Bundesverfassungsgericht stärkt Arbeitsrecht der Kirchen
Das Bundesverfassungsgericht hat die Kirchen im Streit um ihr Arbeitsrecht gestärkt. Der Zweite Senat gab in einer am Donnerstag in Karlsruhe veröffentlichten Entscheidung der Verfassungsbeschwerde der evangelischen Diakonie im Rechtsstreit mit der konfessionslosen Sozialpädagogin Vera Egenberger statt. Zuvor hatte das Bundesarbeitsgericht die Diakonie zur Zahlung einer Entschädigung verurteilt, weil sie Egenberger für eine ausgeschriebene Stelle nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen hatte. Die konfessionslose Bewerberin sah darin eine Diskriminierung aus religiösen Gründen. Das Verfassungsgericht entschied nun, das Urteil des Bundesarbeitsgerichts verletze die Diakonie in ihrem im Grundgesetz verankerten religiösen Selbstbestimmungsrecht.
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die Diakonie begrüßten die Entscheidung: "Das höchste deutsche Gericht hat für Klarheit gesorgt. Kirche und Diakonie dürfen in ihrer Einstellungspraxis in begründeten Fällen eine Kirchenmitgliedschaft ihrer Mitarbeitenden voraussetzen. Dies steht nicht im Widerspruch zum europäischen Antidiskriminierungsrecht", sagte Diakonie-Vorstand Jörg Kruttschnitt.
Die aus der Kirche ausgetretene Egenberger hatte sich 2012 um eine Referentenstelle beim Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung beworben – ohne Erfolg. Bei dem befristeten Job ging es um die Mitarbeit an einem Bericht von Nichtregierungsorganisationen zur deutschen Umsetzung der UN-Antirassismus-Konvention. Egenbergers Fall beschäftigt seit mehr als einem Jahrzehnt Arbeitsgerichte und oberste Gerichte. Zuletzt entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) 2018, dass sich Kirchen bei Stellenbesetzungen nicht pauschal auf ihr Selbstbestimmungsrecht berufen können – und nahm Bezug auf die Antidiskriminierungsrichtlinie der EU.
Karlsruhe verweist auf "christliches Profil"
Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt sprach Egenberger daraufhin eine Entschädigung zu. Die Bundesarbeitsrichter äußerten "erhebliche Zweifel", dass Egenberger als konfessionslose Referentin auf diesem Posten das Ethos der Kirche beeinträchtigt hätte. Die Diakonie legte daraufhin 2019 in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde ein. Nach sechs Jahren kam nun die Entscheidung: Aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts hat das Bundesarbeitsgericht das "plausibel" dargelegte christliche Profil der fraglichen Referentenstelle nicht ausreichend berücksichtigt. Das Bundesarbeitsgericht "überspanne" in der Folge die nach Maßgabe der EuGH-Rechtsprechung zu beachtenden Vorgaben zulasten des religiösen Selbstbestimmungsrechts der Kirchen und ihrer Einrichtungen.
Das Verfassungsgericht konkretisiert seine Vorgaben für Stellenanforderungen kirchlicher Arbeitgeber im Beschluss mit den Worten: "Je größer die Bedeutung der betroffenen Position für die religiöse Identität der Religionsgemeinschaft nach innen oder außen, desto mehr Gewicht besitzt der von der Kirche in Wahrnehmung ihres Selbstbestimmungsrechts vorgetragene Belang und ein daraus abgeleitetes Erfordernis der Kirchenmitgliedschaft." Der Zweite Senat fährt fort: "Je weniger Relevanz die jeweilige Position für die Verwirklichung des religiösen Ethos hat, desto eher wird dem Diskriminierungsschutz der Vorzug zu geben sein."
In diesem Sinne hatten die katholische wie auch die evangelische Kirche bereits vor mehreren Jahren ihre Einstellungsvoraussetzungen für Beschäftigte geändert. Die katholische Kirche in Deutschland reformierte Ende 2022 ihre "Grundordnung des kirchlichen Dienstes". Die Religionszugehörigkeit ist demnach nur dann ein Kriterium bei der Einstellung, wenn sie für die jeweilige Position erforderlich ist. Das gilt zum einen für die Arbeit in Seelsorge und Glaubensvermittlung und zum anderen für Tätigkeiten, die das katholische Profil der Einrichtung inhaltlich prägen, mitverantworten und nach außen repräsentieren. (KNA)
