Kritik an "ausgrenzender Identitätspolitik"

Preis für Bischof Barron befremdet Münsteraner Theologie-Fakultät

Veröffentlicht am 21.07.2025 um 13:51 Uhr – Lesedauer: 

Münster ‐ Die geplante Preisverleihung an Bischof Robert Barron sorgt weiter für Protest: Mit scharfen Worten weisen die Münsteraner Theologie-Professoren Positionen des Bischofs zurück – an ihrer Fakultät wollen sie für eine andere Art Theologie einstehen.

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Die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Münster kritisiert die Verleihung des Josef-Pieper-Preises an den US-amerikanischen Bischof Robert Barron. Die Entscheidung der Josef-Pieper-Stiftung nehme sie "mit Befremden" zur Kenntnis, teilte die Fakultät am Montag mit. "Wir verstehen katholische Theologie auf der Grundlage des Zweiten Vatikanischen Konzils, das den christlichen Glauben in seiner geschichtlichen Dynamik ausgelegt hat." Die Deutung des Katholizismus, für die der Preisträger stehe, sende andere Signale: "Bischof Barron kooperiert mit religiös-politischen Netzwerken, die autokratische politische Kräfte in den USA, in Europa und darüber hinaus ideologisch unterstützen."

Katholische Theologie muss sich nach der Auffassung der Münsteraner Professorinnen und Professoren daran messen lassen, "wie sie die Geschichte und die von dramatischen Gewaltkonflikten zerrissene politische Gegenwart begleitet". Der Gott Jesu Christi stehe an der Seite der Leidenden und trete für die Befreiung der Armen ein. "Das Bekenntnis zu diesem Gott verpflichtet auf eine Weltdeutung und auf ein Ethos, die die Würde jedes Menschen als Geschöpf Gottes achten – ungeachtet von Herkunft, Geschlecht und sozialem Status", so die Erklärung weiter.

Das Schloss in Münster dient der Westfälischen Wilhelms-Universität als Hauptgebäude.
Bild: ©Blickfang/Fotolia.com (Archivbild)

Das Schloss in Münster dient der Westfälischen Wilhelms-Universität als Hauptgebäude.

Die von Barron vertretene Deutung des Katholizismus sende dagegen andere Signale: "Unter dem Vorzeichen, eine zeitenthobene religiöse Wahrheit zu verteidigen, nimmt sie 'das Katholische' für eine ausgrenzende Identitätspolitik in Anspruch, die ideologische Spaltungen verschärft und Menschen ausgrenzt, die nicht ins Bild passen, z.B. queere Menschen und Migrant:innen. Vermeintlich rein religiös interessiert, reiht sie sich in eine weltweit erstarkende Strömung ein, die Religion und Theologie benutzt, um die Welt in Freund und Feind einzuteilen."

Breite Kritik aus Wissenschaft und Verbänden

Das gemeinsame Statement der Fakultät ergänzen sechs Professorinnen und Professoren mit eigenen Stellungnahmen aus der Perspektive ihres Fachs. Die Sozialethikerin Marianne Heimbach-Steins wirft Barron vor, "mindestens billigend" in Kauf zu nehmen, "einem Mann die Ehre zu geben, der seine religiöse Autorität und seine internationale Popularität als Stimme des rechten Katholizismus nutzt, um eine Politik zu stützen, die Wahrhaftigkeit und Fairness systematisch außer Kraft setzt, im Namen der MAGA-Ideologie gezielt Ausgrenzung jeglicher 'Anderen' und eine Spaltung der Gesellschaft betreibt, die Herrschaft des Rechts und die universale Geltung der Menschenrechte mit Füßen tritt".

Die Ostkirchenkundlerin Regina Elsner sieht einen destruktiven Einfluss rechtskonservativer Netzwerke, mit denen Barron kooperiere, auf die Kirchen und Gesellschaften Osteuropas. Die von ihm vertretene Haltung zur Ökumene aus einer Perspektive der Überlegenheit der katholischen Kirche widerspreche den Paradigmen katholischer ökumenischer Theologie im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils.

Die Sozialethikerin Marianne Heimbach-Steins
Bild: ©katholisch.de/fxn (Archivbild)

Die Sozialethikerin Marianne Heimbach-Steins ist Professorin für christliche Sozialwissenschaften an der Uni Münster. In einem eigenen Statement kritisiert sie Barrons Theologie scharf.

"Bischof Barron hält enge Verbindung zu Vertretern von Positionen, die die Grundstrukturen eines freien demokratischen Staates für die USA umdeuten", betont die Moraltheologin Monika Bobbert. "Solche Positionen akzeptieren die tragenden nationalen und internationalen Rechtsstrukturen nicht und unterscheiden zwischen 'berechtigten' und 'nicht berechtigten' Menschen." Das sei moralisch nicht vertretbar und stehe in eklatantem Gegensatz zur Demokratiekampagne des Bistums Münster und zur Positionierung der deutschen Bischöfe gegen völkischen Nationalismus.

Mit ihrer Erklärung reiht sich die Münsteraner Fakultät in eine wachsende Zahl von Kritikern an der für den Sonntag geplanten Preisverleihung ein. Ende Mai hatte das Diözesankomitee Münster, die Vertretung der katholischen Laien, sich gegen die Auszeichnung gewandt. Barron habe sich mehrfach queerfeindlich geäußert und befürworte die Politik des US-Präsidenten Donald Trump gegen Transmenschen, begründete das Diözesankomitee seine Position. Anfang Juli bezeichnete der Diözesanverband Münster des Bundes der deutschen katholischen Jugend (BDKJ) Positionen des Bischofs als im Widerspruch zu demokratischen Werten und dem christlichen Selbstverständnis. Mehrere Verbände kündigten eine Mahnwache am Sonntag parallel zur Preisverleihung an.

Zustimmung zur Preisverleihung äußerte der Wiener Alttestamentler Ludger Schwienhorst-Schönberger. In einem Beitrag für die Zeitschrift "Communio" würdigte er die Entscheidung der Josef-Pieper-Stiftnung als "kluge und mutige Entscheidung", die Hoffnung gebe, "dass der Theologie und Kirche in Deutschland und Österreich 'noch nicht aller Tage Abend' ist". Für Schwienhorst-Schönberger zeige Barron, "dass entgegen einer in Kirchenkreisen verbreiteten Ansicht der christliche Glaube nicht dann an Attraktivität gewinnt, wenn er den Scheinplausibilitäten einer sich selbst in bunter Vielfalt inszenierenden postmodernen Lebenswelt hinterherläuft, sondern wenn er sich aus seinen eigenen Quellen heraus erneuert, diese durchdenkt und sie verständlich und klar in ästhetisch ansprechender Form zur Sprache bringt".

Bereits im März hatte der Direktor der Münsteraner Akademie Franz-Hitze-Haus die dort geplante Tagung mit Barron verteidigt: "In einer gesellschaftlich hoch polarisierten Zeit muss es Orte geben, an denen wir die Spannung und auch den Konflikt zwischen sehr unterschiedlichen Positionen und ihren Argumenten aushalten, uns in diesen Spannungen bewegen, sie nicht wegschieben." (fxn)

22. Juli 2025: Ergänzt um Schwienhorst-Schönberger.