CSU-Politiker Hartmut Koschyk über die Lage der Christen in Nordkorea

Wo Christen Staatsfeinde sind

Veröffentlicht am 10.11.2015 um 13:25 Uhr – Von Kilian Martin – Lesedauer: 
Christenverfolgung

Bonn ‐ Nirgends ist die Situation für Christen so schlimm wie in Nordkorea. Der Bundestagsabgeordnete Hartmut Koschyk war bereits mehrfach dort. Im Interview berichtet er von Messen in Pjöngjang, dem Führerkult um Kim Jong-un und der Hoffnung auf Veränderung.

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Frage: Herr Koschyk, Sie sind gerade von einer Reise in die beiden koreanischen Staaten zurückgekehrt. Sie gehören damit zu den wenigen Menschen, die bereits mehrfach das kommunistische Nordkorea besucht haben. Seit Jahren gilt es als das Land, in der die Christenverfolgung weltweit am schlimmsten ist. Wie haben Sie die Situation der Christen vor Ort erlebt?

Koschyk: Bei meinen bisherigen Besuchen in Pjöngjang habe ich stets auch die unter strikter staatlicher Kontrolle stehenden christlichen Gemeinden besucht. Beim zurückliegenden Besuch haben die Mitglieder der Delegation der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe an Gottesdiensten in der katholischen Jangchung-Kirche und in der evangelischen Pongsu-Kirche teilgenommen. Man muss bedenken, dass bei Gesprächen mit Gemeindemitgliedern dort immer auch Personen anwesend sind, die anschließend die staatlichen Stellen genauestens darüber informieren. Da sind offene Gespräche aus Angst vor Repressalien kaum vorstellbar.

Frage: Kann man in Nordkorea also überhaupt von einem kirchlichen Leben sprechen? Oder ist das eigentlich alles nur Fassade?

Koschyk: Solche Fragen stellen sich immer, wenn man so stark reglementierte Glaubensgeschwister in Ländern wie Nordkorea besucht. Natürlich ist auch das kirchliche Leben dort total vom Staat geregelt. Aber die Gottesdienste, die meine Kollegen und ich besucht haben, waren durchaus besondere und ernst zu nehmende Feiern. Etwa eine Heilige Messe mit zwölf Priestern aus Südkorea, die erstmals seit sieben Jahren wieder einreisen durften.

Hartmut Koschyk (CSU) ist Vorsitzender der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe und bereist regelmäßig das kommunistische Nordkorea.
Bild: ©picture alliance / dpa

Hartmut Koschyk (CSU) ist Vorsitzender der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe und bereist regelmäßig das kommunistische Nordkorea.

Frage: In Nordkorea herrscht ein Staatskult, der sich um den Führer Kim Jong-un und seine beiden Vorgänger dreht. Was ist das für ein Kult?

Koschyk: Es ist ein Führerkult. Ob das von ihm selbst oder den Menschen mit religiösen Zügen versehen ist, kann man von außen schlecht beurteilen. Man kann nicht in das Herz des Menschen hineinschauen. Ich weiß also nicht, welche Art von Verehrung sie ihrem Führer Kim Jong-un entgegen bringen. Mir kommt es gerade deswegen darauf an, den Christen vor Ort ein Gefühl der Verbundenheit zu vermitteln. Diese leben dort in einem Grenzbereich zwischen Staatskult und Untergrundkirche, den wir auch aus anderen Ländern wie China kennen.

Frage: Sie haben in Nordkorea mehrfach erlebt, dass das Regime eigens Aufpasser für die Gottesdienste abstellt. Bekannt geworden ist der Auftritt eines Hasspredigers bei Ihrer vorangegangenen Reise. Was beabsichtigt der nordkoreanische Staat damit?

Koschyk: Diesmal hat sich dieser "Pater Francisco" – der ja gar kein Pater ist, sondern ein staatlicher Funktionär – immerhin sehr versöhnlich und ruhig gegeben. Er hat sogar persönlich die Priester aus Südkorea begrüßt. Aber gemäß dem Grundsatz "das Böse durch das Gute überwinden" darf man auch trotz solcher staatlicher Eingriffe nichts unversucht lassen. Wenn unter den 99 Sündern dort auch nur ein Gerechter ist, ist es die Mühe wert, ihm unsere Glaubensverbundenheit zu bekunden.

Zur Person

Hartmut Koschyk (CSU) sitzt seit 25 Jahren im Deutschen Bundestag und vertritt dort seinen oberfränkischen Wahlkreis Bayreuth. Seit 2014 ist er Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten. Er ist zudem Vorsitzender der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe und bereist regelmäßig das kommunistische Nordkorea.

Frage: Sie haben damals noch in Nordkorea öffentlich Kritik an dem Auftritt des Hasspredigers geäußert. Stoßen Sie mit solchen Äußerungen nicht auf Widerstände?

Koschyk: Ich habe damals ganz offen mit dem Vize-Außenminister gesprochen und ihm gesagt, dass ich mich durch den Auftritt von "Pater Francisco" in meinen religiösen Gefühlen tief verletzt fühle. Da wurde eine auf Öffnung und Versöhnung gerichtete Andacht auf inakzeptable Weise missbraucht. Und mein Eindruck war, dass zumindest dieser Minister für meine Gefühle und die der Delegation ehrliches Verständnis hatte. Die Bundesrepublik und die Volksrepublik Nordkorea haben erst im Jahr 2001 diplomatische Beziehungen aufgenommen. Damals hat man sich darüber verständigt, dass beide Seiten auch einen Dialog über die Menschenrechte führen wollen. Dem Regime in Nordkorea muss weiterhin klar und deutlich vor Augen geführt werden, dass der Ausbau von staatlichen Beziehungen untrennbar mit der Wahrung der Menschenrechte, etwa dem Recht auf freie Religionsausübung, verbunden sind.

Frage: Bewegt sich in diesen Fragen etwas?

Koschyk: Das muss man abwarten. Zu mir hat neulich ein sehr erfahrener Diplomat aus Südkorea Folgendes gesagt: Im geteilten Deutschland haben damals viele kleine Schritte eine Annäherung bewirkt. Aus diesen vielen Schritten haben sich dann auch qualitative Veränderungen ergeben. Im geteilten Korea müssen wir wahrscheinlich eher versuchen, mit vielen kleinsten Schritten voran zu kommen. Aber auch daraus ergibt sich dann - vielleicht mit etwas längerem Atem - nachhaltige Veränderung. Das ist ein Bild, das mir gut gefallen hat.

Frage: Die deutsche Wende ging auch von den Kirchen aus, beispielsweise in Form der Friedensgebete und Montagsdemonstrationen. Ist das auch eine Möglichkeit in Korea?

Koschyk: Ich habe mich bei den Gottesdiensten in Pjöngjang durchaus daran erinnert gefühlt, welche Rolle die Kirchen bei der innerdeutschen Annäherung gespielt haben. Vor diesem Hintergrund haben auch die anderen Mitglieder der Delegation Hoffnung verspürt. Und auch bei den Gesprächen in Südkorea war die Rede davon, dass die Kirchen eine wichtige Rolle für die Annäherung in Korea spielen können.

Nordkoreas Diktator Kim Jong-un hat die Regierungsgewalt von seinem Vater geerbt, der im Land gottähnlich verehrt wird.
Bild: ©picture alliance / AP Photo

Nordkoreas Diktator Kim Jong-un hat die Regierungsgewalt von seinem Vater geerbt, der im Land gottähnlich verehrt wird.

Frage: Sie haben berichtet, dass an einem der Gottesdienste erstmals seit Jahren wieder südkoreanische Priester teilnehmen konnten. Kürzlich gab es außerdem erneut eine Familienzusammenführung koreanischer Familien aus beiden Staaten. Sind das Zeichen der Öffnung Nordkoreas?

Koschyk: In all den Jahren, in denen ich mich nun mit der Situation auf der koreanischen Halbinsel beschäftige, musste ich leider feststellen, dass nach Phasen der Annäherung stets auch wieder Phasen der Verhärtung eingetreten sind. Innerhalb der nordkoreanischen Führung gibt es Strömungen, die eine innerkoreanische Öffnung des Landes befürworten und solche, die sie kategorisch ablehnen. Zeichen wie die Einreise der südkoreanischen Priester und die Familienzusammenführung lassen hoffen, dass reformorientierte Kräfte innerhalb der koreanischen Führung ihre Machtposition ausbauen konnten.

Frage: Sollten Sie zukünftig wieder nach Nordkorea reisen, mit welchem Gefühl werden Sie dann das Land besuchen?

Koschyk: Bundespräsident Joachim Gauck hat bei seiner Rede vor dem südkoreanischen Parlament kurz vor unserer Delegationsreise gesagt: Vertrauen und Dialog sind der Schlüssel zu friedlichem Wandel in Korea und Nordost-Asien. Diesen Satz habe ich oft bei meinen Gesprächen in Nordkorea zitiert und keinen Widerspruch bekommen. In diesem Sinne versuche ich, unsere deutschen Erfahrungen bei Kontakten nach Nord- und Südkorea zu vermitteln und die Annäherung zu unterstützen.

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Christen gelten weltweit als eine der am stärksten verfolgte religiöse Gruppe weltweit. Oft haben sie unter Repressalien zu leiden. Katholisch.de informiert über alles Wichtige zum Thema.
Von Kilian Martin