Österreichischer Priester hat besonderes Prädikat entwickelt

Queer-Seelsorger: Wer schwarz-weiß denkt, sieht nie den Regenbogen

Veröffentlicht am 25.08.2025 um 00:01 Uhr – Von Christoph Paul Hartmann – Lesedauer: 

Linz ‐ Rechtsruck und weniger Unterstützung: Was sich gerade in Gesellschaft und Politik tut, macht queeren Menschen Angst, sagt Queer-Seelsorger Franz Harant. Er hat aber weiter Hoffnung auf Fortschritte in der Kirche – und ruft Verbündete zum Handeln auf.

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Der Rechtsruck in der Gesellschaft, weniger Unterstützung und ein neuer Papst: Queere Menschen haben es nicht einfach in der Gesellschaft – und auch in der Kirche werden die Herausforderungen nicht weniger. Wie ist da gerade der Stand der Dinge? Der Priester Franz Harant ist Leiter der Regenbogenpastoral Österreich und hat das Prädikat "akzeptierend und offen" ins Leben gerufen, durch das sich katholische Institutionen und Pfarreien zu einer offenen Haltung bekennen können. Im Interview spricht er über langsame Fortschritte, aber auch Angst.

Frage: Herr Harant, seit zweieinhalb Jahren gibt es das Prädikat "akzeptierend und offen" in Österreich. Wie hat sich die Kirche dadurch verändert?

Harant: Wir haben mit dem a+o Prädikat einen Prozess angestoßen, dass sich Pfarren und Organisationen selbstverpflichtend um eine queersensible Pastoral bemühen. Einige wenige Pfarren und vor allem Jugendorganisationen haben die Möglichkeit genutzt, mit dem Prädikat die offene Haltung, die sie haben und realisieren, zu zeigen. Jene Pfarren und Organisationen, die sich auf den Informations- und Lernprozess sowie die Selbstverpflichtung, akzeptierend und offen zu sein, eingelassen haben, treten damit auch entschiedener und selbstbewusster auf. Ich weiß auch von Pfarren und kirchlichen Organisationen, die zumindest begonnen haben, sich mit Queerness, mit sexuellen Orientierungen und unterschiedlichen geschlechtlichen Identitäten auseinanderzusetzen, einen Gesprächsprozess anzustoßen und damit Anstoß zu erregen. Dabei sind die Stimmen dafür und die Stimmen dagegen deutlicher und vernehmbarer geworden. Durch das a+o Prädikat ist zumindest ein wenig mehr sichtbar geworden, dass LGBTIQ*Menschen nicht nur in der Kirche sind, sondern dass sie als Getaufte und Glaubende Kirche sind und dass sie in der Kirche ihre spirituelle Beheimatung haben. Sie sind als Geschwister im Glauben da, um zu bleiben.

Frage: Im vergangenen Jahr haben Sie auf eine "Sickerwirkung" einiger weniger Pfarreien und Diözesen für das ganze Land gehofft. Im vergangenen Jahr sind allerdings nur wenig mehr als zehn Pfarreien und zehn Organisationen hinzugekommen. Woran fehlt es noch?

Harant: Bislang ist die Zahl klein geblieben. Wir vertrauen aber immer noch auf die Sickerwirkung. In Österreich sagt man: "Gut Ding braucht Weile." Es bräuchte zudem auch die vernehmbare Stimme der Kirchenleitung. Bislang hat sich kein Bischof zum a+o Prädikat öffentlich geäußert. Ich habe den Eindruck, sie beobachten noch, manche auch wohlwollend.

Frage: In den Diözesen Eisenstadt und St. Pölten gibt es noch keine mit dem Prädikat ausgezeichnete Stelle. Dort sollten queere Menschen also besser fortziehen?

Harant: Niemand sollte sich vertreiben lassen oder freiwillig die Heimat verlassen. Es gibt regional unterschiedliche Geschwindigkeiten im Aufnehmen und Umsetzen von Neuem.

Frage: Sperren sich Teile der Kirche bewusst gegen das Zugehen auf alle Menschen?

Harant: Ja, es gibt Menschen, die dagegen sind, dass queere Lebensrealitäten zur Sprache kommen oder gar konkret sichtbar werden. Sie anerkennen zum Beispiel nicht, dass es zwischen den beiden Polen männlich und weiblich eine stufenlose Vielfalt gibt. Wer nur schwarz-weiß denkt, wird nie einen Regenbogen sehen können und auch nicht sehen wollen. Menschen, die LGBTIQ*Personen ablehnen, sind meist verunsichert, weil sie deren Lebenswirklichkeiten nicht kennen. Was man nicht kennt, das macht Angst. Und aus Angst wird abgelehnt bis bekämpft.

Bild: ©picture alliance/Zoonar/Berit Kessler/ROPI/Antonio Pisacreta/Montage: katholisch.de

Das Lehramt der Kirche hat mit Queerness schon lange Probleme.

Frage: Gab es auch Anfragen aus anderen Ländern, die das Konzept des Prädikats übernehmen wollen?

Harant: Es gibt in Deutschland eine Arbeitsgruppe, der ich angehöre, die ein solches oder ähnliches Prädikat überlegt.

Frage: Im vergangenen Jahr hat sich für Minderheiten viel geändert: Durch den Wahlsieg von Donald Trump in den USA, durch einen Rechtsruck in Europa. Wird das auch für queere Menschen in der Kirche spürbar?

Harant: Was sich weltweit und in Europa in Gesellschaft und Politik tut, das macht Angst. Ich hoffe, dass trotzdem immer mehr queere Menschen sich sichtbar machen beziehungsweise sichtbar bleiben.

Frage: Lange herrschte die trügerische Hoffnung vor, dass die Menschen immer akzeptierender werden würden. Dem scheint nicht so zu sein. Wie beobachten Sie das?

Harant: Ja, so ist es. Ich habe keine Lösung.

Frage: Was hören Sie von Menschen an der Basis?

Harant: Manche Menschen sind erstaunt, dass sich Kirche für LGBTIQ*Menschen engagiert. Es wird inzwischen "normaler", über Queerness zu reden.

Frage: Erleben Sie Kritik und Anfeindungen, weil Sie das Zertifikat eingeführt haben?

Harant: Mich erreichen vereinzelt E-Mails und Telefonanrufe mit verletzender Wortwahl. Ich reagiere nicht darauf.

Der Katechismus der Katholischen Kirche
Bild: ©katholisch.de/fxn

"Seit der Formulierung der Aussagen zur Homosexualität im Katechismus in den 1980er-Jahren hat die Kirche schon dazugelernt", sagt Franz Harant.

Frage: Was können Engagierte in dieser Situation tun?

Harant: Das Wichtigste ist: Haltung haben und Haltung zeigen. Die Solidarität von Verbündeten zeigt sich nicht nur durch die Teilnahme an Prides und das Aushängen von Regenbogenflaggen an öffentlichen, kirchlichen und privaten Häusern. Es braucht das selbstverständliche alltägliche Eintreten für LGBTIQ*Menschen. Eine nonbinäre Person hat mir gesagt: Wir brauchen euch Allyies.

Frage: Erwarten Sie sich Impulse von Papst Leo XIV.?

Harant: Ich erwarte mir, dass Papst Leo XIV. einerseits nichts zurücknimmt, was unter seinem Vorgänger möglich wurde, wie zum Beispiel die Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren, und dass er andererseits den Erkenntnissen der Humanwissenschaften mehr Gewicht verleiht. Die Weiterentwicklung und Aktualisierung aller bisherigen lehramtlichen Aussagen zu Sexualität stehen an. Die heutigen theologischen und humanwissenschaftlichen Erkenntnisse sind zu berücksichtigen. Die Lebensrealitäten von Trans* und Inter*Personen sind in den Blick zu nehmen.

Frage: Es geht Ihnen also auch um den Katechismus?

Harant: Seit der Formulierung der Aussagen zur Homosexualität im Katechismus in den 1980er-Jahren hat die Kirche schon dazugelernt. Wo der Katechismus der Anerkennung von queeren Lebensrealitäten im Wege steht, muss er neu geschrieben werden. Dabei muss die Expertise des gelebten Lebens von LGBTIQ*Menschen beachtet werden. Ich hoffe, dass Papst Leo XIV. das Klima für LGBTIQ*Menschen, das sein Vorgänger geschaffen hat, weiter schützt. Der neue Papst wird seine Zugänge und Ansprechpersonen finden müssen. Er soll sich denen nicht verschließen, die auch mit ihm das Gespräch suchen beziehungsweise den mit seinem Vorgänger aufgenommenen Diskurs weiterführen wollen. Die "respektvolle Begleitung" nicht nur von homosexuellen, sondern von allen LGBTI*Personen soll noch stärker als pastoraler Auftrag im Rahmen einer queersensiblen Regenbogenpastoral weltweit forciert und unterstützt werden.

Frage: Ändern Sie nun Ihre Strategie?

Harant: Wir gehen den Weg geduldig weiter, denn das bisher Erreichte ist immer noch erst ein Anfang. "Erfolg vor Triumpf" erfordert ein Dranbleiben und den kontinuierlichen Weg der kleinen Schritte, bis es in Kirche und Gesellschaft normal ist, verschieden zu sein.

Von Christoph Paul Hartmann