Secret Service im Vatikan
Seit Juni stehen dort aber auch einige extrem breit und hoch gebaute Männer mit Bürstenhaarschnitt – in einem Stil, wie er in Italien nicht üblich ist. Es sind US-Amerikaner, Mitglieder des United States Secret Service, kurz: USSS – also Personenschützer des US-Präsidenten und seiner Staatsgäste wie etwa Papst Franziskus. Das enthüllte vor kurzem die italienische Tageszeitung "Corriere della sera". Die USSS-Männer haben die Aufgabe, so will die Zeitung erfahren haben, das Verhalten von Papst Franziskus auch im Alltag zu studieren.
Ein Verhalten, das für einen Papst ganz und gar ungewöhnlich ist, sagt Sandro Magister, Vatikanexperte beim Wochenmagazin "L'Espresso". Franziskus sei schon "ein außergewöhnlicher Typ". "Sein Verhalten ist anders als das seiner Vorgänger. Er verhält sich von Moment zu Moment, ist unvorhersehbar und verblüfft damit sehr", so Magister.
"Jeder Besuch dieses Papstes erfordert viel Aufwand"
Dass Franziskus sich nicht immer ans protokollarische Prozedere hält, davon kann auch Domenico Giani ein Lied singen. Immer wieder unterbreche der Papst festgelegte Programme oder füge Programmpunkte im letzten Moment hinzu, sagt der Chef der vatikanischen Polizei, die auch Gendarmeria Vaticana genannt wird. Seine Mitarbeiter seien darauf nur selten vorbereitet, so Giani. "Jeder Besuch dieses Papstes erfordert viel Aufwand, vor allem in der konkreten operativen Phase. Nicht nur für uns von der Gendarmerie, sondern für alle beteiligten Sicherheitskräfte." Der Papst konzentriere viele Termine auf nur wenige Stunden, was für ihn wie für die Polizisten anstrengend sei.
Mit wem sie es da zu tun haben, das studieren nun auch die Amerikaner vor Ort. Mit einem Papst nämlich, der sich nichts vorschreiben lässt. Ein Grauen für Sicherheitsbeamte. Auch für Joseph Clancy, den US-Präsident Barack Obama im vergangenen Februar zum neuen Chef des United States Secret Service ernannt hat – und der, sicherlich nicht zufällig, im Juli mehrere Woche in Rom war.
Sein Besuch fügt sich ins Bild jener Medienberichte, wonach die US-Reise des Papstes im September zusammen mit den amerikanischen Personenschützern vorbereitet wird. Thomas Rosica ist Ordensmann, Kanadier und Mitarbeiter des vatikanischen Presseamtes. Er sagt, dass man es mit hoch spezialisierten Sicherheitsleuten zu tun habe, die ihn ständig begleiten und beobachten. "Sie passen sich seinen Bewegungen an und werden ihr Bestes tun, um in allen Situationen richtig zu reagieren."
Schweizer Garde außerhalb des Vatikans nicht zuständig
Die Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Secret Service geht offenbar auf Gendamerie-Chef Giani zurück. Denn seine Einheit - und nicht die Schweizergarde - ist während päpstlicher Visiten außerhalb des Kirchenstaates für die Sicherheit des Papstes verantwortlich. Giani war Mitglied des italienischen Geheimdienstes SISDE, bevor er in den Vatikan, sozusagen ins Ausland, wechselte. Dort organisierte er die Gendarmerie neu und wurde 2006 deren Generalinspekteur. In nur sechs Jahren brachte er alle Sicherheitseinheiten des Vatikans unter seine Kontrolle: den päpstlichen Zivilschutz, die Feuerwehr und die Gendarmerie. Er arbeitet eng mit den Spezialeinheiten der italienischen Carabinieri zusammen – und wahrscheinlich auch, denn die Beziehungen wird er nicht aufgegeben haben, mit dem italienischen Geheimdienst.
Giani ist es auch zu verdanken, dass die vatikanische Gendarmerie das internationale Protokoll zur Strafverfolgung von Interpol unterzeichnet hat. Unter seiner Führung wurde zudem eine so genannte Anti-Sabotage-Einheit sowie die "Gruppo Intervento Rapido", die "Schnelle Eingreiftruppe", gegründet. Sie ist als Untergruppe der päpstlichen Gendarmerie für nicht näher definierte Sondereinsätze zum Schutz des Papstes zuständig.
Wenn der Papst mit seinem Papa Mobil durch die Straßen einer Stadt fährt und ihm tausende von Menschen zujubeln, kommen die gesamten Sicherheitskräfte der Gendarmerie zum Einsatz, um mögliche Attentate zu verhindern. Um die vatikanische Sicherheitspolitik zu optimieren, hat der Gendarmerie-Chef in den Kellern des Papstpalastes auch ein hochmodernes Computerzentrum eingerichtet, in dem es möglich ist, Festnetz- und Mobil-Telefone im Vatikan abzuhören und Internetverbindungen zu kontrollieren. Ob auch dies auf einer Zusammenarbeit mit amerikanischen Sicherheitsbehörden basiert, ist nicht bekannt.
Der Artikel erscheint mit freundlicher Genehmigung der Sendung "Tag für Tag" des Deutschlandfunks.