Mit untrüglichem Gespür für die Kirche
Nach eigenem Bekunden fand er in seiner Familie "weniger Geborgenheit als andere Menschen". Mit 14 Jahren trat er in den Orden der Christian Brothers ein, verließ das Kloster aber 1942, kurz bevor er seine Ewigen Gelübde ablegen sollte. Am Zweiten Weltkrieg nahm er als Soldat teil; danach arbeitete er für den Rundfunk, bis er beschloss, Schriftsteller zu werden. Sein langanhaltender literarischer Erfolg begann in den 50er Jahren mit dem Buch "Die Kinder des Schattens" über den neapolitanischen Priester Mario Borelli, der sich um Slum-Kinder kümmerte.
Zuspruch bei katholischen Lesern
An die Spitzen der Bestseller-Listen katapultierten ihn die Romane "Des Teufels Advokat" über eine Heiligsprechung und "In den Schuhen des Fischers", in dem er 1963 einen Papst aus dem Ostblock zur Hauptfigur machte. Beide Romane wurden in Hollywood verfilmt. Auch die folgenden Papst-Romane "Lazarus", "Die Gaukler Gottes", über einen Papst, der zurücktritt, oder "Die Liebenden" fanden vor allem bei den katholischen Lesern großen Zuspruch.
Der Autor lebte mehrere Jahre in Rom als Journalist, kannte sich aus im Zentrum der Christenheit. Er entwickelte dort ein fast schon übernatürlich zu nennendes Gespür für atmosphärische Schwingungen in und um die Kirche, die er dann in seinen Romanen verarbeitete. Das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) war weltweit in den Medien, und überall wurde nicht nur im katholischen Stamm-Milieu über Kirche diskutiert. So sensibilisiert fanden die Romane von Morris West vor allem in den 60er und 70er Jahren ihr Publikum.
Tod am Schreibtisch
Es hat Morris L. West unglaublich geschmerzt, dass er zwar kommerziell sehr erfolgreich war und das in schicke Statussymbole wie eine Jacht umsetzen konnte, ihm aber die kritische Anerkennung als Schriftsteller versagt blieb. Gerne wäre er wohl tatsächlich Australiens Antwort auf Graham Greene gewesen. Er starb am 9. Oktober 1999 im Alter von 83 Jahren an seinem Schreibtisch, mitten in der Arbeit zu seinem Roman "Die letzte Beichte", den seine Familie posthum veröffentlichte.