Papst Leo XIV. enttäuscht deutsche Reformer mit Interviewaussagen
Nach dem ersten großen Interview von Papst Leo XIV. haben liberale deutsche Katholiken enttäuscht reagiert. Ein Sprecher der Initiative "Out in Church" sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA): "Sofern sich die katholische Sexuallehre nicht ändert, sind nicht heterosexuelle Menschen oder Menschen, die nicht dem binären Geschlechtermodell entsprechen, in dieser Kirche nicht willkommen." Eine Kirche, die "als Haus allen Menschen offen steht", sei damit weiterhin nicht Realität. Die Initiative beanstandete zudem, dass der Papst LGBTQ-Themen als polarisierend bezeichnet und die traditionelle Familie aus Vater, Mutter und Kindern hervorgehoben habe. Dies zeige, "wo die Reise in den nächsten Jahren hingehen wird". Trotz der Enttäuschung wolle man sich weiter für Reformen einsetzen: "Wir fordern weiterhin eine neue Hausordnung für diese Kirche, weil es hier um nicht weniger geht als um die Einhaltung und Umsetzung der Menschenrechte." Man werde die Kirche nicht "den konservativen oder gar rückwärtsgewandten Kräften überlassen".
Deutlich widersprach "Out in Church" der päpstlichen Aussage, es sei "wichtig, Menschen zu akzeptieren, die anders sind als wir, und zu akzeptieren, dass sie in ihrem Leben Entscheidungen getroffen haben, und dass wir sie respektieren". Niemand entscheide sich für seine sexuelle Orientierung, so die Initiative. Eine solche Äußerung entspreche nicht den Erkenntnissen der Humanwissenschaften. – "Out in Church" setzt sich für die Belange sexueller Minderheiten in der katholischen Kirche ein. Als queer bezeichnen sich Menschen, die nicht heterosexuell sind oder deren geschlechtliche Identität nicht den gängigen gesellschaftlichen Rollenbildern entspricht. Die größte Gruppe darunter sind Menschen mit gleichgeschlechtlicher Orientierung.
Ulrike Göken-Huismann, stellvertretende Bundesvorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd), sagte der KNA am Freitag, die kfd lasse sich "durch die aktuellen Moment-Aussagen von Papst Leo" nicht irritieren: Die kfd setze große Hoffnung darauf, dass das Schlussdokument der Weltsynode Leos Kompass sei. "Darin heißt es: 'Darüber hinaus bleibt die Frage des Zugangs von Frauen zum diakonischen Amt offen und der entsprechende Unterscheidungsprozess muss fortgesetzt werden.'" Man werde im Engagement für die Zulassung der Frauen zu allen sakramentalen Diensten und Ämtern nicht nachlassen, erklärte Göken-Huismann. Die kfd fordere die konsequente Umsetzung der Beschlüsse des synodalen Weges und setze sich weiter mit aller Kraft für Reformen in der Kirche ein. "Denn wir sind der festen Überzeugung, dass eine wirkliche Erneuerung der Kirche Jesu Christi nur gelingt, wenn Frauen alle Dienste und Ämter in der Kirche offenstehen", erklärte die stellvertretende kfd-Bundesvorsitzende.
"Äußerst enttäuschende" Aussagen
Die Bewegung "Wir sind Kirche" sprach am Freitag von "äußerst enttäuschenden" Aussagen des Papstes. Das gelte für viele Menschen und nicht nur in Westeuropa, sagte ein Sprecher der KNA. Die Rede von der traditionellen Familie entspreche "nicht der menschlichen Lebenswirklichkeit". Leo tappe in die Falle, das Christsein von der Sexualmoral abhängig zu machen, so der Sprecher weiter. Dies sei ein Kurs, "den vor allem auch konservative Strömungen und evangelikale Kirchen verfestigen wollen". Das führe zur Ausgrenzung von Menschen – auch wenn der Papst beteuere, die Kirche sei für alle offen. Die Kirchenaktivisten forderten, dass "Bischöfe, Theologinnen und Theologen sowie die Gläubigen, die sich jahrelang intensiv und argumentativ beim Synodalen Weg in Deutschland mit diesen existenziellen Fragen der kirchlichen Gemeinschaftsbildung befasst haben", weiterhin zu ihren Positionen stehen und diese weiterentwickeln.
Der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller sagte am Freitag der KNA: "Für den Synodalen Weg in Deutschland sind nach den Aussagen des Papstes viele Beschlüsse zum Beispiel zur Sexualmoral und zur Weihe von Frauen Makulatur." Mit seinen Äußerungen zur Sexualmoral und zu Segnungen queerer Katholiken bleibe Leo auf der Position des Katechismus. Das gelte auch für andere Reformthemen wie die Zulassung von Frauen zu den Weihen, so Schüller. "In seinem Pontifikat wird es keine signifikanten Änderungen der katholischen Lehre geben." Frauen dürften daher nicht auf Leo XIV. hoffen. Sie blieben auf dem Platz, "den ihnen Papst Leo als Platzanweiser und Mann zuweist".
Papst Leo XIV. hatte sich in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview zur bestehenden kirchlichen Sexualmoral bekannt und gesagt, dass es mit ihm keine Änderung der Lehre geben werde. Ritualisierte Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare lehne er ab, persönliche, nicht-ritualisierte Segnungen seien jedoch möglich. Darüber hinaus stellte er die Stärkung der traditionellen Familie in den Mittelpunkt und kritisierte eine zu starke Fixierung westlicher Gesellschaften auf Fragen der sexuellen Identität. Wie sein Vorgänger Franziskus erklärte er, alle Menschen in der Kirche willkommen zu heißen. Auch zur Frage nach der Weihe von Frauen äußerte sich der im Mai gewählte Papst. Er wolle Frauen in kirchliche Spitzenfunktionen befördern – eine Weihe von Diakoninnen lehne er jedoch derzeit ab. Er habe auch hier nicht die Absicht, die Lehre der Kirche zu ändern. (tmg/KNA)
