen in die Infrastruktur sowie die großen Aufgaben im Bereich der Verteidigung schnellstmöglich anzugehen.
Dazu sei jedoch eine Verfassungsänderung erforderlich, für die man die Grünen brauche, die man im Wahlkampf aus den Reihen der Union noch heftig angefeindet habe. Das Kolpingwerk hofft dennoch, dass die Grünen ihrer Verantwortung gerecht werden und ihren Einfluss gleichzeitig dazu nutzen, "um zu verhindern, dass die neue Koalition zivilgesellschaftliche Initiativen angreift, die sich für eine höhere Wahlbeteiligung und gegen die AfD engagiert haben". Darüber hinaus solle sich die Partei dafür einsetzen, dass wirtschaftliche Belebungsmaßnahmen nicht auf Kosten der vereinbarten Klimaschutzziele sowie der Verpflichtungen zu Menschenrechten und Nachhaltigkeit entlang der Lieferketten gingen.
"Die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft hängt entscheidend von einer familiengerechten Politik und verlässlichen sozialen Sicherungssystemen ab", mahnt das Kolpingwerk. Familien übernähmen die Verantwortung für eine nächste Generation, die gut ausgebildet, motiviert und engagiert sein solle. Dafür müssten die politischen Rahmenbedingungen so gestaltet sein, dass die Vereinbarkeit von Erziehung, Erwerbsarbeit und Partnerschaft gefördert werde. Zudem sollte die Armutsprävention nach Ansicht des Verbands stärker in den Fokus rücken und chancengerechte Bildung in allen Altersstufen besser abgesichert werden. Um Auszubildende und Unternehmen besser zusammenzubringen, sollten außerdem die Mobilität von Azubis durch den Ausbau von Mobilitätspauschalen gefördert sowie Förderungsbeschränkungen für das sozialpädagogisch begleitete Azubi- und Jugendwohnen abgebaut werden.
Für eine "zukunftsfähige und generationengerechte Gesellschaft" braucht es nach Ansicht des Kolpingwerks schließlich eine tiefgreifende Reform des gesetzlichen Rentensystems. Diese sollte eine steuerfinanzierte Absicherung gegen Altersarmut gewährleisten und das Renteneintrittsalter an die steigende durchschnittliche Lebenserwartung koppeln – bei mindestens 25 Beitragsjahren. "Ebenso notwendig ist eine Dynamisierung der Bundeszuschüsse zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung, um den Anstieg der Zusatzbeiträge zu dämpfen."
„Es geht offensichtlich um nichts anderes als Macht, Geld und Egoismen.“
Misereor
Das Entwicklungshilfswerk Misereor kritisiert, dass das am vergangenen Wochenende veröffentlichte Sondierungspapier von Union und SPD das gleiche Bild zeigt wie die viele Fernsehformate im zurückliegenden Wahlkampf: "Die Welt jenseits von Deutschland oder Europa kommt fast nicht vor. Und selbst bei einem Thema wie Migration, das die Schlagzeilen und Interviews im Wahlkampf dominierte, wird nicht über die Situation in den Ländern gesprochen, die die Menschen verlassen."
Dabei sehe man eine Krise der internationalen Weltordnung, mahnt das Hilfswerk. "Die globalen Anstrengungen im Kampf gegen die Klimakrise und den Hunger stehen an einem Scheideweg. Wenn Europa die regelbasierte Ordnung und die Menschenrechte nicht verteidigt, dann macht es niemand." Wenn man die Welt jenseits der eigenen Grenzen nicht im Blick behalte, werden man an Einfluss verlieren und Autokratien würden gestärkt. Von der wahrscheinlichen künftigen Koalition erwartet Misereor daher ein "starkes Bekenntnis" für die internationale Kooperation und den Willen, in der Welt präsent zu sein, Rechte zu verteidigen und international für eine zukunftsfähige Welt zu kämpfen.
"Nicht passieren darf trotz aller berechtigten innenpolitischen Baustellen eine Nabelschau und ein Rückzug aus der internationalen Kooperation – gerade jetzt, wo andere Lücken reißen, braucht es uns", mahnt das Hilfswerk. Wenn Deutschland und Europa neben der Sicherheitspolitik jetzt nicht auch Außenpolitik, Humanitäres und Entwicklung stärkten und offensiv gestalteten, gefährde das auf mittlere Sicht "unsere Zukunft, unsere Einflussmöglichkeit und unsere Werte und Interessen".
Verband der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung
Als einziger der von katholisch.de angefragten Hilfswerke und Verbände formuliert der Verband der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung (KKV) keine direkten inhaltlichen Forderungen an Union und SPD. Stattdessen äußert der KKV-Bundesvorsitzende seine Enttäuschung über die Debatten und Absprachen seit der Bundestagswahl am 23. Februar. "Es ist gerade einmal etwas mehr als zwei Wochen her, dass sich im Angesicht des Bundestagswahlergebnisses Politik, Meinungsgestalter und Medien einig waren, dass dieses Resultat die 'letzte Chance' für die Parteien der demokratischen Mitte darstellt, unser Land vor einer Mehrheit durch zum Teil demokratiefeindliche und radikalisierte Parteien und Politiker zu verhindern." Umso bitterer sei für ihn die Einsicht, dass Parteien, Politiker, Medien, Lobbyisten sowie gesellschaftliche Verbände und Repräsentanten schon heute wieder in alte Denk- und Verhaltensmuster verfallen seien. "Es geht offensichtlich um nichts anderes als Macht, Geld und Egoismen", so Ridders.
Die anstehenden Entscheidungen im "alten" Bundestag, die Koalitionsverhandlungen und die anschließende Regierung dürfen seiner Ansicht nach nur einen Fokus haben: "Durch Demut, Vernunft, Ehrlichkeit, Wahrhaftigkeit und Bescheidenheit wieder das Vertrauen der Mehrheit des Souveräns – also der Wählerinnen und Wähler – zu gewinnen, um unsere Demokratie langfristig zu sichern und zu stärken." Alle Beteiligten müssten sich der "Staatsraison zum Schutz unserer Demokratie" unterordnen, fordert Ridders. Deshalb sei es für ihn in den Koalitionsverhandlungen nicht wichtig, wer wie viel Geld und Macht wofür bekomme, "sondern ob es allen Verantwortlichen – Parteien, Politik, Medien und Gesellschaft – gelingt, ihre Egoismen zurückzunehmen und in einem gemeinsamen Kraftakt die Mehrheit der Menschen langfristig von der Demokratie zu überzeugen." Als Christ habe er die Hoffnung, dass das gelingen könne. "Als politisch denkender Mensch fehlt mir leider der Glaube dazu, dass die Einsicht schon so groß ist."