"Tagespost"-Redakteur war von Jesuitenhochschule ausgeladen worden

Nach Vortragsabsage: Hochhalten der Wissenschaftsfreiheit erstaunt

Veröffentlicht am 05.12.2025 um 00:01 Uhr – Von Magnus Striet – Lesedauer: 
Gastkommentar

Freiburg ‐ Die Ausladung eines "Tagespost"-Redakteurs durch die Jesuitenhochschule für Philosophie hat für Schlagzeilen gesorgt. Ob das klug war, sei dahingestellt, schreibt Magnus Striet. Er hält den Vorgang aus einem anderen Grund für kommentierungswürdig.

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Ob mit einem wundertätigen Gott zu rechnen ist, mag schwierig zu beurteilen sein. Keine Frage kann es sein, dass auf dem Feld des Römisch-Katholischen wundersame Dinge passieren. So etwa, wenn seit Tagen die Ausladung des Redakteurs Sebastian Ostritsch der "Tagespost" durch die Jesuitenhochschule für Philosophie in München für Schlagzeilen sorgt. Der Redakteur der Zeitung, die nicht gerade für einen liberalen Kurs bekannt ist, sollte dort einen Vortrag über die Gottesbeweise halten.

Ob die Ausladung klug war, sei dahingestellt. Über die stichhaltige Möglichkeit von Gottesbeweisen zu diskutieren, schadet schließlich nie. Den Grund der Ausladung bildete allerdings auch nicht das Ansinnen von Ostritsch, nochmals hinter die Kritik aller möglichen Gottesbeweisversuche durch Immanuel Kant zurückzuwollen und stattdessen intellektuell auf die Beweisführung Thomas von Aquins zu setzen, sondern der Druck von Studierenden, die ihm eine nicht ganz unbegründete Nähe zum Rechtskatholizismus unterstellten. In einer liberalen Demokratie sind politische Positionen allerdings auszuhalten, solange sie nicht verfassungsfeindlich sind. Dies wird man denen vorhalten müssen, die sich für seine Ausladung engagiert haben.

Hochhalten der Wissenschaftsfreiheit erstaunt

Der ganze Vorgang ist gleichwohl deshalb kommentierungsbedürftig, weil nun aus Kreisen, die alles andere als dafür bekannt sind, das Prinzip einer freien Wissenschaftskultur, in der einzig und allein die argumentative Kraft von Gründen zählt, durch die Ausladung von Ostritsch eine Gefährdung des Prinzips der Wissenschaftsfreiheit angeprangert wird. Dies erstaunt mich insofern sehr, als die "Tagespost" in den vergangenen Jahren nicht gerade zimperlich gewesen ist in der Verteilung von Häresienoten und sich selbst für ihren klaren katholischen Kurs lobt. Worin immer dieser genau bestehen mag.

Bild: ©KNA/Julia Steinbrecht

Wurde zu einer Tagung an die Opus Dei-Universität Santa Croce in Rom ein- und dann wieder ausgeladen: Magnus Striet, Professor für Fundamentaltheologie an der Universität Freiburg, am 17. Januar 2023 in Bonn.

Leider muss man sagen, dass der Vorgang symptomatisch für den Zeitgeist ist, an den sich Katholik:innen nach Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. nicht anpassen dürften. Wenn etwas zeitgeistkonform ist, dann die mangelnde Bereitschaft, sich überhaupt noch auf gegenteilige Gründe einzulassen. Man hat die Wahrheit auf seiner Seite, und damit ist die Gegenseite automatisch im Unrecht. Überhaupt das Gespräch noch aufzunehmen, erübrigt sich dann. Das Cancel-Culture-Argument wird dann bemüht, wenn man sich in seiner eigenen Meinungsfreiheit behindert sieht. So spiegelt der Vorgang Ostritsch und vor allem die Kritik an seiner Ausladung durch die Leitung der Jesuitenhochschule zunächst nur eines wider – nämlich die Tendenz, die auf dem gesamten gesellschaftlichen Feld zu beobachten ist: Das für eine liberale Gesellschaft grundlegende Prinzip, dass wir zu Gesprächen und Kompromissen bereit und imstande sind, scheint immer mehr in Vergessenheit zu geraten. Geschlossene Gesellschaft agiert gegen geschlossene Gesellschaft.

Im staatlichen Universitätssystem ist die Freiheit der Forschung das höchste Gut, und es ist durchaus bedenklich, dass es hier in den letzten Jahren zu einer drastischen Politisierung gekommen ist, die diesen für eine liberale Gesellschaft unverzichtbaren Ort eines nachdenklichen Austauschs über das bessere Argument gefährdet. Ich erinnere nur an die Auseinandersetzungen nach dem brutalen Angriff der Hamas auf jüdische Siedlungen und dem anschließenden Gaza-Krieg, in deren Gefolge Veranstaltungen abgesagt werden mussten.

Freiheit des Arguments im katholischen Raum nicht beliebt

Gleichzeitig wird man denen, die jetzt auf das Prinzip der Wissenschaftsfreiheit pochen und die Ausladung von Ostritsch kritisieren, ins Stammbuch schreiben müssen, dass die Freiheit des Arguments sich seit dem 19. Jahrhundert im katholischen Raum keiner allzu großen Beliebtheit erfreuen durfte und die nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil zu beobachtenden Lockerungsübungen spätestens durch das Pontifikat Johannes Pauls II. und dem damaligen Präfekten der Glaubenskongregation, Kardinal Joseph Ratzinger, wieder eingenordet wurden. Wenn heutzutage zumindest hierzulande die akademische Theologie im staatlichen Wissenschaftssystem sich inzwischen breit die Freiheit öffentlicher Rede nimmt, so dürfte dies unter anderem damit zusammenhängen, dass das Amt seine Autorität inzwischen größtenteils verspielt hat. Dafür zeichnen nicht nur die zahlreichen Skandale verantwortlich. Ebenso dürfte die autoritäre Aufspreizung des eigenen Amtsanspruchs an ein Ende gekommen sein.

Gespannt darf man sein, ob sich die, die sich jetzt über die Ausladung von Ostritsch mokieren, die gleiche Empörung zeigen, wenn andere von einer Ausgrenzungspolitik betroffen sind. Interessant zu beobachten wäre, wenn es an der im Aufbau befindlichen Hochschule für katholische Theologie in Köln zu einer offenen Debattenpolitik käme. Oder aber wenn sich bei den regelmäßigen Tagungen des ehemaligen Schülerkreises Joseph Ratzingers nicht nur die üblichen Verdächtigen auf der Rednerliste finden würden. Es wäre spannend zu beobachten, wie sich dann die Debatten entwickeln würden – und: Eine solche Kultur auszuprägen, wäre ein Dienst am Projekt einer liberalen Moderne. Die Frage ist nur, ob man dies will. Eine Anekdote zum Schluss: Der Verfasser dieser Zeilen wurde im letzten Jahr zu einer Tagung an die Opus Dei-Universität Santa Croce in Rom eingeladen, was ihn überrascht, aber sehr gefreut hat. Selbstverständlich hat er zugesagt. Allerdings wurde er einige Zeit späte auf Geheiß der höchsten Autoritäten wieder ausgeladen. Wundersam?

Von Magnus Striet