Vom Islam zum Katholizismus konvertiert – Ein Paar berichtet
Das Ehepaar Azar und Omid (die hier unter Pseudonym sprechen) stammt aus dem Iran. Durch den Kontakt des Mannes mit dem Christentum kommen beide in Bedrängnis. Heute leben sie in Deutschland. Wie kommt man zum Christentum – und wie sehen beide heute den Islam? Darüber spricht das Paar im Interview.
Frage: Omid, wie kommt man im Iran in Kontakt mit dem Christentum?
Omid: Durch die Demonstrationen gegen das Regime dort. Ich habe daran 2007 teilgenommen und das hat auch in meinem Kopf einiges in Gang gebracht: Wie es dazu kommen konnte und warum es dieses theokratische Regime überhaupt gibt. Die Mullahs im Iran sind skrupellos und da habe ich mich gefragt, wie das denn alles zusammenpasst mit einer Religion, die doch den Frieden leben soll. Ich habe also angefangen, Bücher über den Islam zu lesen. In dieser Zeit habe ich mich über diese Themen auch mit einem Freund unterhalten, der Christ ist. Daraufhin hat er mir eine Bibel gegeben. Als ich darin gelesen habe, habe ich viel gefunden, das zu meiner Meinung und meinen Einstellungen passt. Also habe ich mich darüber weiter informiert und darüber nachgedacht. Das war der Anfang meines Weges.
Frage: Es war also ein politischer Impuls.
Omid: Ja genau. Mit den Mullahs hatte ich schon immer Probleme. Aber im Iran sagen ganz viele: Mullah ist Mullah, der Islam ist ganz anders. Ich habe einige islamkritische Bücher gelesen – die sind hier natürlich verboten, aber im Internet findet man sowas – und bin zu dem Schluss gekommen, dass der Islam durchaus eine Wurzel für ein Regime wie jenes im Iran sein kann. Das hat mit meiner Einstellung zum Islam viel gemacht.
Frage: Wie war es denn bei Ihnen, Azar?
Azar: Ich bin wie so viele andere Iranerinnen muslimisch aufgewachsen mit all den Ritualen, die dazu gehören. Als ich angefangen habe, zu studieren, ist mir immer mehr klar geworden, dass ich damit nichts anfangen kann. Ich wollte keine Muslimin mehr sein, eigentlich wollte ich mit keiner Religion mehr etwas zu tun haben. Deshalb wollte ich, als sich mein Mann damit beschäftigt hat, auch gar nicht viel darüber wissen. Ich hatte schlicht keine guten Erfahrungen mit Religion.
Frage: Omid, Sie sind irgendwann zu dem Punkt gekommen, dass Sie Christ werden wollten. Wie ging es dann im Iran weiter?
Omid: Eine Taufe ist im Iran nicht möglich: Übertritte vom Islam sind verboten – und die Christen vor Ort können auch keine Taufen durchführen. Ich war also in einem Stadium, dass ich an Jesus Christus glaubte und mit Freunden gebetet habe, aber offiziell noch Muslim war. Unsere Wohnung haben wir mit anderen Christen als Hauskirche genutzt. Das ist natürlich alles verboten – und wir haben Probleme bekommen.
Mehr als 99 Prozent der Menschen im Iran sind Muslime.
Frage: Inwiefern?
Omid: Ich hatte im Iran ein Bauunternehmen mit einem Freund zusammen. Mit ihm habe ich viele Häuser gebaut – und ihm auch von meinem Glauben erzählt. Doch er hat mich an die Polizei verraten. Als meine Frau und ich gemeinsam zum Oktoberfest in Deutschland waren, hat er mich wegen Apostasie angezeigt. Ich konnte nicht mehr zurück, denn sonst wäre ich festgenommen worden. Für ihn war das die Gelegenheit, sich ohne eine Ausgleichszahlung die ganze Firma allein anzueignen. Er hatte meine Vollmacht, da ging das schnell.
Frage: Wie erging es Ihnen dann in Deutschland?
Omid: Auf der einen Seite musste ich mein Leben völlig neu aufbauen, ein Start von Null – eigentlich sogar weniger als Null. Das war sehr schwer. Ich hatte keine Wohnung und keine Arbeit. Ich musste eine neue Sprache lernen und mein Führerschein galt nicht mehr. Gott sei Dank hat der Neustart hier aber funktioniert: Unsere Universitätsabschlüsse wurden anerkannt und wir haben hier neue Jobs gefunden. Auf der anderen Seite bin ich wegen meiner neugewonnennen Freiheit sehr froh: Ich kann hier einfach zur Messe gehen, ohne Angst zu haben. Ich kann meinen Glauben leben und vertiefen. Ich habe mich hier an eine Eintrittsstelle gewandt und konnte in vielen Gesprächen noch viel über meinen Glauben lernen.
Frage: Hat Sie etwas am Glauben hier nochmal besonders begeistert?
Omid: Das Gotteslob! Das ist wirklich schön, ich habe es gelesen und war direkt begeistert. Ich habe es deshalb in meine Muttersprache Farsi übersetzt.
Frage: Wie schauen Sie denn heute auf den Islam?
Omid: Ich bin sehr froh über meinen Religionswechsel. Denn ich habe den Koran und die Bibel immer wieder verglichen: Der Islam hat sehr strikte Regeln – die werden im Iran schon recht zutreffend umgesetzt. Frauen und Männer sind in dem Land etwa nicht gleich viel wert, ebenso sieht es beim Verhältnis der Religionen aus – das merkt man zum Beispiel beim Erben oder bei Entschädigungszahlungen. Mir persönlich ist aber das Menschsein wichtig. Für mich sieht Gott nur Menschen, keine Geschlechter oder Religionszugehörigkeiten. Wir sind alle gleich viel wert. Das finde ich eher im Christentum.
Frage: Azar, für Sie waren religiöse Rituale immer problematisch. Wie sieht es denn jetzt bei christlichen Ritualen aus?
Azar: Ich habe langsam angefangen, weil ich anfangs voreingenommen war und frei sein wollte. Ich habe immer an Gott geglaubt, wollte aber nach meinen Erfahrungen im Iran nicht so vielen Regeln folgen. Natürlich hatte ich auch immer beigebracht bekommen, dass der Islam die beste und den Menschen zugewandteste Religion ist – da wollte ich von den anderen erst gar nichts wissen. Erst nach und nach habe ich mich mit der Kirche beschäftigt und habe Kontakt zur Gemeinde aufgenommen. Das habe ich alles als sehr freundlich und sauber wahrgenommen. In der Kirche hatte ich in der Anfangszeit noch immer das Gefühl, dass mich etwas beschwert, ich nicht gut atmen kann, dass etwas auf mir lastet. Das hatte wohl etwas mit meiner Abwehrhaltung zu tun. Heute fühle ich mich sehr gut. Ich habe einen Kurs zum Christentum gemacht und dadurch jetzt ein Ziel vor mir. Wenn es mir nicht gut geht, kann ich einfach mit jemandem sprechen oder in der Kirche eine Kerze anzünden – dann fühle ich mich besser. Ich habe das Christentum wirklich schätzen gelernt: Da liegt so viel Frieden und Freude darin. Deshalb wollte ich mich auch taufen lassen.
„Am Arbeitsplatz trage ich meistens meine Kreuzkette am Hals – das sagt, glaube ich, schon alles.“
Frage: Haben Sie hier denn Bedrohungen von Muslimen erlebt?
Azar: Ich spreche mit Muslimen nicht über meine Religion. Wer fragt, dem sage ich, dass ich katholisch bin. Am Arbeitsplatz trage ich meistens meine Kreuzkette am Hals – das sagt, glaube ich, schon alles. Aber sonst vermeide ich das Thema. Denn ich habe so viele Menschen getroffen, die von ihrer Religion sehr eingenommen sind. Da habe ich Angst, mit solchen Leuten Streit zu bekommen, denn das kann gefährlich werden. Im Iran habe ich oft genug mitbekommen, welche Folgen das für Menschen haben kann, wenn sie etwa ihre eigenen Kinder denunzieren.
Frage: Wie hat sich Ihr Leben verändert?
Omid: Ich habe schon im Iran mein Leben verändert. Durch die Bibel etwa. Mein Glaube war versteckt. Heute bin ich viel freier, das ist eine große Änderung für mich. Hier kann ich meinen Glauben vertiefen.
Azar: Ich habe ein Ziel und eine Richtung für mein Leben, ich kann ruhiger werden. Ich habe einen Gott, dem ich meine Probleme erzählen kann. In unserer Gemeinde haben wir in einem fremden Land sehr viele Freunde gefunden, die uns immer helfen und unterstützen. All das ist durch das Wirken von Jesus Christus geschehen und ist eine große Chance für uns.
Frage: Haben Sie Heimweh in den Iran?
Omid: Ich habe seit sechs Jahren meine Familie nicht gesehen, zur Beerdigung meines Bruders im Januar konnte ich nicht fahren. In den Iran können wir beide nie mehr zurück. Das macht mich sehr traurig. Heimweh ist ein großes Thema.
Azar: Als wir damals nach Deutschland gereist sind, habe ich meinem Vater gesagt, dass ich in neun Tagen zurück bin. Das ist jetzt sechs Jahre her – und mein Vater ist an Corona gestorben. Ich habe ihn nicht wieder treffen können. Ich vermisse meine Schwestern und meine Nichten, die noch im Iran sind. Ich habe im Iran nie etwas Verbotenes getan, aber ich habe immer Angst, dass mir etwas passieren könnte, wenn ich dorthin reise.
Frage: Ist Ihre Konversion denn da auch Thema?
Omid: Das ist für meine Familie kein Problem. Sie sind Muslime, aber nicht radikal.
Azar: Meine Familie hat genauso wenig mit Religion zu tun wie ich früher. Das trifft auf ganz viele Leute im Iran zu. Deswegen ist das für sie kein großes Thema. Sie haben mir gesagt: Es ist das wichtigste, dass du dich wohl fühlst. Ein Schwager von mir ist auch Christ geworden, da war es ebenso.
