Hendricks: Kirchen sollten sich mehr beim Klimaschutz einbringen
In Brasilien beginnt am Montag die Klimaschutzkonferenz COP30. Gleichzeitig jährt sich die Verabschiedung des Pariser Klimaabkommens und der Enzyklika "Laudato sí" dieses Jahr zum zehnten Mal. Barbara Hendricks, ehemalige Bundesumweltministerin und Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, verhandelte in Paris mit. Sie erklärt im katholisch.de-Interview, warum die Enzyklika mehr Aufmerksamkeit verdient und warum sie ihre Hoffnung angesichts schlechter Nachrichten nicht verliert.
Frage: Es ist jetzt zehn Jahre her, dass das Pariser Klimaabkommen verhandelt und verabschiedet wurde. Wie blicken Sie heute auf die Klimapolitik?
Hendricks: Natürlich könnte alles schneller gehen und noch besser laufen, das ist gar keine Frage. Trotzdem bleibt das Pariser Klimaschutzabkommen ein Gamechanger. Dass sich über 190 Staaten der Welt verpflichtet haben, alles ihnen Mögliche zu tun, um den Klimawandel einzuschränken, wirtschaftlich, finanziell, technologisch und politisch. Das war ein echter Durchbruch, der lange auf sich hat warten lassen. Die Vorarbeiten hatten schon 1992 begonnen und der ganze Prozess stand 2009 in Kopenhagen kurz vor dem Scheitern. Der Durchbruch war dann 2015. Nun sind wir in den Mühen der Ebene mit vielen Auseinandersetzungen. Aber dazu sind Klimakonferenzen da, es gibt keine Rückschritte, sondern Fortschritt.
Frage: Am Montag beginnt auch der COP30 in Brasilien. Haben Sie Hoffnungen auf Durchbrüche oder befürchten Sie Schwierigkeiten?
Hendricks: Es gibt natürlich immer Schwierigkeiten, weil die Interessenlagen sehr unterschiedlich sind und die einzelnen Staaten an das Thema sehr unterschiedlich herangehen. Alle Staaten müssen jetzt klar darlegen, was sie bis 2035 zu tun gedenken. Auch die Europäische Union muss das und hat ihre Ziele gerade unter Mühen festgesetzt. Dann gibt es natürlich immer Auseinandersetzungen etwa darüber, wie die Länder des Globalen Südens unterstützt werden sollen, die am wenigsten zum Klimawandel beitragen, aber am meisten unter ihm leiden. Positiv sehe ich, dass Wälder weltweit effektiver geschützt werden sollen. Da kann man mit verhältnismäßig wenig Geld viel bewirken. Solche Initiativen stimmen mich zuversichtlich.
Frage: Vor zehn Jahren hat Papst Franziskus die Enzyklika "Laudato sí" veröffentlicht. Da geht es sehr stark um das Thema Umweltschutz und die Bewahrung der Schöpfung. Hat dieser Text auch heute noch Relevanz?
Hendricks: Die Enzyklika Laudato sí war ganz wichtig, auch für die Vorbereitung der Konferenzen. Denn das Jahr 2015, in dem Papst Franziskus die Enzyklika im Mai veröffentlicht hat, war ein sehr erfolgreiches Jahr für die internationale Zusammenarbeit. Im September wurden in New York die nachhaltigen Entwicklungsziele verabschiedet und im Dezember dann das Pariser Klimaschutzabkommen. Und auf beides hat die Enzyklika von Papst Franziskus Einfluss genommen. Der Papst hatte im September vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen gesprochen, als es um die Verabschiedung der Nachhaltigen Entwicklungsziele ging. Der Papst schrieb außerdem: Wir müssen die Bekämpfung der Armut, also der materiellen Armut und auch der Bildungsarmut, immer im Zusammenhang sehen mit der Bekämpfung des Klimawandels. Diese Brücke zu bauen hat gerade in den Ländern des Südens viel Zustimmung und Aufmerksamkeit gefunden, weit über katholisch geprägte Länder hinaus. In der katholischen Kirche in Deutschland oder Mitteleuropa würde ich mir noch mehr Aufmerksamkeit für diese Enzyklika wünschen. Denn was der Papst da vor zehn Jahren aufgeschrieben hat, gilt weiterhin.
Die Umweltenzyklika von Papst Franziskus erschien 2015.
Frage: Auch wenn die Aufmerksamkeit nicht so groß ist wie im Süden, sehen Sie trotzdem, dass die Kirche in Deutschland durch die Enzyklika aktiv geworden ist?
Hendricks: Allerdings. Die Bistümer haben Umweltbeauftragte benannt, die miteinander vernetzt sind. Die machen schon viel, etwa was kirchliche Immobilien oder die Mobilität anbelangt. Ganz praktisch machen die Bistümer da recht viel. Was meiner Meinung nach noch mehr Aufmerksamkeit bekommen sollte, ist die Frage nach kirchlichem Grund und Boden, also vor allem landwirtschaftlich genutzte Flächen. Da verpachtet die Kirche mancherorts einige von. Wie damit umgegangen wird, ist noch nicht so in den Blick genommen worden. Dabei ist die Art und Weise, wie Landwirtschaft betrieben wird, von großer Bedeutung. Aber am wichtigsten finde ich eigentlich, dass die katholische wie auch evangelische Kirche noch mehr die gesellschaftliche Debatte in der Bundesrepublik Deutschland beeinflussen sollten. Sie sollten sich zum Thema Klimaschutz und dem damit eng verbundenen Thema der Entwicklungszusammenarbeit mehr noch als bisher in die politischen Debatten einbringen.
Frage: In der Gesellschaft sieht man allerdings auch eine gewisse Müdigkeit gegenüber dem Thema Klima. Auch in der Politik gibt es Ideen, Klimaschutzmaßnahmen zurückzuschrauben.
Hendricks: Ja, in den Jahren 2018 bis 2020 gab es noch ein sehr großes Interesse an Klimaschutz in Deutschland und Mitteleuropa. Das fing eigentlich an mit den Demonstrationen von Greta Thunberg und der Initiative “Fridays for Future”. Es gab auch in Deutschland Initiativen wie die Großeltern für Klimaschutz, wo sich die ältere Generation mit der Enkelgeneration verbündet hat. Das ist leider alles wieder etwas eingeschlafen. Aber es ist nicht weg. Gerade darum finde ich es wichtig, dass zivile Akteure, und dazu gehört auch die katholische Kirche, noch lauter werden und sich für den Klimaschutz noch mehr in der gesellschaftlichen Debatte einbringen.
Frage: Was gibt Ihnen angesichts all dieser schlechten Nachrichten Hoffnung?
Hendricks: Es gibt natürlich Hoffnung. Vor zehn Jahren, als das Pariser Klimaschutzabkommen beschlossen wurde, gab es wissenschaftlich fundierte Projektionen, die davon ausgingen: Wenn wir jetzt nichts unternehmen, dann werden wir eine globale Erderwärmung in der Größenordnung von etwa fünf Grad Celsius haben. Also völlig undenkbar für ein gutes Überleben der Menschheit und überhaupt der Schöpfung. Jetzt sind zehn Jahre vergangen, und im Moment sagen die Projektionen: Wenn wir jetzt so weitermachen wie bisher, dann landen wir bei 2,9 Grad. Das ist natürlich immer noch viel zu viel, und wir müssen unsere Anstrengungen noch erhöhen. Aber in den letzten zehn Jahren haben wir gut zwei Grad Erderwärmung weggeschafft. Das gibt mir Hoffnung, dass es uns in den nächsten Jahren auch gelingt, weiter positiv diese Gefahr zu bannen und tatsächlich in der Größenordnung von 1,5 Grad Celsius Erderwärmung zu landen, so wie es im Klimaschutzabkommen von Paris steht. Und ich glaube, das kann einem wirklich auch Hoffnung geben.
