Caritas-Präsident Neher über die Situation der Flüchtlinge in Deutschland

"Wir müssen uns das leisten"

Veröffentlicht am 19.08.2015 um 15:44 Uhr – Lesedauer: 
Flüchtlinge

Bonn ‐ Der Präsident des Deutschen Caritasverbandes, Peter Neher, fordert die Politik auf, größere Anstrengungen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise aufzubringen. "Es muss mehr getan werden, um die Flüchtlingsunterbringung besser zu regeln", sagte Neher am Mittwoch.

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"Das muss flankiert werden von sozialen Maßnahmen, zum Beispiel in der Trauma-Verarbeitung. Die vielen Pfarrgemeinden, die sich engagieren, benötigen mehr Unterstützung. Voraussetzung ist ein höheres finanzielles Engagement des Bundes zugunsten von Ländern und Kommunen", so Neher weiter. Die bisherigen Bemühungen auf europäischer Ebene nannte Neher unzureichend. "Wenn ich mir die Lage im Mittelmeerraum oder aktuell in Mazedonien ansehe, kann man schon von Versagen sprechen."

„Es kann nicht sein, dass einige Länder keinerlei Bereitschaft erkennen lassen, Flüchtlinge aufzunehmen.“

—  Zitat: Peter Neher über die europäische Flüchtlingspolitik

Neher halte es für "unerträglich, dass die europäischen Länder in der Flüchtlingskrise nicht in der Lage sind, zu gemeinsamen Strategien zu kommen. Es kann nicht sein, dass einige Länder keinerlei Bereitschaft erkennen lassen, Flüchtlinge aufzunehmen."

Auch wenn die Zahlen inzwischen eine bisher nicht vorstellbare Dimension erreicht hätten, sei Deutschland in der Lage, das Problem zu schultern, betonte der Caritas-Präsident. "Wir können uns das leisten, wir müssen uns das leisten." Man müsse aber auch die Fluchtursachen klar benennen: In Syrien und dem Irak gebe es im Moment keine Perspektive auf einen schnellen Frieden. Für die wirtschaftlichen Probleme und die Armut in den Balkan-Ländern aber sei das deutsche Asylrecht keine Lösung.

Neher gegen Ungleichbehandlung von Balkan-Flüchtlingen

Die Leistungen für Balkanflüchtlinge zu kürzen, hält Neher nicht für zielführend. "Abschreckungsmaßnahmen werden uns in der jetzigen Situation nicht weiterhelfen." In Deutschland habe es schon einmal Asylbewerber-Leistungen deutlich unter Sozialhilfe-Niveau gegeben.

Das Bundesverfassungsgericht habe dies 2012 als grundgesetzwidrig eingestuft. Ähnlich äußerte sich der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki am Mittwoch im "Kölner Stadt-Anzeiger". Es sei ein abwegiger Gedanke, sogenannte Armutsflüchtlinge schlechter stellen zu wollen. Woelki und Neher informieren sich derzeit in Albanien und dem Kosovo über die Lage der Menschen vor Ort.

Linktipp: Woelki für konsequente Abschiebungen

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki hat sich für eine schnelle Abschiebung von Flüchtlingen aus Balkanstaaten ausgesprochen. Das Asylrecht müsse angesichts vieler Armutsflüchtlinge vor Missbrauch geschützt werden.

Forderungen nach mehr Geld vom Bund

Angesichts der stark steigenden Flüchtlingszahlen forderte auch die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl vom Bund, zusätzliche Kosten für die Versorgung der Flüchtlinge zu übernehmen. Das sagte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Auch die Kommunen erwarten zusätzliche Hilfe des Bundes in Milliardenhöhe. Die Präsidentin des Deutschen Städtetages, die Ludwigshafener Oberbürgermeisterin Eva Lohse (CDU), forderte am Mittwoch in Berlin die rasche Umsetzung der Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels vom Juni. Dazu gehöre die Zusage des Bundes, sich ab 2016 dauerhaft an den Kosten zu beteiligen.

Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) erwartet für das laufende Jahr bis zu 800.000 Asylbewerber und Flüchtlinge in Deutschland. Das sagte der Minister am Mittwoch in Berlin bei der Vorstellung der jüngsten Prognose des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Bislang ging das BAMF von 450.000 Asylsuchenden für 2015 aus.

Til Schweiger streitet mit CSU-Politiker

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer wurde am Dienstagabend in der ARD-Sendung "Menschen bei Maischberger" heftig von Schauspieler Til Schweiger kritisiert. "Sie gehen mir auf den Sack, echt", sagte Schweiger zu dem Politiker. Dieser hatte Schweigers Vorschlag, den Solidaritätszuschlag zur Finanzierung von Flüchtlingsunterkünften zu nutzen, als "albern" bezeichnet.

In der Sendung diskutierten die Gäste zum Thema Flüchtlinge. Schweiger hatte sich dazu in den vergangenen Wochen mehrfach zu Wort gemeldet und angekündigt, ein "Vorzeige-Flüchtlingsheim" in Osterode am Harz errichten zu wollen.

Linktipp: Vielfältiges Engagement

Die Themen "Flucht" und "Asyl" sind in unserer Gesellschaft allgegenwärtig. Die Deutsche Bischofskonferenz hat nun ein Internetdossier "Flüchtlingshilfe" eingerichtet: Dort können sich Leser über das Engagement der Bistürmer und Hilfswerke informieren.

Auf Scheuers Nachfrage, wann die geplante Einrichtung an den Start gehe, reagierte Schweiger gereizt. "Ich find' das so geil, Ihren süffisanten Blick, weil Sie mich jetzt vorführen wollen", sagte er.

Da sich die Verhandlungen zwischen dem Besitzer der ehemaligen Kaserne in Niedersachsen und dem Land noch hinziehen werden, dauere es noch etwas, bis er seinen Plan in die Tat umsetzen könne, erklärte Schweiger.

Schweiger hilft in niedersächsischer Einrichtung

Mit einer Stiftung, die der Schauspieler gründen möchte, will der 51-Jährige in der Zwischenzeit ein anderes Flüchtlingsheim unterstützen. "Um nicht untätig rumzusitzen, gehe ich mit meiner Stiftung nach Osnabrück", kündigte er an. Wie das niedersächsische Innenministerium am Mittwoch mitteilte, werde Schweigers Stiftung sich dort in einer Erstaufnahmeeinrichtung des Landes engagieren. Aus einem Gespräch des Schauspielers mit Innenminister Boris Pistorius (SPD) sei als erste Idee die Einrichtung einer Fahrradwerkstatt, eines WLAN-Netzwerks sowie von Sport- und Freizeiteinrichtungen hervorgegangen. (kim/dpa/KNA)

17:27 Uhr: Aktualisiert um die offizielle Äußerung von Bundesminister de Maizière zu den erwarteten Asylzahlen.

Die Realität sieht anders aus

Vorurteile helfen nicht. Wir schon. Mach auch mit. - Katholisch.de erzählt die Geschichte einer Flüchtlingsfamilie, widerlegt Vorurteile und zeigt auf, wo Kirche sich engagiert.